Gotteskrieger mit Mobilfunknetz

Mit seinem Medienimperium um Radio Maryja gehört der Redemptoristenpfarrer Tadeusz Rydzyk seit Jahren zu den einflussreichsten Personen Polens

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Nicht einmal antisemitische und fremdenfeindliche Äußerungen konnten den Einfluss und das Ansehen von Tadeusz Rydzyk zerstören. Mit dem im Juli eröffneten Mobilfunknetz "wRodzinie", startete der Geistliche nun ein weiteres Unternehmen, welches nicht nur seinen Geldbeutel füllen wird, sondern auch seine Macht sichern soll, die ihn vor jeder Kritik aus Warschau und dem Vatikan, wo seine Tätigkeit seit Jahren mit Misstrauen beobachtet wird, schützt. Und dies allein wegen seiner treuen Anhängerschaft, die sowohl seine wirtschaftlichen und politischen Erfolge möglich macht.

Wenn sich im Sommer tausende, vorwiegend ältere und weibliche Pilger mit Marienbildchen und politischen Transparenten bewaffnet in Tschenstochau versammeln, weiß in Polen jeder Bescheid: die "Mohair-Barette", wie die Anhängerinnen des umstrittenen Senders Radio Maryja aufgrund der bei ihnen beliebten, angorawollenen Kopfbedeckung genannt werden, feiern in Jasna Gora, dem bedeutendsten Nationalheiligtum Polens, ihre jährliche Wallfahrt. So, wie zuletzt am 11.- 12. Juli, als ca. 200.000 Radio Maryja-Anhänger „den Ruf der Revolution vernahmen“, wie die für ihre bissigen Texte bekannte Band Big Cyc 2006 in ihrem Song Moherowe Berety lästerte.

Für den Redemptoristenpfarrer Tadeusz Rydzyk, Gründer des Radiosenders und jetzt Kopf eines einflussreichen Medienunternehmens um Radio Maryja, der Tageszeitung Nasz Dziennik, des Fernsehsenders Trwam sowie der dazugehörenden Höheren Schule für Sozial- und Medienkultur, sind diese Wochenenden ein besonderer Tag der Freude. Die alljährlichen Wallfahrten sind eine Demonstration der Macht des "Vater Rydzyk", der grauen Eminenz der polnischen Politik (Die Graue Eminenz). Neben der treuen Anhängerschaft, die Rydzyk während des mehrere Stunden andauernden Abschlussgottesdienstes feiert wie den Papst persönlich, erweisen auch nationalkonservative Politiker dem Geistlichen ihre Ehre. Jaroslaw Kaczynski beispielsweise gehört schon seit Jahren zu den treuen Wallfahrern und bringt den halben Parteivorstand der von ihm gegründeten Recht und Gerechtigkeit gleich mit. Nicht ohne Grund: Ohne die Wahlempfehlungen von Tadeusz Rydzyk, der nach Schätzungen von polnischen Medienexperten allein mit Radio Maryja täglich eine Hörerschaft von 1-1,5 Millionen Menschen hat, wären 2005 weder Lech Kaczynski Präsident noch die PiS Regierungspartei geworden.

Doch nicht nur die Huldigungen seiner Anhänger und der konservativen Politiker lassen den Redemptoristen vor den Mauern der Klosters Jasna Gora ständig lächeln. Denn "Vater Rydzyk" will nicht nur den Glauben und Patriotismus seiner Anhänger stärken, sondern auch deren Geld bekommen. Während der alljährlichen Wallfahrtswochenenden verwandelt der geschäftstüchtige Geistliche Jasna Gora in einen Jahrmarkt, auf dem die Gläubigen neben Gebetsbüchern, Rosenkränzen und Heiligenbildchen auch Publikationen aus dem Hause Rydzyk kaufen können. Ein Angebot, welches die Mitglieder der "Familie Radio Maryja", wie sich die Anhänger von Tadeusz Rydzyk bezeichnen, reichlich nutzen.

Der beste Verkaufsschlager bei den alljährlichen Pilgerfahrten sind bisher die Satellitenschüsseln, mit denen man TV Trwam empfangen kann. "Die gehen weg wie warme Semmeln", rühmen sich alljährlich die Mitarbeiter von Tadeusz Rydzyk und freuen sich über Einnahmen, die den Redemptoristen nach Angaben des Wochenmagazins Wprost auf die Liste der 100 reichsten Polen bringen würden, würde Rydzyk nicht das Geld auf mehrere Stiftungen verteilen. Das lässt bis heute viele Rydzyk-Kritiker glauben, der Geistliche habe in seiner Garage einen Maybach stehen, obwohl sich 2006 diese Nachricht als eine Presseente erwies.

