Ist der Dieselmotor nach dem VW-Skandal das Problem?

Seite 2: Warum ein Abgasskandal und kein Verbrauchsskandal?

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Aber warum erzähle ich das? Ich wollte doch Bezug auf die aktuelle VW-Krise nehmen. Und was sollte diese Krise mit der Energieproblematik zu tun haben, wenn doch VW nachweislich die Konsumenten betrogen hat, indem Steuergeräte so programmiert wurden, dass sich der Antrieb in Testsituationen anders verhält, als im realen Betrieb.

Manche erachten den Skandal gar als Schlag zur Schwächung Deutschlands, wofür es wie bei allen anderen denkbaren Motiven freilich keine konkreten Hinweise gibt. Bemerkenswert ist am Rande auch, wie sich gegenwärtig bei VW auf oberster Ebene das Personalkarussell dreht, ohne dass die Mehrheitseigner darauf noch merklich Einfluss zu haben scheinen. Wessen Liebling wird am Ende die neue VW-Führung sein und welchen Interessen wird sie dienen?

Ein weiterer Aspekt lässt sich ebenso wenig direkt mit dem Skandal in Verbindung bringen. Bemerkenswert ist jedoch die Art, in welcher die Presse ihn ohne direkte Verbindung zum eigentlichen Skandal hervorhebt: Es ist die Bewertung des Dieselmotors an sich.

Es war zuletzt in den frühen Jahren dieses Jahrtausends, als der Diesel in noch stärkerem Maße unter Beschuss stand, weil er Feinstaub produzierte. Auch damals war die Kritik nach allem, was ich weiß, durchaus berechtigt, denn erst kurz zuvor hatte die Automobilindustrie durch Einführung von Hochdruck-Einspritzsystemen bei bis zu 2.000 Bar (Pumpe-Düse und Common Rail) den Siegeszug des Direkteinspritzers bei PKW eingeläutet und die Verbesserung weiterer Eigenschaften einschließlich reduzierter Abgasgifte ermöglicht. Nur verursachten die hohen Drücke leider besonders kleine lungengängige und krebserregende Partikel. Die Kritik brachte somit erfreulicherweise den Rußfilter hervor.

Leider bestand auch damals der Eindruck, die Dieselkrise hätte nebenbei das Ziel gehabt, die 1999 in den Markt gebrachten 3-Liter-Autos aus demselben wieder zu entfernen. Tatsächlich verschwanden danach sämtliche mit Dieselmotor ausgestatteten Sub-Mini-PKW wieder vom Markt. Deren Image war erheblich angekratzt, weil sie eben alle rußten. Das ging so weit, dass eine namhafte Umweltorganisation auf der IAA 1999 Ferdinand Piech und Jürgen Schrempp nackt dargestellt hatte und ohne Nennung sinnvoller Gründe ausgerechnet deren 3-Liter-Autos als "Feigenblätter" bezeichneten. Weiterhin wurde ihnen schlechtes Design attestiert und ein vermeintlich zu hoher Verkaufspreis hat sich bis heute in den Köpfen der meisten Menschen als Hinderungsgrund für die Fortsetzung der Entwicklung zu wirklich sparsamen Modellen in Erinnerung gehalten.

Bemerkenswert ist, dass alle größeren Diesel-PKW einschließlich SUVs und Minivans irgendwie von der damaligen Öko-Diesel-Diskussion ziemlich unbehelligt blieben und weiterhin stolz ihre (relative) Genügsamkeit hervorhoben. Der hohe Verkaufspreis relativiert sich heute ebenfalls im Vergleich zu den Kosten von Elektroautos und Hybridantrieben, welche die medialen Musterknaben sind.

