Griechenland: Die Memoranden der Austerität sind tot

Foto: Wassilis Aswestopoulos

Die Kreditfinanzierung des Landes ist offiziell zu Ende. Die Austeritätspolitik ist es aber nicht

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Mit dem 20. August endete für Griechenland das dritte Kreditprogramm der Institutionen (vgl. Griechenland: Zu Tode gespart). Theoretisch sollte sich das Land nun aus eigenen Mitteln finanzieren.

Alexis Tsipras, der griechische Premierminister, wird eigens für diesen Anlass am heutigen Dienstag, den 21. August, von der Insel Ithaka aus eine Ansprache halten. Er möchte, einem neuen Odysseus gleich, das Ende der Irrfahrt der Griechen durch die "Zeit der Memoranden" verkünden.

Ein Grund zum Feiern? Nicht wirklich, denn praktisch hat Griechenland bereits einen Zahlungsaufschub für die bereits fällige Rückzahlung eines Teils der Schulden bis 2032 ausgehandelt. Eigentlich stellt auch dies eine verkappte Finanzierung durch die Kreditgeber dar.

Vom Darlehensvolumen des dritten Kreditprogramms wurden laut Angaben des ESM rund 61 Milliarden Euro ausgezahlt. Weitere laut Vertrag bereitstehende 24 Milliarden Euro wurden nicht abgerufen. Die Regierung verzichtete auf einen Finanzpuffer, welcher bei der Vorgängerregierung Samaras 2014 für das damals geplante Ende der Kreditprogramme eingeplant wurde.

Die Schulden wachsen weiter

Die Kreditfinanzierung des Landes ist damit offiziell zu Ende. Die Austeritätspolitik ist es aber nicht. Diese gilt vertragsgemäß noch bis mindestens 2060. Bis 2022 sind Primärüberschüsse des Staatshaushalts von mindestens 3,5 Prozent vorgeschrieben. Danach sind bis 2060 jährlich mindestens 2,2 Prozent fällig. Die Staatsschulden müssen abgebaut werden. Während der Kreditprogramme stiegen sie weiter.

Als die Griechen 2010 den Gang zu den institutionellen Kreditgebern suchten, hatten sie Ende 2009 Staatsschulden in Höhe von 127,9 Prozent des Bruttoinlandprodukt, 299,7 Milliarden Euro, angehäuft. Dies galt damals als nicht mehr kreditwürdig und in keinem Fall tragbar. Heute beträgt die Schuldenquote 180,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (323 Milliarden Euro).

Denn die Austerität ging einher mit einer beispiellosen Rezession eines Landes in Friedenszeiten. Griechenland erwirtschaftet Primärüberschüsse, die Schulden steigen aber weiter. Zwölf EU-Staaten verzeichneten laut EuroStat im letzten Quartal 2017 eine Erhöhung der Staatsschulden. Die Spitzenreiter waren Belgien mit 2,9 Prozent, Griechenland mit 1,8 Prozent, Italien mit 1,6 Prozent, Slowenien mit 1,4 Prozent und Tschechien mit 1,1 Prozent.

Sechzehn EU-Staaten konnten ihre Schuldenquote vermindern. Die besten Ergebnisse lieferten Lettland mit -4,4 Prozent, Litauen mit -3,5 Prozent, Zypern mit -2,8 Prozent und Schweden mit -2,6 Prozent.

Die Austerität geht weiter

Bereits jetzt wurden für Griechenland neue Rentenkürzungen und Steuererhöhungen für die kommenden Jahre beschlossen und eingeplant. Insgesamt muss Griechenland von bis 2022 weitere 250 Maßnahmen umsetzen. Ergo beginnt am 21. August die Periode des Metamemorandums. Denn bis 2060 steht das Land mit quartalsmäßig durchgeführten Inspektionen eng unter Beobachtung der Kreditgeber.

Enhanced Surveillance Programme nennt sich im europäischen Terminus die Überwachungsperiode, die bis zum Abbau von 75 Prozent der Schulden andauern wird. Von den Eurokrisenländern hat dies bislang nur Spanien geschafft.

Portugal steht noch bis 2026 unter Beobachtung, Zypern muss bis 2029 Inspektionen über sich ergehen lassen und Irland hat die Troikaner bis 2031 im Land. Einzig Griechenland muss die Inspektionen alle drei Monate über sich ergehen lassen.

Mehr als 5000 sozial einschneidende Gesetze und Regelungen bleiben in Kraft. Sobald Griechenland von den Vorgaben des Primärüberschusses abweicht oder davon abzuweichen droht, können die Kreditgeber weitere Maßnahmen verordnen. Ebenfalls in Kraft bleiben trotz des Endes des Kreditprogramms die Kapitalverkehrskontrollen.

Banken müssen sich teurer als vorher finanzieren

Die Banken, denen mit dem Ende des Sparprogramms die preiswerte Finanzierung durch Hinterlegung von griechischen Staatsanleihen bei der Europäischen Zentralbank abhandengekommen ist, bekommen keinen Zugang zum QE-Programm der EZB.

Dies ist nicht zuletzt der deutschen Intervention beim Treffen der Eurogruppe vom 12. Juli 2018 geschuldet. Die Kosten der Finanzierung der Banken werden durch das Ende des Kreditprogramms höher.

Stattdessen müssen sie die so genannten "roten Kredite" abbauen. Das sind Kredite, die von den Schuldnern wegen der Krise nicht mehr bedient werden können. Somit stehen dem Land noch mehr Zwangsversteigerungen als bisher bevor.

Der Staat muss derweil die Privatisierungen der Staatsbetriebe und kommunalen Betriebe für Erdgas und Wasser vorantreiben und seine Schulden gegenüber Privatpersonen und Unternehmen abbauen.

Selbst für die Gewinne, die die EZB mit der Verwaltung griechischer Staatsanleihen erzielt, und die für andere Staaten selbstverständlich an die dortigen Zentralbanken weiter gegeben werden, muss Griechenland extra Bedingungen der Kreditgeber erfüllen.

Der erste Härtetest steht der Regierung in Athen bevor, wenn im Herbst der Staatshaushalt für 2019 durchs Parlament gebracht werden muss. EU-Vertreter, wie Währungskommissar Pierre Moscovici betonen daher neben dem Jubel über das Ende des dritten Sparprogramms die Notwendigkeit, dass Griechenland weiterhin auf dem Pfad der Reformen bleibt.

Was dies in der Praxis bedeutet, lässt sich allein daran ablesen, dass auch vor der Zeit Tsipras, im ersten und zweiten Kreditprogramm von 2010 bis 2014, das Steuerrecht mit 34 Gesetzen 425 Mal geändert wurde. Im dritten Sparprogramm wurden von 2015 bis 2017 insgesamt 36 neue Steuererhöhungen beschlossen.

Eine Planungssicherheit für Investoren lässt sich bei einer derartig instabilen fiskalischen Politik schwerlich erkennen. Was Wunder, dass sich abseits der Regierung kaum ein Grieche über "das saubere Ende des Sparprogramms" freuen möchte.