Im Sumpf der Subventionen

Seite 4: Imaginäre Rasenmäher können Subventionen auch nicht kürzen

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Da nimmt es nicht wunder, dass 2010 wie schon in den Jahren davor ein neuer Höhepunkt der Ausgabenfreudigkeit erreicht wurde. Der Staat und die Europäische Union (EU) haben noch nie zuvor so viel Geld an Subventionen in der Gegend verstreut. Auch in kommenden Jahren dürfte sich daran kaum etwas ändern.

Das geht aus einem Gutachten des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) hervor. Beim Bund, den Ländern, den Gemeinden und der Europäischen Union summierten sich alle 2011 gezahlten Subventionen für Deutschland auf 164 Milliarden Euro.

Der gesamte Bundeshaushalt ist gerade mal doppelt so hoch. Das kann man gar deutlich genug hervorheben: Ein Betrag, der halb so hoch ist, wie die Gesamtausgaben des Bundes, wird aus politischen Gründen in marode Unternehmen, Organisationen und Wirtschaftszweige gesteckt.

Das IfW-Gutachten analysiert auch, welche Finanzhilfen und Steuervergünstigungen durch den Bund und im Schulterschluss mit den Ländern gekürzt werden können. Als "realistisches Kürzungspotenzial" ermittelten die Wissenschaftler Subventionen über 58 Milliarden Euro pro Jahr und empfahlen, den Subventionsabbau zeitlich gestreckt mit der "Rasenmähermethode" zu realisieren.

Dabei werden alle Subventionen in gleichem Maße um denselben Prozentsatz gekürzt und nicht einzelne Programme völlig gekippt. Es ist dann nicht mehr notwendig, sich mit den betroffenen Interessengruppen auseinanderzusetzen, da die Kürzung alle in gleichem Maße trifft.

Das wäre sogar eine Methode, die aus politischen Gründen scheinbar einigermaßen leicht durchsetzbar sein könnte. Denn dann müssten alle Betroffenen in gleichem Maße mit Kürzungen rechnen. Da könnte sich keiner beschweren, er werde diskriminiert und schmerzhafter als andere zur Ader gelassen.

Doch in Wahrheit scheint das nur so zu sein; denn dazu müssten die gewählten politischen Repräsentanten das Instrument der Subventionen - und damit einen Teil ihrer politischen Macht - aus der Hand geben. Und das werden sie nicht tun.

Nach einer anderen Studie des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts der Universität Köln (Fifo Köln) können die öffentlichen Hände in Deutschland kurzfristig 22,4 Milliarden Euro einsparen. 14,6 Milliarden würden auf den Bund entfallen, der übrige Betrag auf Länder und Gemeinden. Mittelfristig wäre gar ein vielfach höheres Sparpotenzial möglich, wenn die Staatsaktivitäten effizienter organisiert würden.

Insgesamt nennt das Fifo Köln zwei Dutzend Posten, deren "soziale beziehungsweise ökonomische Rechtfertigung oder Leistungsfähigkeit sehr fraglich" sind - und die schnell gestrichen werden könnten. Da allerdings lachen die Hühner; denn es fällt nicht schwer, hunderte von absolut absurden Subventionen aufzuzählen, die wesentlich überflüssiger als so mancher Kropf sind…

Nach der Rechnung des Fifo könnte der Staat noch einmal 60 Milliarden Euro jährlich durch effizienteren Mitteleinsatz sparen. Bei der Verwaltung, der Armutsabsicherung, der Infrastruktur, der Schulbildung, der Gesundheit gibt es laut Fifo noch Effizienzreserven, wenn die Regierung als Maßstab die erfolgreichsten Länder in den jeweiligen Bereichen zu Grunde legte.

Allein in der öffentlichen Verwaltung beträgt die deutsche Effizienzreserve im Vergleich zur wesentlich effizienter operierenden Schweiz rund 30 Prozent. Umgerechnet bedeutet dies ein Einsparpotenzial von über 20 Milliarden Euro für den Steuerzahler.

Würde Deutschland in der Armutssicherung dem Beispiel Japans folgen, könnte der Staat rund 21 Milliarden Euro sparen. Weitere vier Milliarden wären in der Infrastruktur möglich, wenn Deutschland es dem Vorreiter Dänemark gleichtun würde. Etwas unklarer ist das Einsparpotenzial in Gesundheit und Schulbildung. Hier schwankt die Summe jeweils deutlich - zwischen drei und 21 beziehungsweise sechs und 21 Milliarden Euro.

Doch so sehr diese Rechenkunststücke auch einleuchten mögen, sie sind von vornherein in den Wind geschrieben. Denn sie sind weltfremd und gehen an der politischen Realität vorbei.

Solche mehr oder auch minder wissenschaftlichen Untersuchungen dienen vorwiegend zum Gaudium des kritischen Publikums. Sie sind vor allem dazu da, die Öffentlichkeit zu unterhalten und ihr etwas Stoff zum Diskutieren vorzuwerfen. Da können die Leute dann trefflich die Vor- und Nachteile der einen oder anderen Maßnahme erörtern und sich so in der Illusion wälzen, es gehe doch alles ziemlich demokratisch zu. Schließlich praktiziert man ja Meinungsfreiheit in Onlineforen, Leserbriefspalten und Talkshows.

Doch politisch haben solche Studien keinerlei Wirkung; denn die Subventionen dienen ja gar nicht der Förderung notleidender Wirtschaftszweige und sind keine wirtschaftspolitischen Instrumente. Es geht auch in Wahrheit nicht um Einsparungspotenziale.

Ein konkreter Blick auf die tatsächlich gewährten Subventionen zeigt: Die Realität hat mit der volkswirtschaftlichen Theorie der Subventionen überhaupt nichts zu tun. Subventionen bekommen Bierbrauereien ebenso wie globale Lebensmittelkonzerne, Großgrundbesitzer, Reedereien, Speditionen, Schnapshersteller, Zirkuswagenfahrer, Landwirte, Matrosen und Betreiber von Biogasanlagen.

Der Staat subventioniert vom Freibier bis zur Zahnprothese fast alles, was ihm vor die Geldspritze kommt. Da werden riesige Summen ohne Sinn und Verstand übers Land verstreut. In zäher Lobbyarbeit haben sich viele Branchen milliardenschwere Vorteile erkämpft, die sie nun nie mehr aufgeben werden.

kosch.htm