Israel und die US-Außenpolitik

US-Präsident Bush soll Colin Powell wegen Differenzen in der Politik gegenüber Israel entlassen haben

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Man hatte erwarten können, dass Colin Powell, der im Bush-Kabinett ein wenig als Außenseiter erschien, mit der Neuwahl als Außenminister abtreten oder entlassen werden würde. Er soll sich gegen den Irak-Krieg ausgesprochen und eher für einen diplomatischeren Umgang ausgesprochen haben. Aber das mag auch einfach aus seinem Amt erwachsen sein. Gleich ob er nun Falke war oder nicht, so hat ihn offensichtlich sein mit falschen "Beweisen" gegen den Irak gespickter UN-Auftritt nachträglich verärgert. Angeblich soll Powell aufgrund von politischen Meinungsverschiedenheiten mit dem wieder gewählten US-Präsidenten Bush zurück getreten sein.

Mit seiner bisherigen Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice dürfte Bush, wie vielfach kommentiert wurde, als neuer Außenministerin weniger Meinungsverschiedenheiten haben (Mit Süße ins Außenamt). Ob nun Rice zu wenig eigenständig oder eher das außenpolitische Sprachrohr von Bush ist, so scheinen beide eine Wellenlänge zu haben. Widersprüche und Ungereimtheiten dürften also noch weniger als mit dem Außenminister Powell auftauchen, der als Militär schon äußerst devot gegenüber seinem Oberkommandierenden war.

Überworfen soll sich Powell aber letztlich mit Bush in einer heiklen Sache haben, will der britische Telegraph erfahren haben. Der US-Präsident soll seinen Außenminister, dessen Rücktritt am 15. November verkündet wurde, bereits früher entlassen haben. Sein Rücktrittsschreiben ist auf den 11. November datiert. An diesem Tag soll er auch Bush getroffen und mit ihm über den Nahen Osten gesprochen haben. Er wollte angeblich größere Befugnis, Israel unter Druck zu setzen, um den Friedensprozess voranzutreiben.

Tatsächlich wäre wahrscheinlich der Irak leichter zu befrieden und der Konflikt mit Iran über sein Atomprogramm leichter zu lösen, wenn die US-Regierung es schaffen würde, eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts zu erreichen. Das hat Bush zwar vor dem Irak-Krieg versprochen, aber dann doch immer die Position der israelischen Regierung unterstützt, selbst wenn sie eigenen Absichten widersprach. Nach dem Rückzug der Russen aus Afghanistan ist der israelisch-palästinensische Konflikt wohl einer der primären Gründe für die Ausbildung des internationalen islamistischen Terrorismus gewesen. Tschetschenien, Kaschmir und andere regionale Konflikte trugen dazu bei, aber hatten und haben nicht dieses Gewicht, das die Allianz zwischen den USA und Israel in den Augen vieler muslimischen Menschen besitzt. Für eine Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens wäre daher das Verhältnis von Israel zu Palästina zentral. Und das gilt natürlich auch für das Problem der Massenvernichtungswaffen, vor allem für Nuklearwaffen, da Israel die einzige Atommacht der Region ist.

Wie der Telegraph von Informanten aus dem Weißen Haus erfahren haben will, sei Powell nach seinem Treffen mit Bush nicht gebeten worden, sein Amt weiter zu führen. Das sei vor allem auf Meinungsverschiedenheiten im Hinblick auf die Politik gegenüber Israel zurück zu führen. Angeblich sollen auch Dick Cheney und sein Vertrauter im Außenministerium, John Bolton, sich bei Bush für Powells Entlassung stark gemacht haben. Beide seien für eine Konfrontation mit dem Iran und gegen eine diplomatische Lösung, wie sie die Regierungen von Deutschland, Frankreich und Großbritannien suchen würden. Powell aber würde eher diesem Ansatz zuneigen. Dass Bush eher der harten außenpolitischen Position zugewandt ist, zeigt sich vermutlich daran, dass Bolton auch unter Rice der Vizeaußenminister bleiben wird.

Allerdings ist mit dem Tod von Arafat, der just mit der Entlassung von Powell geschehen ist, eine Möglichkeit eingetreten, den Friedensprozess voranzutreiben. Das könnte die Chance von Bush und Rice sein, in dieser Region ganz anders als bisher aufzutreten und tatsächlich einen weltgeschichtlichen Konfliktherd zu entschärfen. Allerdings muss nun die ersten Schritte noch Powell machen, der gerade nach Israel geflogen ist. Für die US-Regierung - und damit auch für Rice - wäre eine friedlich verlaufende Wahl der palästinensischen Autonomiebehörde und eine demokratisch legitimierte Regierung zusammen mit einer verhandlungsbereiten israelischen Regierung, die alle Truppen aus dem Westjordanland zurückzieht, eine einmalige Chance. Das trifft für alle beteiligten in der Region zu, natürlich auch für die Scharon-Regierung und für die Palästinenser.

Der Oberserver berichtet allerdings, dass im Pentagon derzeit auf eine andere harte Strategie gegenüber dem Iran umgesattelt werde, was wiederum die Jerusalem Post ausbaut. Da die Zerstörung der iranischen Atomanlagen durch israelische oder US-amerikanische Luftschläge schwierig sei, weil man nicht genau wisse, wo die möglichen Produktionsorte für Atomwaffen sich befinden, würde man nun eher auf Regime-Veränderung setzen. Das schließe auch Angriffe auf die politische Führung im Sinne der von der US-Strategie auch im Krieg gegen den Terrorismus und den Irak verfolgten Enthauptungsstrategie ein. Sollten Israel oder die USA gegen den Iran militärisch vorgehen, würden sie wohl jeden Kredit verspielen, den sie im israelisch-palästinensischen Konflikt gewinnen können.