Interplanetares UMTS gesucht

NASA: Engpass bei der Datenübertragung von Missionen

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Die zu übertragenden Daten werden ständig immer mehr: hochauflösende digitale Fotos, Videos, ohne DSL kommen heute auch Privatleute meist nicht mehr aus. In Firmen schaut es nicht besser aus und selbst die NASA hat inzwischen ein Problem, die immer besser auflösenden Kamerabilder von immer mehr Weltraummissionen mit den heutigen Anlagen noch zu empfangen.

Nicht nur die irdischen Datenautobahnen sind mitunter verstopft. Auch der Funkverkehr in unserem Sonnensystem hat Performanceprobleme. Während beim ersten ins All geschossenen Sender, dem Satelliten Sputnik (Atombomben im Weltall), noch ein einfaches „Piep Piep Piep“ ausreichte und die Funkverbindungen über einige 100 km bei optimal freier Sicht kein Problem waren, sind heute hochauflösende Bilder zu übertragen – und das vom Mars, von der Venus, vom Jupiter oder aus noch größeren Entfernungen. Technisch ist dies gar nicht so einfach, da es bei Funk nicht ausreicht, einfach die Bandbreite zu erhöhen: eine höhere Bandbreite verschlechtert den Signal/Rauschabstand, da das empfangene Rauschen mit der Bandbreite zunimmt. Es werden also ein stärkeres Sendesignal oder eine größere Antenne notwendig. Ebenso steigt die Übertragungsdämpfung massiv mit der Entfernung. Aus diesem Grund wird es nicht nur wegen der langen Übertragungslaufzeiten kaum möglich sein, Live-Fernsehbilder vom Pluto zu senden. Stattdessen werden Bilder und kurze Videosequenzen in den Sonden zwischengespeichert und mit langsamer Geschwindigkeit übertragen.

Einst mit 64 Metern Durchmesser im Juni 1966 in Betrieb genommen und 1988 auf 70 Meter ausgebaut: Die erste der Antennen des „Deep Space Networks“ in Goldstone, Kalifonien, die schon bei den amerikanischen Mondlandungen Verbindung hielt (Bild: NASA)

Die heute vorhandenen Empfangsanlagen des mittlerweile 40 Jahre alten Deep Space Networks sind auf die Ansprüche moderner Raumsonden gar nicht mehr ausgelegt und rechnen nicht mit höheren Bandbreiten. Bislang wurden maximal 400 kBit/s zur Erde gefunkt und die im Mars-Orbit befindliche Station Odyssee, die die Signale der beiden Mars-Rover "Spirit" und "Opportunity" überträgt, sendet mit einer 1,3 m großen Antenne und 15 Watt Sendeleistung, während der Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) nun mit 6 MBit/s übertragen soll und dazu eine 3 Meter große Antenne und 100 Watt Sendeleistung benutzt, wie der New Scientist in seiner aktuellen Ausgabe berichtet.

Der Mars Reconnaissance Orbiter hat den Mars im März erreicht und dringt gegenwärtig tiefer in seine Atmosphäre ein, um ab November die offiziell geplanten Studien zu beginnen und mit dem High Resolution Imaging Science Experiment (HiRISE) die bislang leistungsfähigste, je ins All geschickte Kamera mit vergleichsweise 200 Megapixeln Auflösung zu aktivieren. Die von ihr aufgenommenen Bilder können noch Gegenstände von weniger als einem Meter Größe auf 300 Kilometer Entfernung zeigen und erzeugen Dateien bis zu 28 Gigabyte, was die aktuellen Bilder (Gestochen scharf aus 160 Millionen Kilometer Entfernung) nochmals bei weitem übertrifft. Obwohl man sich deshalb beim „Knipsen“ ziemlich zurückhalten wird und nur wichtige Details der Marsoberfläche in voller Auflösung aufgenommen werden sollen, werden insgesamt etwa 34 Terabyte Daten anfallen – 10 bis 20 Mal mehr als das Datenvolumen aller bisherigen Marsexpeditionen zusammengerechnet. Auf diese Art sollen sichere und wissenschaftlich interessante Landeplätze für zukünftige bemannte und unbemannte Marslandungen ermittelt werden.

Mars Reconnaissance Orbiter über der Marsoberfläche (Künstlerische Darstellung, Bild: NASA)

Das Problem wird dadurch verschärft, dass ja nicht nur eine Sonde unterwegs ist: neben den Marssonden muss sich die NASA ja auch um Venus Express (Im Orbit der Erotik: Venus Express) und diverse andere Raumsonden kümmern. Dafür sind gegenwärtig drei Radioteleskopanlagen zuständig, deren größte Radiospiegelteleskope mit stolzen 70 Metern Durchmesser sowie weiteren, 34 und 26 Meter großen Antennen im Abstand von etwa 120° voneinander über die Erdkugel verteilt sind und in der kalifornischen Mojave-Wüste, in der Nähe von Madrid in Spanien sowie in der Nähe von Canberra in Australien aufgestellt sind, damit immer mindestens eine, besser aber zwei davon Kontakt zu einer Raumsonde haben können, deren Signal sie auffangen müssen. Ist jedoch mehr als eine Mission gleichzeitig aktiv und benötigt die große 70-Meter-Antenne, so entfällt das Backup durch die zweite Antenne. Fällt dann eine Anlage aus, so gehen unweigerlich Daten verloren. Im Moment sind insgesamt 35 Missionen unterwegs und in kritischen Momenten des Fluges wie bei Steuermanövern belegt eine dieser 35 Missionen die Antennen exklusiv.

Letzten September führten diese Engpässe beispielsweise zu Datenverlust, als die Sonde Cassini den Saturnmond Titan näher inspizieren wollte (Der entschleierte Schleier des Titan): Radargeräte sollten nach Methanseen auf der Oberfläche des Mondes suchen (Titan – Mond des Lebens?), doch beim ersten Anlauf gingen die meisten Daten verloren – einerseits wegen eines Softwareproblems der Sonde, doch andererseits auch, weil im entscheidenden Moment nur eine Empfangsantenne statt wie geplant deren zwei zur Verfügung stand, die nur etwa die Hälfte der tatsächlich gesendeten Daten empfangen konnte. Um derartige Misserfolge zukünftig zu vermeiden, werden zukünftig die Daten in den Sonden erst gelöscht, wenn die Übertragung erfolgreich war.

Der Mars Reconnaissance Orbiter im Bau (Bild:NASA)

Außerdem soll ein neuer Übertragungsbereich bei 32 GHz (Ka-Band) die Datenraten gegenüber den heutigen Übertragungen bei 8 GHz (X-Band) beschleunigen. Und damit der Ausfall einer Übertragungsstrecke nicht gleich zu Datenverlust führt, soll ein neues, internetähnliches, IP-gestütztes interplanetares Kommunikationssystem (IPN, InterPlaNet) die Tücken der Kommunikation im Weltraum, wie Unterbrechungen, Zeitverzögerungen und andere typische Übertragungsfehler besser abfangen. Dieses System würde ähnlich arbeiten wie die heutige Zwischenspeicherung in den Sonden oder E-Mail-Übertragung: die Daten würden zwischengespeichert und in dem Moment, wo eine Verbindung mit der Erde erreicht werden kann, beschleunigt übertragen. Damit ist kein ständiger Kontakt mit der Erde mehr notwendig, der heute die vollständige Übertragungen von Daten oft zu einer Zitterpartie werden lässt.