Islamischer Staat auf dem Vormarsch in Syrien
Die Islamisten gehen weiter mit großer Grausamkeit vor, zerstören im Furor der religiösen Säuberung Heiligtümer und versuchen Ölfelder einzunehmen und zu verteidigen, um ihr Einkommen zu verbessern
Während die Hamas und Israel nach dem Waffenstillstand erst einmal wieder die Kämpfe aufgenommen haben, aber die Hamas nun einen 24stündigen neuen Waffenstillstand einhalten will, und auch in der Ostukraine schwere Artilleriegefechte zwischen den Separatisten und den ukrainischen Truppen stattfinden, konsolidiert der Islamische Staat (IS), der über gute Finanzen verfügt (Der Terrorkonzern), seinen Einflussbereich in Syrien und im Irak. Der Islamische Staat ist keine nationalistische oder Befreiungsbewegung, sondern eine internationale Terrorgruppe mit Zulauf aus der ganzen Welt, die einen transnationalen, auf dem salafistischen Islam beruhenden Gottesstaat errichten will. Angeblich verfügt der Islamische Staat bereits über Drohnen, um die Stellungen der Soldaten auszumachen und sie zu bombardieren.
Da der Islamische Staat noch mit lokalen Kräften kooperiert, die jeweils gegen die Zentralregierung kämpfen, konnte er sein Territorium erweitern und kontrolliert vor allem große Gebiete an der Grenze zwischen Syrien und dem Irak, aber auch zur Türkei, die ihm Rückzugs- und Nachschubmöglichkeiten bieten. Mit der Einnahme von Ölfeldern und dem Verkauf von Öl auf dem Schwarzmarkt hat sich der Islamische Staat zudem neben anderen erzwungenen Abgaben eine solide Finanzierungsquelle aufgetan. Mit der Einnahme von Städten und Stützpunkten versorgt man sich auch mit schweren Waffen.
Am Freitag haben die Kämpfer einen der letzten Stützpunkte des Assad-Regimes im Nordosten Syriens in der Nähe von Rakka ganz oder teilweise eingenommen. Dutzende Soldaten der 17. Division wurden getötet, der Rest flüchtete in umliegende Dörfer und den nächsten Stützpunkt. Wen die Kämpfer von IS lebendig antrafen, wurde exekutiert oder geköpft. Für die gnadenlosen Gotteskrieger zählt weder Moral noch internationales Kriegsrecht, mit modernen Waffen werden archaische Schlachten geschlagen und Riten praktiziert. Damit ist klar, dass zumindest auf Seiten von IS nun auch der Krieg gegen das Assad-Regime aufgenommen wird. Das hatte die radikalen Islamisten zeitweise als Gegengewicht gegen andere Aufständische und als "Beleg" dafür gewähren lassen, dass man ja schließlich auch wie der Westen gegen al-Qaida kämpfe.
Die Einnahme des Stützpunkts, fortlaufend dokumentiert durch Bilder, wurde vom Islamischen Staat wie immer mit Propaganda und brutaler Gewalt gefeiert. So wurden nach der Eroberung schnell Fotos aus dem Inneren des Stützpunktes über das Internet verbreitet, die den Sieg beweisen sollen. Bilder von exekutierten und geköpften syrischen Soldaten zeigen wie üblich die wilde Entschlossenheit und Grausamkeit der Dschihadisten, die Angst und Schrecken verbreiten sollen, aber sicher auch der Rekrutierung dienen, um junge Menschen aus der ganzen Welt das blutige Abenteuerspiel der neuen Barbaren schmackhaft zu machen. Der Islamische Staat sieht sich nicht nur in einem Heiligen Krieg, sondern verbreitet auch die von den Salafisten gewohnte Märtyrerideologie. Da sich die meist jungen Männer entsprechend in Selbstmordkommandos verheizen lassen, können sie auch Erfolge erzielen. Der Stützpunkt konnte mit der Hilfe von zwei Selbstmordattentätern, die sich an verschiedenen Eingängen in die Luft sprengten, eingenommen werden.
Während des Wochenendes wurden auch weitere Dörfer und Städte vom Islamischen Staat eigenommen. So eroberten die Islamisten östlich von Aleppo einige Dörfer, mehrere islamistische Gruppen in Aleppo haben sich angesichts der zunehmenden Macht von IS zu der Gruppe Jabhat Ansar al-Din zusammengeschlossen, die sich als unabhängig bezeichnet. Regierungstruppen haben das von IS vor zwei Wochen eroberte Ölfeld al Shaer in der Provinz Homs angegriffen, wo die Islamisten mehr als 270 Angestellte getötet hatten. Offenbar konnten die IS-Islamisten den Angriff abwehren. In Hasaka griff hingegen der Islamische Staat den Stützpunkt der 121. Division an und konnte auch bei Qamishli an der türkischen Grenze Erfolge gegen die syrischen Truppen erzielen. Während der Islamische Staat den Nordosten Syriens also vollständig kontrollieren will, zerlegen sich die anderen aufständischen Gruppen weiter. So gehen die mit IS konkurrierenden al-Nusra Islamisten bei Idlib gegen die Reste der Freien Syrischen Armee vor, der vorgeworfen wird, amerikanischen Interessen zu dienen.
