Heuchelei zu Krim-Unabhängigkeitsbestrebungen

Seite 2: Kosovo hat die Büchse der Pandora geöffnet

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Wie sich die Lage im Kosovo weiter entwickelt hat, ist bekannt. Letztlich hat der Kosovo sich im Februar 2008 einseitig, gegen den Widerstand von Serbien und Russland, für unabhängig erklärt. Die albanische Bevölkerungsmehrheit im Kosovo hat dafür aus der EU und aus den USA entsprechende Rückendeckung erhalten, nachdem die Abspaltung vom Westen bewusst forciert worden war (Kosovo: Sprung ins dunkle Ungewisse).

In der Ablehnungsfront gab es aber auch höchst erstaunliche Allianzen. Denn nicht alle der 28 EU-Mitgliedsländer haben den Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt. Griechenland, Zypern, Rumänien, die Slowakei und auch Spanien erkannten den Kosovo nicht an (Russland und Spanien sind gegen Unabhängigkeit des Kosovo). Spanien hatte gute Gründe, denn es war klar, dass mit Kosovo die Büchse der Pandora vollends geöffnet und es immer schwieriger werden würde, den aufstrebenden Unabhängigkeitsbewegungen im Baskenland und Katalonien zu begegnen. Deshalb machte Spanien seinem Unmut darüber Luft, dass es seine Truppen aus dem Kosovo abzog (Spanien will Truppen aus dem Kosovo abziehen).

Angesichts des Vorgehens von Deutschland, den USA und der EU gegenüber Serbien und dem Kosovo ist eigentlich nicht mehr verwunderlich, wenn heute in der Frage der Ukraine und der Krim immer wieder Vergleiche dazu kommen. Denn mit welchem Recht will der Westen das Vorgehen Russlands angesichts des eigenen Vorgehens auf dem Balkan kritisieren. So sagte der tschechische Präsident Milos Zeman, dass die Abtrennung des Kosovo von Serbien einen völkerrechtlichen Präzedenzfall geschaffen habe. "Wir ernten die Früchte, die wir selbst gesät haben."

Und hervorzuheben ist, dass Russland bisher die Ukraine nicht bombardiert hat und auf der Krim letztlich die Bevölkerung am Sonntag per Referendum entscheiden soll. Im Kosovo war das nicht der Fall. Zweitrangig ist dabei eigentlich, dass die Krim ohnehin erst 1954 willkürlich per Fingerzeig von Nikita Chruschtschow von Russland an die Ukraine übertragen wurde. Entscheidend ist letztlich das Selbstbestimmungsrecht. Und aus demokratischer Sicht ist es erstaunlich, dass ausgerechnet die gegen eine Abstimmung sind, die sich sonst als die Oberdemokraten weltweit aufspielen. Angemerkt werden sollte aber auch, dass eine solch schnell vorangetriebene Abstimmung sicher genauso wenig demokratischen Standards entspricht wie eine russische Einflussnahme auf den Vorgang. Dass die Mehrheit auf der Krim für einen Anschluss an Russland stimmen wird, gilt ohnehin als weitgehend gesichert.

Mit großem Erstaunen wird im spanischen Staat der Konflikt um die Krim verfolgt. Während die Regierung befürchtet, dass die Unabhängigkeit der Krim die Bestrebungen von Basken und Katalanen weiter antreiben könnte, befürchten vor allem Katalanen, dass das Säbelrasseln und Positionierung der EU sich negativ auf die demokratischen Bestrebungen auswirkt, die Bevölkerung in Katalonien noch 2014 über die Unabhängigkeit von Spanien abstimmen zu lassen. Denn wie die spanische Regierung haben auch EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionschef José Manuel erklärt, eine Änderung des Status der Halbinsel Krim würde "gegen ukrainisches Recht und das Völkerrecht verstoßen". Russland wurde deshalb aufgefordert, die Unterstützung für das Referendum über die Zukunft der Krim am Sonntag einzustellen, weil es "keine Rechtskraft" habe.

Erstaunlich ist an diesem Punkt ebenfalls, zu welchen Koalitionen es hier kommt. Denn mit ins Boot der Konservativen setzt sich auch Fraktionschef der Linken Gregor Gysi. Im Interview erklärte er. "Ich halte ja die Abtrennung von Territorien durch einen Volksentscheid auf diesem kleinen Territorium oder kleineren Territorium für völkerrechtswidrig. Nur mit Zustimmung des Gesamtstaates geht das." Wenn die Ukraine ja sagen würde, dann ginge das. Ansonsten nicht. "Deshalb habe ich ja damals beim Kosovo mich so aufgelehnt, weil ich gesagt habe, dass eine Büchse der Pandora geöffnet wird." Damit könne man "sogar über Gewohnheitsrecht neues Völkerrecht schaffen. Aber ich bleibe dabei: Es war damals völkerrechtswidrig und es ist heute völkerrechtswidrig." Allerdings ist die Linke an dem Punkt gespalten, denn die prominente Sahra Wagenknecht meint eher, man sollte sich mit einer möglichen Angliederung an Russland abfinden. Sie verweist darauf, dass in der Ukraine eine "Putschregierung" an der Macht sei, was ebenfalls nicht mit der ukrainischen Verfassung vereinbar sei.