In Rumänien wurde der erste Stützpunkt des US-Raketenabwehrschilds eröffnet

U.S. Aegis Ashore Missile Defense System Romania. Bild: DoD

Angeblich soll das Raketenabwehrsystem nicht gegen Russland gerichtet sein, aber sie hat den Konflikt verschärft und ein Wettrüsten in Gang gesetzt

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Am Freitag der vergangenen Woche wurde die erste europäische Basis des US-Raketenabwehrschilds auf dem Deveselu-Stützpunkt in Bukarest eingeweiht bzw. "aktiviert". Das geschah weitgehend unbemerkt von der medialen Öffentlichkeit in Deutschland, obgleich der noch unter Ex-Präsident George W. Bush erfolgte Beschluss, in Europa an der Grenze zu Russland zunächst in Polen und der Tschechischen Republik das Raketenabwehrschild zu installieren (Danaer-Geschenk?) - zusammen mit der Absicht, Georgien und die Ukraine in die Nato aufzunehmen (Das Patt von Bukarest) -, den Konflikt zwischen Russland und der Nato eskalieren ließ. Der Konflikt hat ebenfalls weitgehend unbemerkt zu einem neuen atomaren Wettrüsten geführt (USA und Russland im nuklearen Rüstungswettlauf), wozu auch gehört, die in Deutschland stationierten Atomwaffen zu modernisieren (80 Mal Hiroshima in der Eifel).

Die USA verfolgen im wesentlichen zwei Ziele. Mit der Erweiterung der Nato und der Installation des Raketenabwehrschilds soll Russland weiter eingedämmt werden, während die Nato-Staaten, die unter den US-Schild schlüpfen, vermeintlich größere Sicherheit vor Angriffen mit Raketen mit größerer technischer, militärischer und politischer Abhängigkeit bezahlen.

Nachdem die Tschechische Republik ausgeschert war und auch in Polen Bedenken aufkamen, wurde unter US-Präsident Obama mit einem neuen Ansatz 2009 der European Phased Adaptive Approach (EPAA) gestartet, um in Europa eine "neue Raketenabwehrarchitektur" unter der Kontrolle der USA zu errichten. Der Entschluss dazu wurde auf dem Nato-Gipfel 2010 in Lissabon gefällt. Dazu wurde 2011 in der Türkei ein AN/TPY-2-Radarsystem installiert und in das Mittelmeer ein Kriegsschiff mit dem seegestützten Aegis-Raketenabwehrsystem mit Abfangraketen des Typs SM-3 verlegt. Neben Spanien, wo in Rota Zerstörer mit Abfangraketen stationiert sind, spielt auch Deutschland eine Rolle. Auf dem amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Ramstein befindet sich die Zentrale des europäischen Raketenabwehrschilds. Bis 2015 sollte dann ein landgestütztes Aegis-Raketenwabwehrsystem mit Abfangraketen in Rumänien eingerichtet werden, 2018 dann ein zweiter Block in Polen, nachdem der damalige polnische Präsident Komorwoski das 2010 ausgehandelte Abkommen ratifiziert hatte. Immer hieß es, der Raketenabwehrschild der USA und dann der Nato richte sich nicht gegen Russland, sondern gegen Langstreckenraketen aus dem Nahen Osten, also aus dem Iran. Dass Moskau dies nicht überzeugte, liegt auf der Hand.

Abschuss einer SM-3-Abfangrakete von Kauai, Hawaii. Bild: mda.mil

Noch im Zeitrahmen wurde jetzt am 18. Dezember die Aegis Ashore Missile Defense Facility (AAMDS) in Rumänien eröffnet. Patrick Auroy, der stellvertretende Nato-Generalsekretär für Rüstungsinvestitionen, erklärte, dass die Inbetriebnahme für die Nato von "besonderer Bedeutung" sei. Ballistische Langstreckenraketen seien eine besondere Herausforderung, weil sie "ein hoch destabilisierendes Risiko in die geopolitische Landschaft" bringen würden. Daher sei es ein "logischer" Schritt gewesen, ein Abwehrsystem zum Schutz von Europa "gegen die wachsende Gefahr von Angriffen mit ballistischen Raketen" zu entwickeln, die von "außerhalb des euro-atlantischen Gebiets" kommen. Wenn dann auch gesagt wird, dass es gegen Kurz-, Mittel- und Langstreckenraketen schützen soll, dann sollte auch gutgläubigen Köpfen klar werden, dass der Iran nicht der einzige mögliche Gegner ist. Als Kurzstreckenraketen gelten Raketen mit einer Reichweite bis zu 1000 km.

Auroy ließ die geopolitische Dimension erst einmal im Ungefähren, um aber herauszustellen, dass der Beitrag der USA zu dem Raketenabwehrschild "signifikant" sei, da die USA die primären Elemente, die Abfangraketen und die Radarsysteme, liefern, während Rumänien seinen Teil leiste, indem sie dort installiert werden können. Andere Partner würden "zusätzliche Elemente" beisteuern. Tonangebend, das soll klar sein, sind die USA. Auroy lässt auch keinen Zweifel daran, dass es nur um Abfangraketen und Sensoren geht, das Nato-Raketenabwehrschild schließe auch politische, operationale und technische" Aspekte ein und benötige eine "enge Kooperation". Dass das System in der vorgesehenen Zeit eingerichtet werden konnte, wird geradezu euphorisch als Beweis für die Leistungsfähigkeit der Nato gefeiert: "We decide, we declare that we decide, we implement and we deliver!"

Das landgestützte Aegis-System verstärke die Raketenabwehr der Nato beträchtlich, was offenbar auch wichtig für den Nato-Gipfel nächstes Jahr in Warschau erachtet wird, um den osteuropäischen und baltischen Staaten stärkeren Schutz vor russischen Angriffen zu versichern. Die Nato könne zwar damit keinen endgültigen Schutz versprechen, aber durch eine Vielzahl von Systemen könne die Nato "die Überlegungen möglicher Feinde komplizierter" machen, so dass sie sich einen Angriff zweimal überlegen.

U.S. Aegis Ashore Missile Defense System Romania. Bild: DoD

Dass der Schild gegen Russland gerichtet ist, darf allerdings nicht laut gesagt werden. Wiederholt wird schließlich auch zu dieser Gelegenheit wieder die Behauptung, dass das Raketenabwehrschild nicht gegen Russland gerichtet ist, was man auch immer wieder gesagt habe. Russland habe darauf mit Drohungen reagiert, die "völlig ungerechtfertigt" seien und nicht dazu beitrügen, "vertrauen zu bilden und Spannungen zu senken". Dass dazu das Abwehrsystem auch nicht beiträgt, wenn es in Polen und Rumänien und nicht etwa in der Türkei oder Griechenland errichtet wird, bleibt außen vor.

Auroy betont jetzt auch, dass das Raketenabwehrschild doch nur defensiv und sowieso gar nicht in der Lage sei, die "russischen strategischen Verteidigungskapazitäten zu unterminieren". Das ist allerdings auch nicht die Befürchtung von Moskau, wo man durch den Raketenabwehrschild das strategische Gleichgewicht unterminiert sieht. Begonnen hatte der Streit bereits 2002, als die USA einseitig den ABM-Vertrag (Anti-Ballistic Missile Treaty) aus dem Jahr 1972 zur Begrenzung von Raketenabwehrsysteme aufkündigte. Daraufhin drohte Russland, Raketen zu entwickeln, die das Abwehrsysteme austricksen können. Das will man seitdem mit neuen manövrierbaren Topol-Langstreckenraketen mit Mehrfachsprengköpfen erreicht haben.

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