"Ich verstehe nicht, warum in der politischen Linken eine so unglaubliche Staatsgläubigkeit herrscht"
- "Ich verstehe nicht, warum in der politischen Linken eine so unglaubliche Staatsgläubigkeit herrscht"
- Erhöhung des Kapitalismus-Anteils führt zur Senkung der Armut
- Mehr Tafeln, weniger Arbeitslose
- "Die Gefahr geht davon aus, dass sich der Staat in immer mehr Bereiche der Wirtschaft einmischt"
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Ein Interview mit dem Soziologen Rainer Zitelmann, der mehr Markt und weniger Staat fordert
Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung. So lautet der Titel eines Buches, das der Historiker und Soziologe Rainer Zitelmann gerade veröffentlicht hat (s. a. die Telepolis-Gespräche: Das Jahreseinkommen ist für diese Menschen eine ziemlich unwichtige Größe und Für mich ist neoliberal ein Ehrentitel).
Zitelmann, der auch als Immobilieninvestor tätig ist, hat sich auf eine Reise durch 5 Kontinente begeben und vertritt die Auffassung, dass mehr Kapitalismus im Kampf gegen Armut helfe. Im Interview mit Telepolis lobt der Autor die Reformen unter Ronald Reagan, Margaret Thatcher sowie die Agenda-Politik von Gerhard Schröder. Außerdem ist er der Auffassung, dass der "Antikapitalismus so etwas wie eine identitätsstiftende Religion für viele Intellektuelle" sei.
Zu Zitelmann siehe auch auf Telepolis: Warum Intellektuelle den Kapitalismus nicht mögen und "Ich bin es gewohnt, Außenseiter zu sein!"
Der Kapitalismus, er lebe hoch! So könnte man Ihr neues Buch zusammenfassen. Warum dieser Lobgesang auf den Kapitalismus?
Rainer Zitelmann: Weil ich überall das Gegenteil höre - und das eben nicht stimmt. Machen Sie doch mal eine Umfrage unter Ihren Lesern, ich schätze, dass mindestens 95% mit dem Begriff "Kapitalismus" negative Assoziationen verbinden. In meinem Buch belege ich, dass das nicht gerechtfertigt ist.
Vielleicht ist es am besten, wenn Sie unseren Lesern erstmal erklären, wie Sie den Begriff Kapitalismus erfassen.
Rainer Zitelmann: Ich führe mal eine Passage aus meinem Buch an. Dort habe ich es so erklärt: Es gibt in der modernen Zeit grundsätzlich zwei Möglichkeiten, eine Wirtschaft zu organisieren.
Im ersten Fall gibt es kein Privateigentum an Produktionsmitteln sowie Grund und Boden, sondern nur Staatseigentum. In Planungsbehörden wird festgelegt, was in welcher Menge produziert wird. Im zweiten Fall ist das Privateigentum garantiert und die Unternehmer produzieren im Rahmen einer rechtlichen Ordnung jene Güter, von denen sie glauben, dass die Konsumenten sie brauchen. Die Preise geben ihnen die Informationen darüber, ob sie mit ihrer Annahme richtig lagen, also ob sie das Richtige in der richtigen Menge produziert haben.
Tatsächlich existiert in der Realität keines dieser Systeme - Kapitalismus oder Sozialismus - in Reinkultur. Selbst in sozialistischen Staaten wie der DDR oder sogar in Nordkorea gab oder gibt es neben dem Staats- auch Privateigentum und neben dem alles dominierenden Plan Elemente von Marktwirtschaft, legal oder illegal. In den kapitalistischen Ländern existiert neben dem Privat- auch Staatseigentum, und der Staat greift regulierend in die Wirtschaft ein oder verteilt durch Steuern die erzielten Erträge um, indem er den Reichen Geld wegnimmt und dies an die Mittelschicht oder die Ärmeren verteilt.
Entscheidend ist das Mischungsverhältnis, also die Frage, wie stark die Rolle des Staates ist und wie viel Freiheit dem Unternehmer eingeräumt wird. Die These meines Buches: Wird der Kapitalismus-Anteil in einer Wirtschaft erhöht, so wie das etwa in den letzten Jahrzehnten in China geschah, dann führt das in der Regel zu mehr Wachstum, und der Mehrheit der Menschen geht es damit besser.