Heute ist die pure Antriebstechnik der damaligen 3-Liter-Autos Stand der Technik und wird praktisch identisch oder weiter verbessert in jedem Diesel-PKW verbaut. Etwa 80% aller Autohersteller haben in ihrem Programm einen so genannten "Sub-Mini", sprich einen PKW mit etwas mehr als 800 kg Gewicht. All diese Autohersteller haben im Programm ferner einen kleinen Dieselmotor mit beispielsweise zwei oder drei Zylindern und deutlich unter 100 PS.

Jeder dieser Autohersteller würde das gegenwärtig sparsamste vollwertige Auto weltweit produzieren, würde er die bereits produzierte Karosserie mit dem bereits produzierten Diesel kombinieren. Der Imagegewinn müsste eigentlich enorm sein, zumindest so groß, dass sich die "Entwicklungskosten" für diese Kombination auch ohne entsprechende Umsätze lohnen sollten. Lässt sich die Tatsache, dass es dennoch keinen Diesel-Sub-Mini bzw. kein 3-Liter-Auto mehr gibt, damit erklären, dass sich niemand für solche Autos interessieren würde? Oder anders gefragt: Wer müsste sich für diese Autos interessieren, damit sie dem Autohersteller Erfolg bringen würden?

Es sind ganz klar in erster Linie Medien, die aus einem guten Auto eine gute Story zaubern würden. In zweiter Linie wären es Botschafter wie bekannte Personen oder Organisationen mit gutem Image. Diese Player hatten sich im Falle des 3-Liter-Autos jedenfalls nicht oder nicht in ausreichender Zahl positiv hervorgetan. Das gute Image blieb dem 3-Liter-Auto verwehrt und das müssen wohl heute alle Autohersteller wissen, weswegen sie sich nicht mehr an so ein Auto trauen. Nebenbei könnte ein Sub-Mini-Diesel heute unter 12.000 Euro angeboten werden, wenn man sich die Preise anderer Sub-Minis und anderer größerer Diesel quer rechnet.

Aber was hat die Beobachtung von damals mit dem gegenwärtigen Abgasskandal zu tun? Schon von Anfang an wurde über diverse Medien nach dem Abgasskandal verbreitet, dass Autohersteller, die bislang weniger auf den Diesel gesetzt hätten, auch von den Folgen dieses Skandals weniger betroffen gewesen wären. Dabei ist diese Schlussfolgerung eigentlich nicht logisch, produzieren doch gleichzeitig viele Autohersteller ebenfalls dieselbetriebene PKW, welche jedoch von dem Skandal offenbar nicht erfasst worden waren.

Wirklich interessant wurde es aber erst am letzten Wochenende, als VW in einer Krisensitzung einen radikalen Schwenk weg vom Diesel und hin zu Elektrofahrzeugen und Hybriden versprach. Die interessante Frage lautet: Ist dieses Versprechen zur Beruhigung von potentiellen Kunden erforderlich, oder zur Beruhigung der Presse oder anderer Interessengruppen? Was hat dieses Versprechen mit dem Skandal zu tun?

In einem lesenswerten Artikel der Welt zu dieser Krisensitzung wird nun ganz offensichtlich der Dieselmotor an sich als das eigentliche Problem herausgestrichen. Das Problem der Manipulationskrise lässt sich demzufolge nicht durch Unterlassung von Manipulationen lösen, sondern der Dieselmotor muss abgeschafft werden? Kann das die richtige Konsequenz aus dem Skandal sein?

Besagter Artikel verrät auch noch weitere interessante Bewertungen: Eine Studie "Diesel-Debatte - zeitweiser Schock oder Paradigmenwechsel" aus dem Hause Roland Berger, welche der "Welt" vorab vorliegt, sieht einen nahezu vollständigen Rückzug des Diesels aus dem Kleinwagensegment, wohingegen er den oberen Klassen eventuell länger vorbehalten bleibt. Kostenvorteile seien der Grund für diesen Rückzug.

