K-Frage in der SPD: Pistorius statt Scholz – retten beliebte Kandidaten unbeliebte Parteien?

Verteidigungsminister Boris Pistorius.

Überzeugt als Person, während seine Partei "abschmiert": Verteidigungsminister Boris Pistorius. Foto: Shutterstock.com

Der Verteidigungsminister führt im Beliebtheits-Ranking. Münchens Oberbürgermeister würde Pistorius ins Rennen schicken. Was sagen Erfahrungswerte?

Die Unionsparteien haben diese Woche bereits ihren Kanzlerkandidaten bereits vorgestellt – und sich gegen den in Umfragen beliebteren CSU-Chef Markus Söder entschieden. Stattdessen geht CDU-Chef Friedrich Merz ins Rennen. Er liebt im INSA-Ranking der beliebtesten deutschen Politiker auf Platz vier – vor ihm Söder auf Platz zwei und der der CDU-Politiker und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst auf Platz drei.

Doch während die Unionsparteien insgesamt in Umfragen weit vor der SPD liegen führt das persönliche Beliebtheitsranking ein SPD-Politiker an: Verteidigungsminister Boris Pistorius.

Scholz in Beliebtheits-Ranking weit abgeschlagen

Der aktuelle Bundeskanzler Olaf Scholz liegt zwar weit abgeschlagen auf Platz 19, hat aber erst vor wenigen Tagen bekundet, dass er sich eine erneute Spitzenkandidatur für die SPD bestens vorstellen kann. "Auch Boris Pistorius will, wie viele andere, dass ich wieder als Kanzler antrete. Ich sehe das genauso", sagte Scholz Anfang September dem Tagesspiegel.

Allerdings gibt es auch prominente Stimmen innerhalb der SPD, die das offen in Frage stellen. Zum Beispiel der Oberbürgermeister der bayerischen Landeshauptstadt München, Dieter Reiter, der sich Anfang dieser Woche im Gespräch mit dem Tagesspiegel Pistorius als Kanzlerkandidaten wünschte.

Vorschlag: Verzicht zugunsten von Pistorius

Wenn jemand wie Boris Pistorius ein solches Ansehen hat, muss die SPD auch darüber nachdenken, ob er die beste Wahl für die Kanzlerkandidatur ist oder ob man mit dem amtierenden Bundeskanzler ins Rennen geht.

Dieter Reiter, Oberbürgermeister der bayerischen Landeshauptstadt München

Die "Initiative" müsste aber aus Reiters Sicht von Scholz selbst ausgehen. Der Kanzler schien am Dienstag zumindest nicht unglücklich darüber zu sein, dass sich die Unionsparteien für Merz entschieden haben. "Es ist mir recht", schmunzelte Scholz am Dienstag in die Kamera von Welt-TV, während in Online-Netzwerken Witze über das fehlende Charisma beider Politiker kursierten.

In einer Forsa-Umfrage erreichten die Unionsparteien aber zuletzt mit 31 Prozent gut die doppelten Zustimmungswerte der SPD, die nur bei 15 Prozent lag.

Beispiel Thüringen: Beliebter Spitzenkandidat rettet Partei nicht

Dass die Beliebtheit von Spitzenkandidaten im Zweifel nicht wahlentscheidend ist, hat zuletzt die Landtagswahl in Thüringen gezeigt: Eine Direktwahl des Ministerpräsidenten hätte laut Umfragen Bodo Ramelow (Die Linke) mit großem Abstand gegen Mario Voigt (CDU) und Björn Höcke (AfD) gewonnen. Die Partei des bisherigen Amtsinhabers erreichte aber am 1. September nur 13,1 Prozent, während die AfD auf 32,8 Prozent kam und die CDU 23,6 Prozent erreichte.

Beim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) war dagegen nicht ausschlaggebend, dass die prominente Namensgeberin gar nicht für ein Amt in Thüringen kandidierte – die neue Partei erreichte in dem Bundesland dennoch aus dem Stand 15,8 Prozent.

Merkel-Ära: Kanzlerin völlig losgelöst von Regierung?

Im Fall der Altkanzlerin und CDU-Politikerin Angela Merkel hatte der Kabarettist Volker Pispers allerdings festgestellt, dass laut einer legendären Umfrage zwar 70 Prozent die Kanzlerin gut fänden, aber auch 70 Prozent "die Regierung beschissen". Das seien wahrscheinlich auch dieselben 70 Prozent. "Die bringen die Merkel mit der Regierung gar nicht in Verbindung", so Pispers vor rund einem Jahrzehnt.

Obwohl Merkel ab 2015 von der AfD und dem rechten Flügel der Unionsparteien zur Hauptverantwortlichen der sogenannten Flüchtlingskrise stilisiert wurde, blieb sie noch Kanzlerin, bis sie 2021 nicht mehr kandidieren wollte. Der Koalitionspartner SPD konnte sich mit verschiedenen Gegenkandidaten vorher 16 Jahre lang nicht gegen "Mutti", wie Merkel teils abfällig, teils liebevoll genannt wurde, durchsetzen.