Griechenland: Rechte Gewalt auf dem Vormarsch

Seite 3: "Faschisten", "Stalinisten", "Bolschewiken"

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Das gleiche gilt für Begriffe wie Reformen, Aufschwung und ähnliches. Syriza-Mitglieder, die sich selbst trotz der neoliberalen Politik und der Annäherung an die europäische Sozialdemokratie als "radikal links" bezeichnen, nennen die Vertreter der Nea Dimokratia "Faschisten", können aber nicht sehen, dass ihr eigener Koalitionspartner das gleiche Narrativ wie die Nea Dimokratia verwendet.

Die Nea Dimokratia wiederum sieht in Syriza "Stalinisten", "Bolschewiken" und Ähnliches. Die letzte in Europa stalinistisch geprägte Partei, die Kommunistische Partei Griechenlands wird dagegen von Syriza-Anhängern als Steigbügel der Neoliberalen bezeichnet. Das alles würde einer gewissen Komik nicht entbehren, wenn die Folgen nicht so dramatisch wären wie der tatsächlich faschistoide Angriff auf den Bürgermeister.

Die aktuelle Diskussion über den Namensstreit mit der nördlichen Nachbarrepublik der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien verläuft in vergleichbaren Bahnen. Der frühere Minister der Nea Dimokratia, Vassilis Kikilias, regt sich öffentlich darüber auf, dass "Mazedonien" auch als vorläufiger Namensteil der Nachbarrepublik verwendet wird. Daran hat dann natürlich nur Syriza, die "Verräterpartei", schuld.

Er tut so, als wäre die provisorische Kompromissbezeichnung "Former Yugoslav Republic of Macedonia" nicht auch von seiner Regierung anerkannt worden. Unter dem Akronym FYROM wurde diese Lösung Anfang der Neunziger Jahre vom damaligen Pasok-Premierminister Andreas Papandreou gefeiert.

Boutaris selbst hatte übrigens im strittigen Interview Griechenland als "letzte sowjetische Gesellschaft" bezeichnet. Die verwirrte Sprache und die Beschimpfung politischer Gegner als Faschisten bei gleichzeitiger Verniedlichung eigener faschistoider Aktionen als "nachvollziehbare Empörung": Dies sind Faktoren, mit denen die nun entsetzten Politiker selbst den Grundstein für die Verrohung der Gesellschaft gelegt haben.