Heißer Herbst oder nationale Einheitsfront?

Seite 2: "Solidarisch durch die Krise"

Hinter der Parole "Solidarisch durch die Krise" des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes schart sich eine ganze Gruppe von Organisationen wie attac, Bund, campact, Finanzwende, GEW, Greenpeace, Verdi und Volkssolidarität. Wem die Solidarität gilt, stellt der Aufruf auch gleich klar:

In diesem Herbst treffen uns die Folgen von Putins Angriffskrieg mit voller Wucht: Viele von uns wissen nicht, wie sie Gas- und Stromrechnungen bezahlen sollen. Etliche haben sogar Angst, ihre Wohnung zu verlieren und vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen zu werden – weil alles teurer wird, Löhne und Transferleistungen reichen nicht mehr aus. In dieser Krise stehen wir solidarisch an der Seite der Ukraine. Doch wir brauchen jetzt eine solidarische Politik auch bei uns, die gleichzeitig die Weichen stellt, um die Abhängigkeit von fossilen Energien beenden.

Aufruf Soldarischer Herbst

Wer schuld ist, an den ruinösen Preissteigerungen ist damit erst einmal klargestellt – Putin – und damit ist die Regierung als Mitverursacher aus der Schusslinie. An sie richtet sich die Bitte, die Armen im Lande nicht zu vergessen.

Wenn dies als Forderung nach solidarischer Politik auftritt, dann ist damit impliziert, dass alle ihr Scherflein zur Krisenbewältigung beizutragen haben: die Schwachen, indem sie sich einschränken – siehe Schäubles letzte Tipps für den Winter – zwei Pullover und Kerzen –, die Starken, die auf Teile ihrer Rendite verzichten – indem etwa, wenn es hochkommt, der "Übergewinn" besteuert wird und nur der "Normalprofit" übrig bleibt.

Die Maßnahmen, das fällt den Protestierern noch eigens ein, sollen zudem die Abhängigkeit von fossilen Energien beenden – was nichts anderes bedeutet, als dass Deutschland sich endlich unabhängig von ausländischen Energiequellen macht. Eine Zielsetzung übrigens, die die Ampel-Regierung ohnehin im Programm gehabt hat.

In das gleiche Horn stößt auch der DGB: "Echt gerecht – solidarisch durch die Krise." (DGB-Bundesvorstand) Nicht ohne ebenfalls die Schuldfrage zu klären:

Die Sanktionen gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine sind gerechtfertigt und notwendig. Wir brauchen eine aktive Politik, um die Folgen des Krieges und der Corona-Pandemie zu bewältigen und gleichzeitig die notwendigen Weichenstellungen für eine gute Zukunft vorzunehmen.

DGB

Es ist schon seltsam, wenn der DGB eine aktive Politik fordert, ganz so, als ob die Regierung passiv geblieben wäre. Sie hat doch an den acht Sanktionspaketen gegen Russland eifrig mitgestrickt, die den Bürgern nun die Preissteigerungen bescheren. Was damit anklingt, ist der national gefärbte Verdacht, dass diese Politik nicht erfolgreich genug dabei sein könnte, Schäden vom Land und damit von seinen Bewohnern abzuwehren. Es ist eben immer der Traum jeder Kriegspartei, dass Schäden nur den Gegner treffen sollen.

In den Chor derer, die Solidarität fordern und damit meinen, dass in der Krise genauso die Reichen zur Kasse gebeten werden sollten, stimmt auch die Partei Die Linke ein:

Die Preise für Lebensmittel, Strom und Gas gehen durch die Decke. Aber viele Konzerne machen mit Krieg und Krise extra Gewinn. Der Club der Superreichen wird größer: Manche gewinnen immer, wenn die Regeln nicht geändert werden. Wir sagen: Es reicht! Strom, Heizen, Lebensmittel, Bus und Bahn müssen bezahlbar sein. Die Regierung muss dafür sorgen, dass die Entlastung von den Preissteigerungen sozial gerecht ist und Ungleichheit zurückdrängt.

So radikal sich die Linke auch gibt und eine Änderung der Regeln fordert, an den Grundfesten dieser Gesellschaft, in der alles Mittel des Geschäfts ist, will sie genauso wenig rütteln wie die anderen Bedenkenträger. Und so reiht sie sich denn auch ein in die Bittsteller, die von der Regierung, die den Wirtschaftskrieg betreibt, dafür sorgen soll, dass die Bürger es nicht zu spüren bekommen.

Dass Unternehmen Gewinne machen, also aus ihrem Geld mehr Geld erwirtschaften, ist für die Partei kein Thema, ebenso wenig richtet sich die Kritik gegen Deutschlands Kriegsbeteiligung. Kritikwürdig ist hingegen, dass es Kriegsgewinnler gibt, die aus dem Krieg Extra-Gewinne erzielen.

Darin sieht sie einen Verstoß gegen das nationale "Wir", dem auch die Linke frönt. Dafür soll der Staat sich an den Gewinnen der Superreichen bedienen. Ob die so abgeschöpften Gelder den Bedürftigen zugutekommen, steht dann auf einem ganz anderen Blatt.

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