Globales Abkommen zum Waffenhandel ein zahnloser Tiger

UN-Generalversammlung stimmt mehrheitlich für die Annahme des Abkommen. Bild: UN Photo/Devra Berkowitz

Das mit überwältigender Mehrheit in der UN-Vollversammlung angenommene Abkommen wird selbst dann eher symbolisch sein, wenn es von mehr als 50 Staaten ratifiziert wurde

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Die UN-Generalversammlung hat gestern mit großer Mehrheit ein erstes Abkommen zur Kontrolle des globalen Waffenhandels nach mehr als sechsjährigen Verhandlungen angenommen. 154 Staaten haben für das Abkommen gestimmt, 23 haben sich enthalten, nur Nordkorea, Iran und Syrien stimmten dagegen und demonstrierten damit Einigkeit unter Parias.

Allerdings tritt das Abkommen erst in Kraft, wenn es mindestens 50 Staaten ratifizieren. Erst dann kann das Vorhaben, das noch letzte Woche zu scheitern drohte, in Kraft treten - und das natürlich nur für die ratifizierenden Staaten. Man wird sehen, ob und wie schnell das zustande kommt, vor allem ob die groß Waffenexporteure wie die USA, Deutschland, Großbritannien oder Frankreich auch den letzten Schritt vollziehen. Zwar hat die US-Regierung das Abkommen unterzeichnet, man darf aber sehr skeptisch sein, ob es zu einer Ratifizierung kommen wird. Konservative und Waffenlobbies werden Sturm laufen. Russland und China haben sich schon einmal enthalten, u.a. weil die Annahme nicht einstimmig erfolgte. Kritisiert wurde auch von mehreren Staaten, dass das Abkommen im Interesse der Waffenexporteure formuliert worden sei, zudem sei kein Verbot der Lieferung an nichtstaatliche oder irreguläre Gruppen oder Organisationen vorgesehen, was etwa auch Bolivien, Nicaragua, Kuba oder Venezuela monierten.

Der syrische Vertreter sagte, man habe das Abkommen mehr als andere gewünscht, weil der gegenwärtige Zustand ein "amorlisches Chaos" sei, aber man habe nicht durchsetzen können, dass es "fair und ausgewogen" sei. Es sei zugunsten der "Krisenmacher und Kriegshetzer" gemacht worden und ignoriere die "Sorgen der Opfer". Einige Länder, darunter auch solche, die für das Abkommen seien, würden Terrorgruppen auch in Syrien mit tödlichen Waffen versorgen, "die das Leben von tausenden Zivilisten gekostet haben". Auch der syrische Vertreter monierte aus verständlichen Gründen das Fehlen eines kategorischen Verbots, "nicht-autorisierte nichtstaatliche Akteure" mit Waffen zu versorgen.

Das Abkommen regelt konventionelle Waffen: Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, großkalibrige Artilleriesysteme, Kampfflugzeuge und -hubschrauber, Raketen und Raketenwerfer, kleine und leichte Waffen. Aber es soll nicht in den nationalen Waffenhandel oder das nationale Recht auf Waffenbesitz eingreifen. Das Abkommen verbietet auch nicht den Export einer Waffe oder greift in das Recht der Staaten auf Selbstverteidigung ein.

Welchen Sinn das Abkommen überhaupt haben soll, ist schleierhaft, es kann als ein symbolischer Schritt gelten, um überhaupt erstmals eine Kontrolle des globalen Waffenhandels in Aussicht zu stellen. Ohne Durchsetzungsmechanismen wird es aber ein zahnloser Tiger bleiben. Die Mitgliedsländer sollen lediglich Kriterien entwickeln und jährlich einen Bericht über die Waffenverkäufe, inklusive Munition, vorlegen, um Exporte zu verhindern, die mit Menschenrechtsverletzungen, Terrorismus oder organisiertem Verbrechen verbunden sind oder schädlich für Frauen und Kinder sind. Aber solche Verwendungsmöglichkeiten sollen in den Berichten nur bewertet werden.

Munter dürfte etwa Deutschland nach eigenem Ermessen weiter Waffen in Krisengebiete wie den Nahen Osten exportieren, etwa nach Saudi-Arabien, schließlich gibt es bereits gerne missachtete Waffenexportrichtlinien. Waffenlieferungen sollen dann nicht genehmigt werden, wenn die jeweilige Regierung bei der Genehmigung "Kenntnis" hat, dass die Waffen "zum Begehen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, schweren Verletzungen der Genfer Konventionen von 1949, Angriffen auf zivile Objekte oder geschützte Zivilisten oder anderen, durch internationale Abkommen definierten Kriegsverbrechen" verwendet werden. Das ist tatsächlich windelweich, da sich leicht abstreiten lässt, eine solche Kenntnis zu haben.

Amnesty International freut sich bei allen Einschränkungen über das Abkommen, das es auch der eigenen Arbeit zuschreibt:

Auf diesen Augenblick haben wir mehr als 20 Jahre lang hingearbeitet: Mit überwältigender Mehrheit haben die UNO-Staaten am 2. April 2013 ein Waffenhandelsabkommen verabschiedet, das Waffenlieferungen verbietet, wenn diese zu Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen beitragen.

Die Staaten hätten Menschen und ihre Sicherheit trotz der gewaltigen Waffengeschäfte an die erste Stelle gesetzt. Auch Oxfam spricht enthusiastisch von einem "unglaublichen Augenblick" und vom Anbruch eines neuen Zeitalters. Überschwänglich wird das Abkommen gefeiert, als würde es tatsächlich rechtliche Bindungen für die ratifizierenden Staaten mit sich bringen. Anna Macdonald von Oxfam spricht so von einem "rechtlich bindenden internationalem Abkommen, das das tödlichste Geschäft der Welt, den Waffenhandel, regulieren wird". Warlords und Diktatoren könnten sich nun nicht mehr aufrüsten, ohne belangt zu werden: "Die Welt wird sie beobachten und zur Verantwortung ziehen." Nur ist davon in dem Abkommen nicht die Rede. Man gewinnt den Eindruck, manche NGOs, die sich als Repräsentanten der Zivilgesellschaft sehen, wollen für sich werben und sich einen Erfolg zuschreiben, den sie weitaus größer machen, als er in Wirklichkeit ist.