Hochsicherheitsklotz statt Freiheitsturm

Der neueste Entwurf für den New Yorker "Freedom Tower" ist kein Symbol mehr, sondern Modell für eine Architektur der Angst und für profitable Nutzung

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Von der Vision des Architekten und "Master Planners" Daniel Libeskind, an Stelle der am 11. September 2001 zerstörten World-Trade-Center-Türme einen Wolkenkratzer zu errichten, der den amerikanischen Freiheitsgedanken symbolisiert, ist nach dem dritten und vermutlich endgültigen Entwurf seit letzter Woche endgültig nichts mehr übrig geblieben - bis auf eine simple Zahlenangabe: die Höhe von 1776 Fuß (541,32 Meter), die an das Jahr der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung am 4. Juli 1776 erinnern soll. Durch die Verwässerung des Ursprungsmodells verliert sie allerdings ebenfalls ihren Symbolcharakter.

Der neue Entwurf. Bild: Skidmore, Owings & Merrill, LLP/dbox

Der "Freedom Tower" wird weder eine asymmetrische Spiralform noch ein Bodenpodest in Form eines Parallelogramms haben. Windmühlen als Energieproduzenten und ein Freiluftpark in luftiger Höhe sind passé, ebenso wie die schlanke Gestalt, die dem ausgestreckten Arm der Freiheitsstatue nachempfunden sei sollte, die in Sichtweite draußen auf einer Insel vor der Südspitze Manhattans steht. Stattdessen wird dort, entsprechend dem dritten innerhalb von zwei Jahren ausgearbeiteten Entwurf ein Hochhaus aufragen, das auf einem Fundament von 60 Metern Höhe ruht. Auf den Büroraumklotz soll dann eine Antennenspitze gesetzt werden, die New Yorker Behördenvertreter als Reminiszenz an die Fackel der Freiheitsstatue interpretiert wissen wollen. Die Antenne soll ihre Farben wechseln und Laserstrahlen in den Himmel schicken.

Das Betonpodest, eine Stahl-Titan-Mischung, wird einen Meter dick und in schimmerndes Metall gekleidet sein, auf den von der Strasse aus gerechnet ersten 10 Metern Höhe ganz und gar fensterlos, darüber mit einigen Durchlässen für Licht, und darüber wiederum die mechanische Ausrüstung für den Turm. Das Podest, das ebenfalls zur Kunst uminterpretiert wird (es erwecke, so wird angepriesen, den Eindruck von "Bewegung und Licht"), geht aber auf die Furcht vor Auto- und LKW-Bombenanschlägen zurück. Sicherheitsexperten der Polizei hatten darauf bestanden, dass der Turm nach Kriterien errichtet werden sollte, die auch für Bundesgebäude gelten, etwa für US-Botschaften oder das Pentagon. Darüber hinaus wurden mindestens 30 Meter Abstand von der nächsten befahrenen Strasse angemahnt. Natürlich gibt es chemische und biologische Filter, massive Vorkehrungen für Brandschutz, extra breite Treppen, viele verbundene Ausgänge und besonders geschützte Lifte.

Das gescheiterte Symbol. Bild: Daniel Libeskind

Der Chefarchitekt David Childs warb für den neuen Entwurf bei der Präsentation am vergangenen Mittwoch mit den Worten, es handele sich um das sicherste Gebäude der Welt. Dass Sicherheitsbedenken und nicht die holde Kunst der Architektur das höchste begehbare Gebäude von Manhattan und der USA - nicht aber der Welt (Der weltweit größte Wolkenkratzer wird in Dubai gebaut), wie weiterhin oft kolportiert wird - bestimmen, wurde in der Tat deutlich. Daniel Libeskind war zwar anwesend, musste aber im Hintergrund bleiben. Die Medien stürzten sich stattdessen auf den New Yorker Gouverneur George Pataki, der sich mit dem "Freedom Tower" in den Geschichtsbüchern verewigen will, und den rundum zufriedenen Polizeichef der Stadt, Raymond Kelly:

The new Freedom Tower design incorporates standards the police department had sought to protect the building against bomb blasts, which our counterterrorism experts agree present one of the greatest threats to such iconic structures.

Libeskind machte bei der Präsentation nicht nur gute Miene zum bösen Spiel, er ging lieber auch auf Tauchstation: "I think the tower that we have now, after all the efforts, is even a better tower than we had before."

Bild: Skidmore, Owings & Merrill, LLP/dbox

Jetzt ist der Pächter von Ground Zero, Larry Silverstein, am Ball. Er hatte weit vor der Beschwerde der Polizei zu geringe Bürokapazitäten bemängelt und Libeskinds Master Plan von eigenen Architekten überarbeiten lassen. Auf Silversteins Interventionen war zurückzuführen, dass der Gebäudeentwurf häppchenweise seine Eigenheiten verlor. Mehrere Milliarden Dollar Versicherungsgelder, die Silverstein als ehemaliger Pächter der World-Trade-Center-Türme erhalten hatte, machen ihn zur Schlüsselfigur am Ground Zero. Die New York Times lobte den Neuentwurf als "better tower", wandte aber ein, dass das weitere Vorgehen – vermutlich Kosteneinsparungen an dem bislang auf 1,5 Milliarden Dollar geschätzten Bauvorhaben - zusammen mit dem konkreten Bauplan unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgedealt werden wird. In den Kosten sind anfallende weitere Ausgaben für "Sicherheit" übrigens noch nicht berücksichtigt.

Der grobe Zeitfahrplan sieht jedenfalls so aus: Baubeginn unterirdisch Anfang kommenden Jahres, erste Erhebungen über Straßenhöhe im Jahr 2007 und Fertigstellung 2010.