"Ich erfülle eine historische Mission und erkläre das Ende der Existenz der Kommunistenfraktion"

Während Kiew politische Säuberung betreibt, geht der Streit um MH17 und den Abschuss von zwei ukrainischen Kampfflugzeugen weiter

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In der Nacht hat es heftige Kämpfe um Donezk gegeben, die ukrainischen Streitkräfte haben Vororte mit Artillerie angegriffen. Nachdem bereits in der eingekesselten Großstadt vermutlich gezielt die Trinkwasserversorgung eingeschränkt wurde, scheint man nun die Stromversorgung kappen zu wollen, indem Transformatoren beschossen werden. Separatisten und ukrainische Streitkräfte machen sich stets wechselseitig für den Beschuss von Wohngebieten und Infrastruktur verantwortlich.

In Kiew geht inzwischen der Versuch weiter, die politische Landschaft zu säubern. So wurde vom Parlament beschlossen und von Präsident Poroschenko ratifiziert, dass die Fraktion der ukrainischen Kommunistischen Partei aufgelöst wird. Gearbeitet wurde mit einem Trick. Das neue Anti-Kommunisten-Gesetz erklärte diejenigen Fraktionen für aufgelöst, bei denen die Zahl der Abgeordneten nach der Wahl unter 32 sinkt. So ist die Zahl der Abgeordneten der Kommunistischen Partei seit der letzten Wahl von 33 auf 23 Abgeordnete geschrumpft. Der ehemalige Übergangspräsident und Rada-Vorsitzende Olexandr Turtschynow von der Vaterlandspartei gab bekannt, er hoffe, dass es im Parlament niemals mehr wieder Kommunisten geben werde. Es habe lange gedauert, bis man diesen "Fehler" korrigiert habe. Gestern hatte er erklärt, dass er mit der Auflösung der kommunistischen Fraktion eine "historische Mission" erfüllt habe.

Die meisten Anhänger der Kommunistischen Partei gibt es in der Ostukraine. Mitgliedern wird vorgeworfen, sie hätten die Separatisten mit Waffen und Geld unterstützt. Heute wird auf Antrag des Justizministeriums von einem Gericht entschieden, ob die Kommunistische Partei ganz verboten wird. Vermutlich wird das Gericht das Verbot unterstützen.

Über die zwei gestern an der Grenze zu Russland abgeschossenen ukrainischen Kampfflugzeuge gibt es erneut unterschiedliche Erklärungsmuster. Abgeschossen wurden sie kurz nachdem der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat erklärt hatte, man kenne nun alle Orte, an denen die Separatisten Flugabwehrsysteme aufgebaut haben, und könne so Abschüsse vermeiden. Daraus kann man auch schließen, dass die Separatisten auch über andere Flugabwehrsysteme als Buk-Raketenabwehrsysteme verfügen. Mit einem solchen soll die MH17 abgeschossen worden sein.

Nach der Meldung, dass die beiden SU-25-Kampfflugzeuge, die zusammen geflogen waren, von Separatisten mit nicht näher bezeichneten Flugabwehrsystemen abgeschossen wurden, berichtete wiederum der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat, dass sie vermutlich von russischer Seite abgeschossen wurden. Belege wurden dafür keine geliefert, nur die Vermutung, dass die angeblich 5,2 km hoch fliegenden Flugzeuge nicht von MANPADs hätten abgeschossen werden können, die die Separatisten besitzen. Auf einer Pressekonferenz vor der Meldung der Nachrichtenagentur Ukrinform hatte Lysenko allerdings in einer Pressekonferenz noch erklärt, dass deren Flughöhe 2,5 km betragen habe, was ein entscheidender Unterschied wäre. Dass sie auch andere Flugabwehrsysteme haben könnten, wurde nicht thematisiert, es geht darum, den Verdacht auf Russland zu lenken. Allerdings heißt es schließlich auch, es gebe noch keine "endgültige" Erkenntnis, wer es getan hat. Das russische Verteidigungsministerium wies die Anschuldigung als "unsinnig" zurück.

Regierungschef Jazenjuk versuchte heute, die Täterschaft Russlands noch einmal zu verstärken. Nach seinen Angaben könnte eines der Flugzeuge auch von einer Luft-Luft-Rakete getroffen worden sein. Ob es hier neue Erkenntnisse durch eine Untersuchung der Wrackteile oder anhand anderer Informationen gab, geht aus seiner Darstellung nicht hervor. Aber die Schlussfolgerung geht dahin, dass dies ein Beweis dafür wäre, dass die SU-25 von einem russischen Kampfflugzeug abgeschossen wurde, schließlich hätten die Separatisten keine. Es scheint also ein Anliegen der ukrainischen Regierung zu sein, glauben zu machen, Russland sei bereits direkt in den Krieg in der Ukraine verwickelt.

Die russische Seite versucht ihrerseits, neuen Verdacht auf die Ukraine zu lenken. So wird in Medien ein ehemaliger Generalleutnant Maslow zitiert, der behauptet, die ukrainischen Behörden würden die Aufzeichnung der Gespräche zwischen den Fluglotsen und den Piloten von MH17 zurückhalten: "Von besonderem Wert sind die Aufzeichnungen von Gesprächen zwischen Fluglotsen und der Crew der Maschine sowie zwischen Gefechtsbesatzungen von Fla-Raketenkomplexen untereinander. Das haben die ukrainischen Militärs bestimmt. Das stimmt absolut, weil dieses System seit den Sowjetzeiten nicht geändert wurde und damals ganz exakt funktioniert hat."

Der ehemals für Flugabwehr zuständige Generalleutnant verweist auf einen Fall aus dem Jahr 2001, wo am 4. Oktober eine russische Passagiermaschine über dem Schwarzen Meer von der ukrainischen Marine bei Übungen versehentlich von einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen wurde, wobei 78 Menschen starben. Die Rakete eines russischen S-200M "Wega-M"-Raketensystems sollte eine Drohne treffen, verfehlte diese aber und nahm dann das Passagierflugzeug als Ziel. Putin, der damals bereits Präsident war, ging zunächst von einem Terroranschlag aus. Der damalige ukrainische Verteidigungsminister erklärte, die Marine habe alle notwendigen Sicherheitsmaßnahmen eingehalten, die Entfernung sei zu groß gewesen, überdies hätten die Übungen erst nach dem Absturz begonnen. Der damalige Präsident Kutschma lenkte schließlich ein und akzeptierte das Ergebnis der Untersuchungskommission.