Grüezi, Genderstern!
Die Zürcher haben entschieden: Der Genderstern bleibt in amtlichen Dokumenten. Initiative "Tschüss Genderstern" abgelehnt. Doch der Sprachenstreit geht weiter.
Die Einwohner von Zürich in der Schweiz haben sich in einer Abstimmung für die weitere Verwendung des Gendersterns in amtlichen Dokumenten ausgesprochen. Die Initiative "Tschüss Genderstern", welche ein Verbot des Inklusionszeichens forderte, wurde mit einem Nein-Stimmen-Anteil von gut 57 Prozent abgelehnt. Das ist eine schwere Niederlage für die rechtsgerichtete Schweizer Volkspartei (SVP), sorgt aber auch Klarheit bei diesem ideologischen Reizthema.
Änderung des Sprachreglements führte zu Diskussionen
Hintergrund der Abstimmung war eine umstrittene Änderung des städtischen Sprachreglements vor zwei Jahren. Damals ersetzte die Stadt Zürich das bis dato verwendete Binnen-I durch geschlechtsneutrale Formulierungen wie "Mitarbeitende" oder den Genderstern. Ziel war es, alle Geschlechter anzusprechen.
Ein überparteiliches Komitee, hauptsächlich bestehend aus bürgerlichen Politikerinnen und Politikern, wehrte sich gegen diese neue Regelung. Ihr Hauptargument: Die Verwendung des Gendersterns stelle ein Sprachdiktat dar und mache Texte schwerfällig und unleserlich. Zudem werde damit eine politische Haltung verbreitet.
Knappes Resultat in bürgerlichen Stadtteilen
Die Abstimmung zeigte ein gespaltenes Bild. Während linke Stadtkreise die Initiative deutlich ablehnten, sprachen sich traditionell bürgerliche Viertel knapp für ein Verbot aus. Für die liberale Zürcher FDP, welche die Initiative unterstützte, ist das Resultat dennoch als Achtungserfolg zu werten. Parteipräsident Përparim Avdili betonte, dass sich auch auf linker Seite Menschen am Genderstern gestört hätten.
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SVP-Kantonsrätin Susanne Brunner, Gesicht der Anti-Genderstern-Initiative, bedauert das Abstimmungsresultat. Sie sieht aber auch, dass 43 Prozent der Stimmbevölkerung nicht die Meinung des Stadtrats teilen. "Der Stadtrat sollte das Resultat reflektieren. Vielleicht kommt er noch auf eine andere Lösung", so Brunner.
Stadtpräsidentin Mauch erleichtert über Ausgang
Auf der anderen Seite zeigten sich die Befürworter des Gendersterns erleichtert. Für sie stand die sprachliche Inklusion und Gleichbehandlung aller Geschlechter im Vordergrund. Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch betonte:
Es geht darum, dass Sprache immer gesellschaftliche Entwicklungen abbildet. Und das Bewusstsein, dass trans- und non-binäre Menschen ein Teil unserer vielfältigen Stadtgesellschaft sind, wird immer stärker und bildet sich auch in der Sprache ab.
Trotz der Abstimmung dürfte das Thema nicht ganz vom politischen Parkett verschwinden. Im Zürcher Kantonsparlament sind noch zwei Vorstöße zu Sprachregeln an Hochschulen hängig. SVP-Politikerin Brunner hofft, dass sich dort noch etwas bewegen lässt.
Die NZZ begrüßt eine ausstehende Klärung
"In diesem Umfeld haben die Linken Brunners Initiative als Angriff auf die Rechte von nonbinären Personen gelabelt. Nicht zu gendern, sei diskriminierend und ausgrenzend auch für Frauen", argumentiert Isabel Heusser von der Neuen Zürcher Zeitung. Eine grüne Stadtparlamentarierin habe die Initiative gar als "billigen Stimmenfang auf dem Rücken marginalisierter Menschen" bezeichnet. So sei die These aufgestellt worden, wer etwas gegen den Genderstern habe, wende sich zugleich auch gegen sexuelle Minderheiten.
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Dachlos
Doch dieser pauschale Vorwurf sei Unsinn, befindet Heusser. Sie findet Sprache allein könne keine wahre Gleichstellung schaffen. Diese müsse in der Gesellschaft passieren. Klar sei hingegen: "Der Genderstern ist politisch, weil er vor allem in linken Kreisen verwendet und in rechten als Fremdkörper wahrgenommen wird." Die Journalistin wendet sich dagegen, dass das Ergebnis von Gegnern des Genderns in Behörden nun weiter in Abrede gestellt wird. Es sei ein demokratisches Gebot, das Ergebnis nun zu akzeptieren.
Zwei Extreme – auch in Deutschland
Es ist ein symbolischer Kampf, der da stattfindet – und das nicht nur in der Schweiz. Auch in Deutschland tobt seit Jahren ein erbittert geführter Disput um das Gendern, der vor allem von der AfD politisch genutzt wird. Denn das Gendern ist klar der politischen Linken zuzuschreiben, und die Umsetzung hat oft eine autoritäre Ausprägung. Etwa dann, wenn Studentinnen und Studenten, die sich der Kunstsprache verweigern, ein Nachteil angedroht wird – oder konkret entsteht.
Die Abstimmung in Zürich, zeigt aber auch: Hier stehen sich zwei politische Extreme gegenüber, die ihre Sicht dem anderen Lager aufzwingen wollen.
Nur an eines denken beide nicht: Freiwilligkeit und Klarheit in der Sprache.