Iran: Die Frist läuft aus

Im Vordergrund der politischen Bühne steht der Konflikt um das iranische Atomprogramm, das heute nach der UN-Resolution eingestellt werden müsste, gefährlicher für eine militärische Auseinandersetzung sind jedoch die Nadelstiche vor Ort

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Heute läuft nach der Resolution des UN-Sicherheitsrates die Frist für Iran ab, sein Programm der Urananreicherung einzustellen. Bislang haben der iranische Präsident Ahmadinedschad und andere Regierungsmitglieder stets auf das Recht gepocht, die Atomkraft mitsamt Wiederaufbereitung von Uran friedlich nutzen zu können, und einen Stopp abgelehnt. Gestern hat Ahmadinedschad ein neues taktisches Verhandlungsangebot gemacht, von dem er wohl nicht erwartet, dass es angenommen wird, sondern mit dem er den zweifachen Maßstab der westlichen Staaten voführen will: Man sei zu weiteren Gesprächen bereit, selbst zur Unterbrechung des Atomprogramm, aber unter der Bedingung, dass die Verhandlungspartner ebenfalls die Urananreicherung einstellen. Ähnlich hat auch IAEA-Chef ElBaradei in einem Vortrag in London argumentiert. Er warf der britischen Regierung vor, schlecht von anderen Ländern fordern zu können, keine Atomwaffen erwerben zu wollen, wenn man diese selbst gerade modernisieren will, wie dies Tony Blair noch vor seinem Rücktritt in die Wege leiten will.

"If you say that we should close our facilities you should also close your facilities in return, and then we can sit for dialogue in fair conditions.". Bild: Mehr News

Auch der iranische Vizeaußenminister Seyed Abbas Araghchi machte ein neues Gesprächsangebot und sagte zugleich, dass die iranische Führung sich nicht der UN-Resolution unterwerfen werde. Man sei aber weiter bereit zu Verhandlungen, jedoch ohne Voraussetzungen. Die westlichen Regierungen sollten zudem ihre Drohungen einstellen. Offenbar ist man in Teheran bereit, verschärfte Sanktionen auf sich zu nehmen, oder man geht davon aus, dass solche keine Unterstützung im Sicherheitsrat finden werden. Nach den Vereinigten Emiraten ist Deutschland der zweitgrößte Exporteur von Gütern in den Iran.

Bei dem von der US-Regierung aufgebrachten Thema, wer wen mit Waffen beliefert, hat der Iran nun noch einmal nachgelegt. Nach den beiden Anschlägen in Sahedan und der Razzia bei einem Versteck der dafür angeblich verantwortlichen sunnitischen Gruppe Dschundollah hatte man bereits ein Foto präsentiert, dass Waffen und Munition britischer und amerikanischer Herkunft zeigt (Auch Iran hat "Beweise"). Das wurde u.a. als Beleg dafür verwendet, die USA als Unterstützer der Terrorgruppe zu bezichtigen, die angeblich den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten in der Provinz schüren sollte, um das Land zu destabilisieren. Jetzt meldet die Nachrichtenagentur Fars News auf ähnliche Weise, wie das US-Militär die Hinweise auf Waffen im Irak aus dem Iran präsentiert hatte (Das Bagdad-Dossier), dass nach einem Informanten in dem Versteck mehrere Bomben amerikanischer Herkunft gefunden worden seien.

Iran hatte nach dem ersten Anschlag am Mittwoch, bei dem 12 Soldaten getötet wurden, ohne viel Federlesens (und eines rechtstaatlichen Verfahrens) einen der verdächtigen Terroristen öffentlich am Montag erhängt. Der Generaldirektor für politische Angelegenheiten der Provinz Belutschistan wiederholte am Dienstag den Vorwurf, dass Großbritannien und die USA die "Terroristen" ausbilden und mit finanziellen und medialen Mitteln versorgen würden. Die dafür angeblich vorhandenen Beweise wurden aber nicht vorgelegt.