Das Angebot des religiösen Mobilfunknetztes kommt gut an

Dieses Maybach-Gerücht dürfte in den nächsten Wochen jedoch durch eine neue Geschäftsidee von Tadeusz Rydzyk Nahrung bekommen, die während der diesjährigen Wallfahrt Premiere feierte. Am 11. Juli nahm das Mobilfunknetz wRodzinie (dt.: in der Familie) seinen Betrieb auf. Ein von Lux Veritatis, eine von Rydzyk gegründete Stiftung, die bereits den TV-Sender Trwam betreibt, sowie dem Mobilfunknetzbetreiber CenterNet gestartetes Unternehmen, welches sich vor allem an die Anhänger von Radio Maryja richtet.

Und mit diesem Zielpublikum hat "Vater Rydzyk" zum wiederholten Male Geschäftssinn bewiesen. Nach Schätzungen von CenterNet sind es 3 bis 4 Millionen potentielle Kunden, an die sich das Angebot richtet. "Die Hälfte von ihnen benutzt bis jetzt kein Mobiltelefon, doch wir wollen sie dazu bringen, sich eins anzuschaffen", erklärte Wlodzimierz Plewczynski, Manager des Netzbetreibers, den polnischen Medien. Und als besonderer Anreiz für diese Anschaffung dient ein ganz spezielles Angebot. Jeder Kunde von "wRodzinie" kann von seinem Handy aus kostenlos Radio Maryja und TV Trwam anrufen, um sich an den dort geführten Diskussionen beteiligen zu können.

Auf ein solches Angebot scheinen die Anhänger von Radio Maryja gewartet zu haben. Während der Wallfahrt in Tschenstochau standen die Gläubigen in langen Schlangen, um die Starterpakete und die dazugehörenden Handys zu erhalten. Manche kauften gar gleich zwei bis drei Starterpakete, und dies obwohl sie bereits Kunden eines anderen Mobilfunkanbieters sind. „Das ist für die ganze Familie“, hieß es dann erklärend von den Radio Maryja-Anhängern, die offenbar schon vorausschauend in die Zukunft blicken. In einigen Monaten sollen die "wRodzinie"-Kunden nicht nur mit den Medien von Tadeusz Rydzyk kostenlos telefonieren können, sondern auch mit von ihnen ausgesuchten Teilnehmern des Mobilfunknetzes.

Doch bis dieses Angebot realisiert wird, ist die Nutzung des "wRodzinie"-Netzes, verglichen mit anderen polnischen Netzbetreibern, ein teures Vergnügen. Das Starterpaket für 20 Zloty, umgerechnet ca. 5 Euro, ist zwar relativ günstig, dafür sind aber die Verbindungen teuer. Innerhalb des Netzes kostet eine Minute 0,19 Zloty, in andere Mobilfunknetze gar 0,49. Andere Pre-Paid-Anbieter auf dem polnischen Markt haben da schon viel günstigere Konditionen. Bei Play, dem billigsten polnischen Mobilfunkanbieter, kostet eine Verbindung innerhalb des Netzes nur 0,05 Zloty, in andere Netze 0,29.

Und diese hohen Telefonkosten dürften nach Meinung einiger polnischer Mobilfunkexperten das Projekt "wRodzinie" langfristig zum Scheitern bringen. "Für diese Zielgruppe ist Mobiltelefonieren eine teure Angelegenheit. Es ist keine Kunst, die Leute vom Kauf eines Starterpakets zu überzeugen, denn das werden die Leute sicherlich tun, allein um ihre Loyalität gegenüber Radio Maryja zu beweisen. Man muss die Leute aber auch zum Telefonieren bringen. Und hier könnten die ersten Hindernisse entstehen: Für manche kann sich die Nutzung des Handys als ziemlich kostspielig erweisen", glaubt beispielsweise Jacek Balicki, ehemaliger Marketingchef des Konkurrenten Play.

Die Hörer von Radio Maryja sehen sich als Teilhaber des "göttlichen Tuns"

Ob sich jedoch Balickis pessimistische Prognose erfüllen wird, ist fraglich. Allein schon deshalb, weil Tadeusz Rydzyk bisher jedes geschäftliche Unternehmen zu einem Erfolg gemacht hat, und dies gerade wegen seiner finanzschwachen Klientel. "Die Hörer von Radio Maryja sehen jedes Unternehmen von Vater Rydzyk als Volkseigentum an. Diese Leute, die aufgrund ihres Alters oder ihrer politischer Ansichten ausgegrenzt werden, gewinnen Selbstvertrauen, indem sie sich als Teilhaber dieses 'göttlichen Tuns' fühlen", erklärte der Soziologe Dominik Antonowicz der polnischen Presse.