Diese Entwicklung ist tatsächlich seit einigen Jahren im Gange. Ganz konkret war die Einführung von Euro 5 und insbesondere von Euro 6 maßgeblich für den Rückzug des Diesels aus den unteren Fahrzeugsegmenten, auch für das vollständige Verschwinden des Diesels aus dem Sub-Mini-Segment verantwortlich, weil die in diesen Normen geforderten Werte ohne aufwändige Harnstoff-Injektions-Systeme nicht zu erreichen waren. Mitsubishi präsentierte noch ein niedrig verdichtetes System, welches ohne Harnstoff auskam, ich weiß nicht, warum diese Technologie sich nicht weiter verbreitete.

Der Abgaswert, der die aufwändigen Maßnahmen erfordert, sind ausschließlich die Stickoxyde, welche beim Diesel etwas höher liegen als beim Benziner. Es ist allgemein bekannt, dass die Menge der emittierten Stickoxyde in erster Linie mit der Effizienz von Motoren zusammenhängt. Weniger effiziente Motoren erreichen somit deutlich niedrigere NOx ("Stickoxyd")-Werte als effizientere. Auch die unter Euro 4 ohne aufwendige Maßnahmen erreichbaren NOx-Werte lagen bereits bei einem Bruchteil der früheren NOx-Werte von Dieseln, was unter anderem auch an der Errungenschaft der Hochdruck-Einspritzungstechnologie "Common Rail" zu verdanken war.

Wer demnach die NOx-Werte weiter drücken wollte, als es durch Euro 4 möglich war, der muss entweder bereit sein, den Diesel in Kleinfahrzeugen zu fördern oder er muss eine faktische Verbrauchserhöhung und Klimabelastung in Kauf nehmen. Letzteres ist offenkundig der gewählte Weg.

Der Ruß, welcher nach dem Jahr 2000 das Image des Diesels trübte und welcher auch heute noch in der Vorstellung der meisten Bürger das eigentliche Problem des Diesels sei, der ist es heute nicht mehr. Ruß emittieren heute benzingetriebene PKW in erheblich größeren Mengen als die Diesel, weil sie mittlerweile auch mit Direkteinspritzung ausgestattet werden, aber im Gegensatz zum Diesel keinen Rußfilter verpasst bekommen haben.

Eine öffentliche Debatte über die negativen Folgen eventuell überzogener Abgasvorschriften im Falle des Diesels hat nicht stattgefunden und sie findet auch angesichts des VW-Skandals auch nicht statt. Überhaupt stellt sich dem aufmerksamen Beobachter der gesamten Nachhaltigkeitsdiskussion" immer wieder die Frage, was denn die eigentlichen Ziele derselben sind. Schließlich hat der gesamte Durchschnittsverbrauch um Schummeleien bereinigt in den letzten Jahren nicht wirklich abgenommen. Die Autos wurden größer und erheblich stärker, was motorenseitige Effizienzsteigerungen im Resultat unwirksam machte.

Den Gipfel des Betrugs stellen seit langem bekannte Methoden der Autohersteller zu den Verbrauchsangaben genau nach demselben Prinzip wie bei den Abgasschummeleien bei VW dar. Laut Deutscher Umwelthilfe reagieren im Falle der Verbrauchsmessung Motorsteuergeräte auf die Testsituation und machen genau das, was die VW-Diesel im Falle der Abgasmessungen taten, sie stellen einen besonderen Modus ein, den man den Autofahrern im Alltag so nicht zumuten wollte.

Experten sind also seit Jahren über genau dieselbe Dimension des Betrugs eingeweiht und hätten leicht die Chance gehabt, diesen Betrug durch entsprechende Tests ebenfalls auffliegen zu lassen. Es ist die Rede davon, dass PKW einiger Hersteller in der Realität bis zu 40% mehr Sprit verbrauchen, als bei den Tests ermittelt.

Kann man aus dieser Tatsache schließen, dass der Verbrauch die involvierten Institute weniger interessierte, als die NOx-Emissionen von Dieselmotoren eines einzigen Herstellers?