Offene und versteckte Drohungen und Muskelspiele

Die gegenseitigen Vorwürfe von Teheran und Washington dürften allseits auf Skepsis stoßen, aber sie lassen den von beiden Seiten politisch instrumentalisierten Konflikt, der nicht nur das iranische Atomprogramm, sondern auch den Irak betrifft, weiter anschwellen. Dazu gehört, dass nun der zweite Flugzeugträgerverband USS John C. Stennis in der Region eingetroffen ist. Noch ist er nicht im Persischen Golf, sondern vor der Küste Omans. Zusammen mit dem Verband USS Dwight D. Eisenhower würden regionale Sicherheitsoperationen ausgeführt und die Bodentruppen in Afghanistan und im Irak unterstützt werden. Zwar hat die Bush-Regierung immer wieder beteuert, keinen Angriff auf den Iran zu planen, aber US-Präsident Bush hatte schon im Hinblick auf die angeblich aus dem Iran gelieferten Waffen deutlich gemacht, dass man militärisch zum Schutz der amerikanischen Soldaten vor diesen eingreifen werde.

Vizeadmiral Patrick Walsh, der Kommandeur der Marineeinheiten im Persischen Golf, hat zwar am Montag auch abgestritten, dass die USA sich in der Region aufrüsten, die gesamte Region sei derzeit nur sehr instabil. Aber er wies darauf hin, dass die iranische Marine in ihren Manövern die Absicht gezeigt habe, im Ernstfall den Golf mit Minen in der engen Straße von Hormus blockieren zu wollen. Schon die Übungen nannte er provozierend. Minen bezeichnete er als "offensive terroristische Waffen" und machte deutlich, dass die USA den Persischen Golf freihalten werden. "Die Frage ist nicht", so Walsh, "was wir planen, sondern was die Iraner planen."

Die BBC will aus diplomatischen Kreisen erfahren haben, dass die US-Regierung schon konkrete Angriffspläne für den Iran hat ausführen lassen. Bei einem eventuellen Angriff sollen nicht nur die iranischen Atomanlagen in Natanz, Isfahan, Arak oder Bushehr zerstört, sondern auch Flugplätze, Häfen, Raketenbasen und Kommandozentralen bombardiert werden. Als Anlass für einen Angriff würde jeder Hinweis auf ein Atomwaffenprogramm gelten, aber es könnte sich auch um einen Anschlag mit vielen Opfern handeln, deren Täter man mit Teheran in Verbindung bringen kann.

Da das iranische Atomprogramm noch nicht weit fortgeschritten ist, es nach Auskunft der Internationalen Atomenergiebehörde noch mindestens ein halbes Jahr dauert, bis die nächsten 3000 Zentrifugen arbeiten, und dann noch mehrere Jahre nötig wären, um genügend atomwaffenfähiges Material herzustellen, falls dies der Iran überhaupt beabsichtigt, ist trotz aller Dramatik, die die USA und Israel aufbieten, die Atomfrage nicht wirklich drängend.

Dazu kommt, dass nun selbst das konservative Wall Street Journal von der bereits bekannten Energiekrise Irans in der Zukunft berichtet. Es bestehe die Gefahr, dass die iranischen Ölquellen sich binnen zehn Jahren erschöpfen. Damit würde dem Land nicht nur enorme Einkünfte entgehen, sondern auch selbst die Energie ausgehen. Aus dieser Perspektive wäre das Interesse Irans, möglichst schnell in der Zeit, in der noch ausreichend Geld zur Verfügung steht, eine autonome Versorgung mit Nuklearstrom herzustellen, zumindest verständlich (auch wenn man sich natürlich fragen kann, warum die iranische Führung, geht es nur um die friedliche Nutzung, nicht stärker auf erneuerbare Energien setzt). Der Sprecher des Weißen Hauses versicherte, darauf angesprochen, erneut, dass die USA niemals etwas gegen die zivile Nutzung der Atomenergie gehabt hätten, sondern lediglich gegen die Möglichkeit, dass der Iran mit der Uranerreichung die Möglichkeit besitzt, Atomwaffen herzustellen.

