Journalismus im Pfingsturlaub

Seite 6: Suggestive Fotos aus dem Archiv

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Besondere Wirkmacht entfalteten bei der Berichterstattung die Bilder von der Protestaktion. Denn es gab keine! Erst bei der Festsetzung durch die Polizei war ein Lokalredakteur der Elbe-Jeetze-Zeitung vor Ort und machte ein paar Fotos (auf denen man vermummte Polizisten und eine Gruppe unvermummter, altersgemischter Personen sieht, die offenbar von der Polizei festgehalten werden).

In Ermangelung journalistischer Fotos, die etwas vom Geschehen hätten berichten können, griffen die Redaktionen zu irgendwelchen Illustrationsbildern: manche zeigen belanglos ein Polizeifahrzeug oder ein Polizeiwappen, Zeit-Online zeigte uns ohne jeden weiteren Bezug einen "Blick auf den Marktplatz von Hitzacker", viele zeigten aber irgendwelche vermummte Gestalten, teils Steine werfend, teils in Angriffsformation, als schwarzen Block auf einer Demo oder als Einzelpersonen.

All diese Bilder haben mit dem Ereignis in Hitzacker nichts zu tun, ihre gelegentliche Kennzeichnung als "Symbolbild" zeigt allenfalls, wie sich Redakteure das Szenario vorgestellt haben. Dabei sind die Aussagen der verwendeten Fotos eben keine "Symbolbilder" für die Berichterstattung, sondern falsche Behauptungen. Und selbst der kleine Versuch einer Distanzierung über den Begriff "Symbolbild" scheitert, wenn die Artikel in sozialen Medien weitergereicht werden. Beispiel Welt.de:

Solche Schlagzeilen versehen mit völlig falschen Bildern werden natürlich bei Twitter und Facebook weitergereicht und kommentiert - die Fakenews sind in der Welt, konstruiert von sogenannten Qualitätsmedien.

Unvollständigkeit oder: Die Geister, die ich rief

Wie bei allen Skandalisierungen wird größer über erste Mutmaßungen als über später erwiesene Haltlosigkeiten berichtet. Mit den ersten Meldungen ist die zentrale Botschaft gesetzt. Wem sie ins Weltbild passt, der lässt sich kaum noch korrigieren.

Wenn Medien später dann doch differenzierter berichten, erfahren das längst nicht all diejenigen, die zunächst mit falschen, einseitigen oder unvollständigen Informationen versorgt wurden. Updates und Korrekturen an Altbeiträgen im Internet sucht man bei den meisten Redaktionen vergeblich. Falsche Aussagen bleiben so aktuell, interessierte Kreise verlinken weiterhin darauf, die "Filterblase" steht.

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