Auch im Irak scheint sich der Islamische Staat gegen die durch schiitische Milizen verstärkten Regierungstruppen halten zu können. Hier wird in den kontrollierten Gebieten die Durchsetzung der Scharia und eine religiöse Säuberung betrieben. Aus Mosul wurden die Christen vertrieben - die Islamisten sagen, die Christen hätten es vorgezogen zu gehen - und Kirchen zerstört, der Furor der islamistischen Horden richtet sich aber auch gegen Heiligtümer der Sufis und vor allem der Schiiten. In Kirkuk wurde der Schrein von Sheikh Salih gesprengt. Am Freitag wurde in Mosul das Grabmal von Nabi Junus (Prophet Jonas) zerstört, am Tag darauf sprengten die Islamisten den Schrein von Nabi Schit (Prophet Seth), was sie auch auf einem Video festhielten. Zudem wurde eine Marienkirche dem Erdboden gleichgemacht.
Offenbar wegen des Protests der Anwohner verzichteten die Bilderstürmer des Islamischen Staats auf die Zerstörung des al-Hadba-Minaretts, das wegen seiner Krümmung zum Wahrzeichen der Großen Moschee geworden war. Die Verehrung von Schreinen und Grabmalen ist für die Salafisten Götzenverehrung, zudem darf nur Mohammed verehrt werden. An Kultur ist man nicht interessiert, man folgt dem destruktiven Geist der totalen Säuberung für den geplanten Gottesstaat.
Im Irak versucht der Islamische Staat weiterhin das Badschi-Ölfeld nördlich von Tikrit einzunehmen. Der Angriff auf die Raffinerie scheint von den Regierungstruppen mit Luftunterstützung zurückgeschlagen worden zu sein. Bei einem Luftangriff auf einen IS-Konvoi sollen viele Islamisten ums Leben gekommen sein. Die von IS kontrollierte Stadt Falludscha wird offenbar von den irakischen Streitkräften bombardiert. Kämpfe finden auch zwischen den kurdischen Peshmerga und IS statt. Beide Gruppen versuchen das von ihnen beanspruchte Territorium zu sichern bzw. zu vergrößern.
Allerdings arbeiten Kurden und IS zusammen beim Verkauf von syrischem und irakischem Öl, das in die kurdische Region geliefert und von dort aus ins Ausland verkauft wird. Um dem Islamischen Staat den Geldhahn zuzudrehen, setzt Washington Unternehmen und Regierung unter Druck, kein Öl mehr von der kurdischen Regionalregierung zu kaufen. Da allerdings die Kurden enge Verbündete der USA sind und die Autonome Region Kurdistan zudem seit langem Jahren stabil ist, scheut die US-Regierung davor zurück, US-Unternehmen den Kauf von kurdischem Öl zu verbieten. Die Kurden werden benötigt, um die Zentralregierung noch zu halten, auch wenn sie sich mit einer Volksbefragung aus dem Irak lösen wollen, was aber zur Folgen haben dürfte, dass die staatliche Ordnung in der Region noch schneller zusammenbricht, da Kurden auch in Syrien, in der Türkei und im Iran leben. Seit Jahren gibt es bereits einen Konflikt zwischen der Zentralregierung und der kurdischen Region über das Öl. Die Autonome Region Kurdistan will Bagdad nicht an den Einnahmen der Ölverkäufe beteiligen und erhebt Anspruch auf die Ölfelder um die Stadt Kirkuk. Nach dem Siegeszug von IS sind die Kurden schnell in Kirkuk eingerückt, um auch hier die Kontrolle auszuüben.
Die Zentralregierung hat damit gedroht, jeden strafrechtlich zu verfolgen, der kurdisches Öl kauft. Carlos Pascual, der Leiter des Energiebüros des US-Außenministeriums, machte kürzlich erneut deutlich, dass die USA auf eine Einigung zwischen Bagdad und Erbil dringen, da mit den Einnahmen aus den Ölverkäufen die Entwicklung im ganzen Irak gefördert werden kann. Ohne Einigung werde der Konflikt schärfer werden, aber der absehbare Zerfall Iraks und Syriens werden diese Auseinandersetzungen noch einmal auf eine andere Grundlage stellen. Es sei denn, dass der Islamische Staat es schafft, dass die Zentralregierungen in Syrien und im Irak letztlich gestärkt aus dem Konflikt hervorgehen.