Da die mögliche Herstellung von Atombomben daher nicht aktuell ist, so der Kommentar in der BBC, dient der Hinweis auf diese Gefahr zwar den interessierten Parteien zur Aufrechterhaltung des internationalen Drucks, ein Anlass zum Krieg könnte aber eher und ganz plötzlich aus einem Vorfall im Irak erwachsen, beispielsweise durch einen Anschlag, durch weitere Verhaftungen von Iranern oder führenden militanten Schiiten, aber auch durch mögliche Operationen der Revolutionären Garden im Irak. Da durch die Zensur die Iraner weitgehend von Informationen aus dem Ausland ausgesperrt sind, scheinen sie noch nicht allzu beunruhigt zu sein, zumal die iranische Führung zwar den Konflikt propagandistisch ausbeutet und damit den Nationalismus und den Glauben anspricht, aber stets versichert, es handele sich nur um psychologische Kriegstaktiken, da die USA wegen der Kriege im Irak und in Afghanistan gar nicht die Kapazitäten hätten, den Iran anzugreifen.

Allerdings hat das iranische Militär schon eine ganze Reihe von Militärübungen veranstaltet, in denen sie auch neue Waffen und Raketen gestestet und den möglichen Gegnern vorgeführt haben. Seit Montag führen die Revolutionären Garden wieder ein landesweites, dreitätiges Manöver aus. Geübt wurde am zweiten Tag die Verteidigung gegenüber einem simulierten Luftangriff mit Bombern, Kampfflugzeugen, Raketen und Hubschraubern.

Ächten wie Sklaverei oder Völkermord

Mohammed ElBaradei, der Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), machte am Montag in einem Vortrag an der London School of Economics die britische Regierung darauf aufmerksam, dass sie nicht andere Länder glaubhaft und begründet davon abhalten könne, Atomwaffen zu erwerben, wenn sie selbst ihre Atomwaffen modernisieren will (Alles ist möglich).

Man sage diesen Ländern, es sei nicht gut, sich mit Atomwaffen aufzurüsten, weil dies nicht die Sicherheit erhöhe, während sie gleichzeitig sehen, wenn sie die "big boys" beobachten, dass diese sich zunehmend auf Atomwaffen zur Sicherung verlassen und diese modernisieren. Überdies sei es unfair, dass nun neun Länder, die bereits Atomwaffen entwickelt haben, ihr Monopol sichern wollen. Man könne nicht erwarten, dass dieses System von "haves and have nots" dauerhaft sein könne:

Wie soll ich zu dem Land X gehen und sagen, "Ihr sollt eure Verpflichtung einhalten, keine Atomwaffen zu entwickeln", wenn die großen Mächte keine Fortschritte in ihren Abrüstungsverpflichtungen machen.

Genau dies ist auch der Knackpunkt im Konflikt mit dem Iran. Neben den fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, die früh genug Atomwaffen erworben haben und über 12.000 Atombomben verfügen, gibt es weitere vier Länder (Indien, Pakistan, Israel, Nordkorea), die sich die entsprechende Technik beschaffen konnten. Sie haben – im Gegensatz zu Iran - den Atomwaffensperrvertrag nicht unterschrieben oder sind wie Nordkorea aus ihm ausgetreten. Mit den zunehmenden Spannungen zwischen den atomar gerüsteten Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates und den Lücken im Atomwaffensperrvertrag ist die – zeitlich nicht befristete – Abrüstungsverpflichtung eine Schimäre, zumal die Atomstaaten, die dem Atomwaffensperrvertrag nicht beigetreten sind, nicht mitmachen werden. Das Atom-Abkommen zwischen den USA und Indien, das Indien als Atomwaffenmacht anerkennt, hat die Situation nicht vereinfacht.

Wenn daher einem Land wie Iran, das sogar dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten ist, der auch die Urananreicherung zu zivilen Zwecken mit entsprechenden Inspektionen ausdrücklich ermöglicht, diese verwehrt werden soll, weil damit in der Tat prinzipiell auch Material für Atomwaffen hergestellt werden kann, dann ist dies nicht vermittelbar und vernünftig begründbar, sondern willkürlich. Wenn nur Druck auf einen Staat ausgeübt wird und die "haves" sich nicht bewegen, dann mag mit ausreichendem Druck möglicherweise dieses Problem ohne militärische Intervention gelöst werden. Man wird aber nur warten müssen, bis woanders derselbe Konflikt aufbricht oder ein weiteres Land heimlich sich Atomwaffen beschafft. Insofern hat ElBaradei ebenso Recht, wie seine Forderung verpuffen wird:

Wir müssen Atomwaffen wie Sklaverei oder Völkermord behandeln. Es muss ein Tabu geben, sie zu besitzen.