Internet wird zum Hauptproblemfeld beim Datenschutz
Neben der Rasterfahndung hat dem Berliner Datenschutzbeauftragten die Vernetzung von Behörden und Unternehmen am meisten Sorgen bereitet
Die vernetzte Informationstechnik wird immer mehr zum Sorgenkind der Datenschützer. "Die Beschwerden im Bereich Internet, Kommunikation und Mobilfunk nehmen besonders zu", erklärte der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Hansjürgen Garstka, am heutigen Mittwoch bei der Vorstellung seines Jahresberichts 2001. Die Problemfelder reichen dabei von Unternehmen, die im Netz ohne Einwilligung der Surfer nach Daten jagen und somit illegal Verbraucherprofile sammeln, über den mangelnden Schutz von Vertraulichkeit beim E-Government bis hin zur leichtfertigen Veröffentlichung von personenbezogenen Daten durch Behörden, Konzerne und Sportvereine.
Die Reihe der Datenschutzverstöße fängt bei Ärgernissen wie einer Berliner Spedition an, die eine Schwarze Liste mit "schwierigen" Kunden ins Netz gestellt hatte, führte Garstka aus. Beklagt hatte sich ein Immobilienverwalter auch, dass die Amtsblätter online sind und damit beispielsweise Termine für Zwangsversteigerungen mit allen Daten der Betroffenen leichter zugänglich sind. Bei der Eingabe seines Namens in Suchmaschinen habe der Geschäftsmann laut Garstka so ein ganz auf diesen wenig erbaulichen Bereich zugeschnittenes Personenprofil erhalten. Die Amtsmitteilungen würden online daher nun im Tiff-Grafikformat abgelegt, das eine Auswertung durch die Bots der Suchhelfer verhindere.
Die Sicherheitsvorkehrungen im Hightech-Bereich lassen den Berliner Datenschützern nach insgesamt stark zu wünschen übrig. "Weniger als Hälfte der Unternehmen und Verwaltungen hat sich über Sicherheits- und Datenschutzkonzept Gedanken gemacht", beklagte Hanns-Wilhelm Heibey, Leiter des Bereichs Informatik bei der Datenschutzbehörde. Nicht einmal "standardmäßige Schutztechniken wie Verschlüsselung werden eingeschaltet."
Dem im Frühsommer 2001 novellierten Bundesdatenschutzgesetz entsprechend sind auch die Landesdatenschützer "von Amts wegen" angehalten, die Wirtschaft zu prüfen. Obwohl das laut Garstka in Berlin mit 27 Leuten nicht umfassend zu schaffen ist, förderten erste Kontrollen Erstaunliches zutage: Von "verheerenden Ergebnissen" spricht Heibey etwa bei einem privatisierten Krankenhaus der Vivantes GmbH, bei dem die "lebenswichtigen Infrastrukturen" im Keller frei zugänglich waren und von jedermann einfach lahm zu legen gewesen wären.
Schwere Verstöße beim Schutz von Kommunikationsdaten seien bei vielen Einrichtungen auch bei drahtlosen Netzverbindungen über W-Lan zu verzeichnen gewesen. Von der neuen Befugnis, bei Ordnungswidrigkeiten Bußgelder bis zu 250.000 Euro zu verhängen, machte die Behörde aber noch keinen Gebrauch.
Rasterfahndung liegt in Berlin momentan auf Eis
Das eigentliche Datenschutzproblem des Jahres war für den Berliner Datenschutzbeauftragten aufgrund der Terroranschläge am 11. September aber die Rasterfahndung (Ausgerastert). In Berlin sind anhand des einschlägigen und bereits früh bekannt gewordenen Kriterienkatalogs des Landeskriminalamts insgesamt 58.000 Datensätze in die Schläfer-Suche einbezogen worden. Die Merkmalskombination traf dabei zunächst auf 109 Personen zu, von denen die Polizei allerdings "nur" 77 als relevant für weitere Ermittlungen betrachtet. 199 Datensätze zu einzelnen "Verdächtigen" lieferte Berlin zudem an das Bundeskriminalamt, das einen weitmaschigeren Rasterkatalog zugrunde legte.
Ob die 77 durchgerasterten Personen von der Polizei nun weiter beobachtet werden dürfen, hängt vom Kammergericht Berlin ab. Ende Januar hatte das Landgericht die Rasterfahndung aufgrund einer mangelnden "gegenwärtigen Gefahr" für unzulässig erklärt, was die Berliner Innenverwaltung so aber nicht gelten lassen wollte. Garstka wartet nun voller Spannung die Entscheidung des Kammergerichts ab, das in diesem Fall zugleich die höchste Instanz darstelle. Die momentan physikalisch unter Verschluss gehaltenen Daten der 77 Treffer seien auf jeden Fall sofort zu vernichten, falls die Entscheidung des Landgerichts bestätigt werde. Einen Sonderbericht zur Rasterfahndung will der Landesdatenschützer im Mai vorlegen.
Im Strafverfolgungsbereich monierte Garstka ferner vor allem bei der Telekommunikations-Überwachung den "Trend zu immer weiteren Forderungen". In Berlin sei die Zahl der Lauschangriffe aufs Telefon von 217 Fällen 1995 auf 739 im Jahr 2000 hochgeschnellt. Den Sicherheitsbehörden sei nun daran gelegen, die "Spuren, die wir im Internet hinterlassen, systematisch zu sammeln und auszuwerten." Als Erfolg der Datenschützer wertete es Garstka allerdings, dass die Provider in Deutschland bislang nicht zur Speicherung personenbezogener Daten auf Vorrat über die zur Abrechnung hinausreichenden Informationen verpflichtet worden seien.
Größtenteils positive Erfahrungen hat seine Behörde mit dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz gemacht: "Die Verwaltungen sind unter den Anfragen zumindest nicht zusammengebrochen." Eine Novellierung des jungen Gesetzes, auf dessen bundesweite Fassung die Landesdatenschützer nach wie vor warten, hält Garstka allerdings für nötig. Denn noch verlaufe die Anwendung nicht reibungslos.