Gute Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffe gegen schwere Krankheitsverläufe
Seite 4: Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
1. Die Häufigkeit von Verdachtsfallmeldungen über schwere Nebenwirkungen und Impfkomplikationen wie anaphylaktische Reaktionen, Thrombosen und Myokarditiden bei der Grundimmunisierung mit den zugelassenen Covid-19-Impfstoffen beträgt insgesamt etwa 0,3 Meldungen pro 1.000 Impfdosen entsprechend etwa 300 Meldungen pro 1 Mio. Impfdosen. Das bedeutet, dass diese Nebenwirkungen selten bzw. sehr selten auftreten.
2. Da in Deutschland seit Längerem ganz überwiegend mRNA-Impfstoffe verimpft werden, geht es bei den schweren Nebenwirkungen (neben anaphylaktischen Reaktionen) vor allem um die Verdachtsfallmeldungen einer Myokarditis/Perikarditis.
3. Das höchste Myokarditis- und Perikarditisrisiko wird bei 18- bis 24-jährigen jungen Männern nach der zweiten Spikevax-Impfstoffdosis verzeichnet und entspricht der Häufigkeitskategorie selten.
4. Die Verdachtsfallmeldungen von Myokarditis-/Perikarditis nach Auffrischimpfungen mit den neuen bivalenten mRNA-Impfstoffen liegen ebenfalls in der Häufigkeitskategorie sehr selten und können niedriger sein als nach monovalenten Impfstoffen.
5. Die höchsten Myokarditis-/Perikarditis-Inzidenzen nach der Auffrischimpfung wurden bei den 16- bis 17-Jährigen und den 12- bis 15-jährigen männlichen Jugendlichen gemessen. Die Häufigkeitskategorien waren selten bzw. sehr selten.
6. Bis zum 6. Juli 2022 hat das PEI insgesamt 472 Verdachtsfallmeldungen eines sogenannten Post-Vac-Syndroms erhalten, bei dem es sich um ein unklares Krankheitsbild handelt, das ebenfalls sehr selten auftritt, wenn man die Gesamtzahl der Impfungen berücksichtigt (siehe Teil 1 des Artikels).
7. Die analysierten Daten zur Wirksamkeit (Effektivität) und Schutzdauer der Covid-19-Impfstoffe zeigen, dass auch unter Zirkulation der Omikron-Variante die verfügbaren Impfstoffe in allen Altersgruppen gut gegen schwere Covid-19-Verläufe und Todesfälle schützen. Bei Vorliegen einer hybriden Immunität (zwei und mehr Impfungen und mindestens eine vorangegangene Sars-CoV-2-Infektion) sind die Probanden zu 97,5 Prozent geschützt.
8. Die Schutzwirkung der Covid-19-Impfstoffe vor Sars-CoV-2-Infektionen ist deutlich geringer ausgeprägt. Studienergebnisse zeigen aber auch hier, dass bei Vorliegen einer hybriden Immunität die Probanden auch über einen längeren Zeitraum von bis zu 9 Monaten gut gegen eine erneute Infektion geschützt sind.
9. Beim Vergleich von Wirksamkeit und Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe ist weiter wichtig, dass das PEI für den Zeitraum vom 27. Dezember 2020 bis zum 30. Juni 2022 bei insgesamt 3.023 Verdachtsfallmeldungen für einen Todesfall im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung über das Auftreten von 120 Todesfällen in Deutschland berichtet hat, bei denen in einer Einzelfallbeurteilung ein ursächlicher Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung möglich oder wahrscheinlich erscheint.
10. Ferner zeigen die aufgeführten Analysen, dass die Covid-19- Impfung vor schweren Covid-19-Verläufen schützt und eine große Zahl möglicher weiterer Todesfälle verhindert hat. In dem hier zugrunde liegenden Stiko-Artikel wird auf eindrucksvolle Schätzzahlen hingewiesen.
11. Grundsätzlich ist jedoch anzumerken, dass es sich bei den angegebenen Verdachtsfallmelderaten von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen um relativ "weiche" wissenschaftlichen Daten handelt, die von den etablierten Meldesystemen in Deutschland und anderen Ländern stammen.
12. Es handelt sich einerseits um retrospektive Meldedaten, die hinsichtlich der wissenschaftlichen Beweiskraft geringer zu bewerten sind als Daten aus prospektiven Studien.
13. Andererseits ergibt sich eine weitere Einschränkung bei der Interpretation dieser Daten daraus, dass von einer systemischen Untererfassung ("underreporting") der Meldungen ausgegangen werden muss. Wie groß die Dunkelziffer allerdings tatsächlich ist, kann derzeit jedoch nicht seriös beantwortet werden.
14. Es ist jedoch zu vermuten, dass schwerwiegende Nebenwirkungen wie eine Myokarditis oder solche, die kurz nach einer Impfung auftreten, eher gemeldet werden als leichte und erst spät auftretende Nebenwirkungen oder solche, bei denen die Ärztinnen und Ärzte keinen Zusammenhang mit der Impfung herstellen.
15. Deshalb sind die Häufigkeitsangaben von Nebenwirkungen des PEI nicht in Stein gemeißelt, und es ist grundsätzlich zu begrüßen, wenn weitere seriöse wissenschaftliche Untersuchungen, auch mit anderen Forschungsmethoden, zur Frage der Häufigkeit von schwerwiegenden Nebenwirkungen nach Covid-19-Impfungen durchgeführt, vorgelegt und einer kritischen Diskussion unterzogen werden.
Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin - Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.