Israel-Iran-Konflikt und die Rolle der USA: Erwünschte Eskalation?

Seite 2: Der neue Imperialismus Irans und der Dritte Weltkrieg

In der Debatte um den Konflikt zwischen Iran und Israel entspinnt sich auch hierzulande ein Narrativ, das an die Rahmenerzählung der Ukraine-Krise erinnert.

So veröffentlichte das Handelsblatt erst am vergangenen Freitag einen Artikel mit dem Titel "Das Mullah-Regime: Die neue imperiale Bedrohung".

Narrative der Neocons und AIPAC

Diese Erzählung deckt sich im Wesentlichen mit den Darstellungen der US-amerikanischen Neocons und der Figur des "Revisionismus", wie sie etwa vom Council-on-Foreign-Relations-Magazin Foreign Affairs als Warnsignal für einen Dritten Weltkrieg bemüht wird.

Der US-Politologe John Mearsheimer definiert "Revisionismus" als eine Strategie von Staaten, die "darauf abzielt, das Gleichgewicht der Kräfte durch Frieden oder Krieg zu ihren Gunsten zu verändern oder zu modifizieren".

Dass die Neocons und Vertreter dessen, was Mearsheimer die "Israel-Lobby" nennt, diesen Revisionismus gegenüber der US-Regierung derzeit als direkte Bedrohung der sogenannten regelbasierten Weltordnung unter Leitung der USA ins Feld führen, wurde erst vor Kurzem in einer Anhörung vor dem US-Kongress deutlich.

Gehört wurde Dana Stroul vom Washington Institute for Near East Policy, das vom American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) gegründet wurde – laut Mearsheimer ein "Teil des Kerns" der "Israel-Lobby". Stroul trägt dem US-Kongress am 17. April zum Thema Iran-Russland Folgendes vor:

Russland und Iran unterzeichneten 2001, also lange vor der Invasion in der Ukraine, ein strategisches Abkommen mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren. Kürzlich schlossen die beiden Länder eine Absichtserklärung zur Aktualisierung dieses Abkommens.

Heute tragen die nichtmilitärischen Aspekte dieser Beziehung Früchte: Russland ist der größte ausländische Investor im Iran; Moskau nutzt die Islamische Republik als Lagerstätte für russisches Öl; es bestehen direkte Verbindungen zwischen den Bankensystemen der beiden Länder; staatliche Energieunternehmen schließen Vereinbarungen zur Erschließung der iranischen Erdöl- und Erdgasfelder ab; und beide Länder arbeiten an der Modernisierung der Infrastruktur und der Intensivierung des Handels.

Das Risiko besteht darin, dass diese sich vertiefenden Energie-, Handels-, Infrastruktur- und Verteidigungsbeziehungen die Widerstandsfähigkeit des Irans, Russlands, Chinas und anderer - ein- und mehrseitig - stärken, um die regelbasierte internationale Ordnung herauszufordern und umzugestalten. Die Vereinigten Staaten profitieren von dieser Ordnung.

Dana Stroul

Wasser auf die Mühlen Strolls dürfte die kürzlich von iranischer Seite mit Genugtuung geäußerte Einschätzung sein, dass der angeblich doch nicht so folgenlose Angriff auf Israel die "Unverwundbarkeit" des Staates offengelegt habe, auf der er seine Dominanz in der Region aufgebaut habe.

Die Achse Iran-Russland

Besonders interessant ist, dass Stroul die Vertreter der US-Regierung offenbar mit dem Argument überzeugen will, dass die Achse Iran-Russland nicht nur die politische Hegemonie der USA bedroht, sondern auch die US-Vormachtstellung auf dem Rüstungsmarkt:

Die militärische Zusammenarbeit zwischen Russland und dem Iran und der Austausch von Verteidigungstechnologie stellt eine Herausforderung für die Sicherheit von Verteidigungsgütern US-amerikanischer Herkunft dar, die an Partner in aller Welt geliefert werden.

(...)

Russland und der Iran nutzen die Ukraine und den Nahen Osten gemeinsam als Laboratorien auf dem Schlachtfeld, um ihre Waffen zu verbessern und Techniken zu entwickeln, mit denen sie die Verteidigungssysteme der USA und ihrer Verbündeten überwinden und Offensivfähigkeiten ausschalten können.

Dana Stroul

Das inzwischen in Israel verbotene und unverstellt Islam-freundliche Nachrichtenmedium Al Jazeera behauptete 2015, dass weniger ein Interesse an den Bodenschätzen des Landes mit den viertgrößten Erdöl-Reserven den entscheidenden Ausschlag für das anhaltende Konfliktgebaren der USA gegeben habe, sondern die kontinuierliche Aufrüstung, die damit verbunden ist:

Seit 2002 hat das US-Verteidigungsministerium rund 100 Milliarden Dollar für die Raketenabwehr ausgegeben, von denen der größte Teil direkt an die wichtigsten verbündeten Militärfirmen geht. Dieser Geldsegen beruht weitgehend auf der Annahme, dass der Iran die USA und ihre Verbündeten mit ballistischen Raketen bedrohen will.

Doch für die US-Rüstungsindustrie steht ein noch größerer Geldsegen auf dem Spiel. Saudi-Arabien und andere Golfregime, die der Anti-Iran-Allianz angehören, haben jahrelang viel Geld in die Kassen der Rüstungsunternehmen des Pentagons gespült.

Ein 2010 erstmals angekündigter Deal mit Saudi-Arabien über Kampfflugzeuge und Raketenabwehrtechnologie sollte über zwei Jahrzehnte 100 bis 150 Milliarden Dollar an Beschaffungs- und Dienstleistungsverträgen einbringen.

Und dieser Tsunami von Geld aus der Golfregion hängt davon ab, dass der Iran als militärische Bedrohung für die gesamte Region identifiziert wird.

Al Jazeera

Ob diese Einschätzung so zutrifft, vermag der Autor an dieser Stelle nicht abschließend zu beurteilen.

Vielleicht ist die Entscheidung kundigeren Lesern vorbehalten.