Grenzüberschreitendes eGovernment

Die EU will bei der Abwicklung elektronischer Verwaltungsvorgänge weltspitze sein, Aachen nimmt am Projekt "eMayor" teil und strebt die Behördenvernetzung der Euregio an

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Viel vorgenommen hat sich die Europäische Union: Was hierzulande als "eGovernment" noch in den Kinderschuhen steckt, will die EU bis zum Jahr 2010 so forcieren, dass Europa dann "zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum" weltweit gehört (Wo sind die guten Nachrichten?). Einfacher ausgedrückt: die EU möchte ihm Rahmen ihres Vorhabens eEurope bei der Abwicklung elektronischer Verwaltungsvorgänge zur Weltspitze zählen. Deswegen verfolgt sie eine Strategie zum Auf- und Ausbau grenzüberschreitender Datensysteme für Behörden, Kommunen, die Wirtschaft sowie das Bildungs- und Gesundheitswesen.

Jene Strategie ist innerhalb der EU Teil der Lissabon-Strategie (Mit einem e wie elektronisch wird alles gut), deren Teilvorhaben wiederum ist das Projekt IDA (Interchange of Data Between Administrations). Ziel von IDA ist es, den elektronischen Datenaustausch bei Verwaltungsvorgängen, also das "eGovernment" zwischen Amtsstuben und den Wohnzimmern der Bürger, grenzüberschreitend zwischen den Mitgliedsstaaten aufzubauen. Das aber bringt vielerlei Probleme mit sich. Unterschiedliche Systeme und Verschlüsselungstechniken - beides, falls überhaupt vorhanden, selbst in einzelnen Staaten meist noch in der Erprobung - müssten miteinander in Einklang gebracht werden. Zudem problematisch sind die verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Regeln, Vorstellungen und Gesetze. Während in Deutschland etwa das Einwohnermeldeamt bei den Kommunen angesiedelt ist, gibt es in Belgien ein landesweites Zentralregister. Fraglich ist auch, bei welcher Behörde die jeweiligen Daten lagern und welche Stellen berechtigt sein sollen, um auf diese dann zugreifen zu dürfen.

Thomas Fiedler, Projektmanager EU-Programme der Stadt Aachen, spricht hier von einem "Dschungel", den es mit einheitlichen Standards und Regeln zu lichten gelte. Fiedler hat derzeit im Rahmen von IDA mit verschiedenen Forschungsprojekten der EU zu tun. Seit dem 1. Januar 2004 beteiligt sich die Kaiserstadt etwa mit dem spanischen Sevilla und den norditalienischen Städten Bozen und Siena an "eMayor". Das EU-Projekt zum "elektronischen Bürgermeister" will für den grenzenlosen Verwaltungsapparat einheitliche Standards, sichere System- und Datenverschlüsselungstechniken entwickeln. Eingebunden in "eMayor" sind zudem Wissenschaftler verschiedener Universitäten, Institutionen und Unternehmen.

Ziel von "eMajor" ist es, Behördenabläufe zu vereinfachen und sie an die moderne Informationsgesellschaft anzupassen. "Wäre es denn nicht einfacher, zukünftig durch einen Beamten etwa eine Geburtsurkunde per Knopfdruck auf einem Computer aufzurufen und zertifiziert auszudrucken, statt an Siegel, Stempel und Unterschriften festzuhalten?" fragt sich Fiedler.

Was aber selbst für Deutschland noch wie Zukunftsmusik klingt, soll in der EU dereinst gängige Praxis werden. So könnte dann ein in Spanien lebender Deutscher einmal via Internet und ohne Besuch einer Behörde oder Botschaft seinen Personalausweis beantragen. Oder, um im Bild der Geburtsurkunde zu bleiben: Jener Deutsche könnte in Spanien auf seinem örtlichen Amt seine Geburtsurkunde beantragen und in wenigen Minuten fordert der Beamte via Datenleitung die elektronische Kopie per Knopfdruck aus Deutschland an. Fiedler nennt das "Zeitreduktion", einen "schnelleren, effizienteren Informationsfluss", und der helfe, dass Behörden, Unternehmen und Bürger Geld sparen können.

Ein Europa im Kleinen

Während "eMayor" vorwiegend technische Belange ins Auge gefasst hat - dazu gehören auch einheitliche und dauerhafte Archivierungstechniken -, beteiligt sich Aachen auch an einem anderen Forschungsprojekt. Um sich einen Überblick über die Fallhäufigkeit vom Behördenvorgängen zwischen Grenzstaaten zu verschaffen, hat die EU nämlich die französisch-belgische Firma Valoris mit einer "Mobility Case Study" beauftragt. Modellregion für die "Mobilitätsstudie" ist die Euregio-Maas-Rhein, das Dreiländereck von Deutschland, den Niederlanden und Belgien. Denn hier leben viele "Grenzgänger". Verwaltungsvorgänge über Landesgrenzen hinweg fallen täglich an, etwa wenn Deutsche in Belgien Häuser kaufen und dorthin umziehen, ein Niederländer in Deutschland arbeitet oder eine deutsche Familie im niederländischen Grenzort Vaals lebt, die Kinder aber deutsche Schulen besuchen und - ja, das gibt es - der Vater in der selbst verwalteten Deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien arbeitet.

Für Fiedler ist die Euregio "ein Europa im Kleinen" und daher ein gutes Testfeld für die Studie. Großstädte aus der Euregio, aber auch Grenzgemeinden wie Kelmis und Raeren in Belgien sowie Vaals in den Niederlanden liefern dazu Informationen über anfallende, grenzübergreifende Behördenkontakte. "Wir liefern die Basis für alle grenzüberschreitenden Regionen der EU", sagt der 53-Jährige. Interessant sei dabei eben auch, auf was für nationale Standards man bei diesen Verwaltungsabläufen treffe. "Das ist die Schnittstelle, an der es für uns interessant wird," sagt Fiedler. Denn bevor man EU-Standards skizzieren, einheitliche und sichere Software sowie ein System schaffen könne, benötige man Informationen über den bestehenden Austausch von Daten.

Die Ergebnisse der laufenden Studie sollen daher beim Aufbau eines grenzübergreifenden "eGovernment" helfen. Und sollte die EU dereinst ihr Vorhaben in einer Modellregion erproben wollen, hofft Fiedler, dass auch das Pilotprojekt in der Euregio angesiedelt wird. Denn diese war schon einmal Schauplatz eines länderübergreifenden Pilotprojektes, und zwar zwecks Einführung des abhörsicheren Digitalfunk für die Sicherheitskräfte (Auslaufmodell Analogfunk?). Obschon der Großversuch laut Behörden positiv verlief, gerät der Aufbau des modernen Datenfunks jedoch wiederholt ins Stocken. Europaweit etwa gibt es unterschiedliche Systeme) und die geplante Einführung des Digitalfunks in Deutschland musste verschoben werden. Bund, Länder und Kommunen waren und sind sich nämlich uneins über die Finanzierung des Digitalfunks. Bliebe also abzuwarten, ob das "eEurope" - das 25 EU-Staaten betreffen würde - tatsächlich im Jahr 2010 seinen Platz unter den Global Playern einzunehmen bereit ist.