Ist das Referendum am Sonntag legitim?

Tsipras will es, die Eurozone wartet ab, es drohen Neuwahlen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Obgleich der griechische Ministerpräsident Tsipras am 30. Juni noch einen Brief an die Institutionen geschickt hat, um unter Berücksichtigung bestimmter Forderungen einen ESM-Kredit zu beantragen, ist er weiter nicht bereit, sich den Bedingungen der Institutionen zu unterwerfen. Er machte gestern klar, dass er am Referendum über das eigentlich sowieso nicht mehr gültige Sparpaket zur Verlängerung des zweiten "Rettungsprogramms" festhält und weiterhin für eine Ablehnung plädiert.

Die Frage ist, welche Folgen das Referendum haben wird, das am Sonntag stattfinden soll. Tsipras hat damit das Schicksal seiner Regierung verbunden, der Widerstand gegen seine Politik wächst, seitdem die Auszahlungen der Banken begrenzt wurden. Die Euro-Finanzminister wollen vor weiteren Entscheidungen erst einmal das Ergebnis der Abstimmung in dem Land abwarten, das nun zahlungsunfähig geworden ist, weil die Zahlung an den IWF nicht erfolgt und das zweite Rettungsprogramm beendet ist. Bundeskanzlerin Merkel plädierte ebenfalls gegenüber Frankreich fürs Abwarten, sagte aber: "Die Tür für Verhandlungen war immer offen und bleibt immer offen."

Es wird erwartet, dass eine knappe Mehrheit der Griechen für ein Nein und damit für Syriza stimmen wird. Allerdings ist umstritten, ob das Referendum überhaupt rechtmäßig sein wird. Der Generalsekretär des Europarats, Thorbjorn Jagland, hat schon einmal darauf hingewiesen, dass normalerweise nach internationalen Maßstäben zwei Wochen Zeit sein müsste zwischen der Ankündigung und der Durchführung einer Volksabstimmung, um eine Diskussion zu ermöglichen. Das Referendum sei zu kurzfristig angekündigt worden, zudem seien die Fragen nicht klar, sagte er.

Gut möglich also, dass die Strategie der griechischen Regierung und der Eurozonen-Länder, sich mit dem Referendum Zeit zu kaufen und Legitimation zu erhalten, gar nicht funktioniert, wenn es nicht rechtlich anerkannt wird. Was geschieht, wenn eine Mehrheit mit Ja antworten wird? Angeblich will die Regierung dann zurücktreten und Neuwahlen durchführen. Auch das würde eine weitere Verlängerung der Krise bedeuten. Völlig offen ist, ob bei Neuwahlen die von den Institutionen gewünschten Parteien gewinnen würden, also ob der Regime Change gelingt, mit dem die Linken von der Macht verdrängt werden. Die harte Haltung von Merkel und Co. richtet sich nicht zuletzt gegen eine unerwünschte linke Regierung, während konservative Regierungen wie in Irland, Portugal und Spanien, selbst wenn sie hoch korrupt sind, unterstützt werden. Eine Neuwahl könnte freilich auch den nationalistischen Rechtsextremen in die Hände spielen. Aber es scheint so, dass dies den in der EU vorherrschenden Kräften weniger schlimm erscheint als eine Linke, die nicht mitspielt und neue Regeln fordert.