Die Vergangenheit bestätigt den Wissenschaftler der Thorner Universität. 1997 rief Tadeusz Rydzyk seine Hörer zu Spenden auf, um die damals vor dem Bankrott stehende Danziger Werft zu retten. Ein Aufruf, der von den Anhängern erhört wurde. Zwischen mehreren Millionen Zloty und 100 Millionen Dollar, die genaue Summe kennen nur Rydzyk und seine engsten Vertrauten, sollen damals zusammen gekommen sein. Geld jedoch, welches weder die Werft noch ihre Arbeiter jemals zu sehen bekamen, wie 2006 die Gazeta Wyborcza publik machte. Stattdessen soll der Geistliche einen Teil der Spenden zum Aufbau seines Medienunternehmens missbraucht haben, während er den restlichen Betrag an der Börse verspekulierte. Ein Skandal, der seinem Ansehen bisher nicht geschadet hat.

Doch nicht nur die Treue seiner Anhängerschaft ist dafür verantwortlich, dass Rydzyk bisher glimpflich davongekommen ist. Auch seine Nähe zur Politik, vor allem zu den Nationalkonservativen von Jaroslaw Kaczynski, garantiert Tadeusz Rydzyk eine gewisse Immunität. Deutlich wurde es mal wieder bei der diesjährigen Wallfahrt der Familie Radio Maryja, als Kaczynski ankündigte, sich auch ein Handy von Rydzyk zu holen. "Ich habe die Hoffnung, dass wir viele sein werden, denn dies ist eine wirklich fantastische Sache", sagte der ehemalige Regierungschef und warb damit für das neue Mobilfunknetz.

Mit solchen Werbefiguren und Sympathisanten muss sich der Redemptoristenpfarrer scheinbar vor nichts fürchten, nicht einmal vor der Justiz. Kritiker, wie der Informatiker und polnische Internetpionier Rafal Maszkowski, werden gelegentlich schon mal von engsten Rydzyk-Mitarbeitern verprügelt. Und auch wenn es um Steuern geht, scheinen für Tadeusz Rydzyk eigene Gesetze zu herrschen. So soll Rydzyk, bzw, die von ihm gegründete Stiftung Lux Veritatis, 4.3 Millionen Zloty am polnischen Fiskus vorbeigeschleust zu haben.

Keine Konsequenzen hatten bisher auch die antisemitischen und fremdenfeindlichen Äußerungen, für die der Gründer von Radio Maryja berüchtigt ist. Erst vor zwei Jahren bezeichnete Rydzyk den Staatspräsidenten Lech Kaczynski als "einen Knecht der jüdischen Lobby", die First Lady als eine "Hexe", die sich freiwillig der Euthanasie ergeben sollte. Für Rydzyk ergaben sich daraus keine Folgen, obwohl er mit der Beleidigung des Staatsoberhaupts und Volksverhetzung gegen polnische Gesetze verstoßen hat. Ebenso folgenlos dürfte die jüngste rassistische Bemerkung bleiben, die seine Anhänger als ironisch bezeichnen, trotz Anzeige. "Und noch ein Neger. Schaut mal, der hat sich noch nie gewaschen", so begrüßte Rydzyk bei der diesjährigen Wallfahrt in Jasna Gora einen afrikanischen Mönch.

Stattdessen konzentriert sich Rydzyk auf neue geschäftliche Unternehmungen. Wie vor einigen Tagen bekannt wurde, ist der Redemptorist trotz der weltweiten Bankenkrise in das Finanzgeschäft eingestiegen. SKOK Stefczyka, eine polnische Genossenschaftsbank, hat für Radio Maryja-Anhänger eine spezielle Offerte herausgebracht. Bei der Eröffnung eines Kontos bekommen diese nicht nur eine Visa-Card, sondern auch Kredite zu leichteren Konditionen. Zudem haben die Rydzyk-Anhänger die Möglichkeit, ihre Spenden direkt an Radio Maryja, TV Trwam und die Tageszeitung Nasz Dziennik zu überweisen, ohne Zusatzkosten.

Geschäfte, die nicht nur den Geldbeutel von Tadeusz Rydzyk füllen, sondern auch seine Macht sichern und dabei vor jeglicher Kritik schützen. Vor allem auch vor der Kritik aus dem polnischen Episkopat und dem Vatikan, wo seine Aktivitäten seit Jahren mit Misstrauen beobachtet werden.