Kalifornien droht die Staatspleite - Weitere Staaten könnten folgen

Dem Bundesstaat fehlen bis Ende Oktober sieben Milliarden Dollar, die Finanzkrise erschwert dem sechstgrößten Wirtschaftsland der Welt die Aufnahme von kurzfristigen Krediten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Kalifornien steht vor der Pleite. Nachdem vor zwei Wochen der neue Haushalt ohne Steuererhöhung verabschiedet wurde, für die sich die Demokraten und schließlich auch Gouverneur Schwarzenegger stark gemacht hatten, fehlen nun bereits Milliarden. Grund sind fallende Steuereinnahmen durch die Finanzkrise, steigende Arbeitslosigkeit und das Problem, dass der Ausweg, kurzfristig Kredite zur Überbrückung der Finanzschwierigkeiten aufzunehmen, derzeit auch wegen der Kreditkrise nicht möglich ist.

Das gerade verabschiedete Budget, das bis Juni 2009 läuft, wurde bereits um eine Milliarde überzogen, Man geht davon aus, dass es noch mehrere Milliarden mehr werden. Manche gehen davon aus, dass sich ein Loch von 6-8 Milliarden zwischen Einnahme und Ausgaben auftun wird. Gerettet wurde der Haushalt sowieso nur durch viele Tricks wie vorgezogene Steuererhebungen, mit denen das Defizit von 24 Milliarden eher überdeckt, denn gelöst wurde.

Schuld sind aber vor allem die republikanischen Abgeordneten, die sich weigerten, einer Steuererhöhung von neun Milliarden zuzustimmen und die Entscheidung über den Haushalt 85 Tage lang verhinderten. Erhält Kalifornien nicht schnell sieben Milliarden an Krediten, so wird der Staat Ende Oktober zahlungsunfähig und muss Angestellte entlassen, Gehälter zurückhalten und Institutionen schließen. Schwarzenegger hatte sich bereits an Finanzminister Paulson gewandt und erklärt, dass er möglicherweise ein Notdarlehen in dieser Höhe erhalten müsse. Allerdings sind sieben Milliarden angesichts der Geldfluten, die die US-Regierung zur Verfügung stellt, um das Finanzsystem zu stabilisieren, eigentlich Peanuts, zumal es vorerst nur um eine Überbrückung geht, da bald neue Steuereinnahmen kommen werden.

Nach einer Sitzung am Mittwoch scheint man jedoch wieder optimistischer zu sein, dass die Finanzkrise doch bald nachlassen wird und man sich Kredite besorgen kann, weswegen auch die Notfallsitzung des Kongresses vorerst nicht notwendig sein soll. Massachusetts, ebenfalls in Not, konnte gestern für 750 Millionen Dollar kurzfristige Anleihen verkaufen. Darauf setzt nun auch die kalifornische Regierung, die allerdings damit 4 Milliarden Dollar erzielen will.

Kalifornien ist immerhin, für sich betrachtet, das sechstgrößte Wirtschaftsland der Welt, verglichen mit Island also ein Gigant. Und es ist das reichste Bundesland der USA. Selbst wenn es Kalifornien gelingen sollte, die Finanzierungsprobleme kurzfristig zu überbrücken, sieht die Lage mit der kommenden Rezession nicht gut aus. Und in den USA hat nicht nur Kalifornien Probleme. Allgemein steigen die Staatsausgaben und sinken die Einnahmen, was zu Schnitten in den Haushalten und damit zur Kürzung von staatlichen Leistungen führen wird. Bislang stehen bereits 15 Bundesstaaten wie New York, Floria oder Georgia vor wachsenden Löchern im Haushalt. Um starke Haushaltskürzungen und Steuererhöhungen zu vermeiden, müsste Washington nun auch für die Bundesstaaten ein Rettungspaket mit finanziellen Unterstützungen schnüren. Sonst könnte ein weiteres Kartenhaus zusammenstürzen.

Droht weiteren Staaten die Zahlungsunfähigkeit?

Für den Bundesverband für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA) droht nach der Pleite großer Finanzinstitute nun auch Staaten die Zahlungsunfähigkeit. Kalifornien oder Island sind dafür Beispiele. Dr. Dirk Sollte, stellv. Vorstand des Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung/n (FAW/n), schrieb anlässlich des Rettungspakets für die Hypo Real Estate, die auch als Staatsfinanzierer tätig ist, in dem Thesenpapier, dass die Finanzkrise den Blick auf die Verschuldung der Staaten auf weltweiter Ebene aufmerksam machen sollte:

Die öffentliche Hand braucht günstige Kredite, d. h. die Zinsen müssen niedrig sein. Das ist für die Banken nur dann interessant, wenn sie darüber Zusatzgeschäfte generieren können, denn auf weltweiter Ebene sind die Renditeansprüche gestiegen. Deshalb gibt es die Nebengeschäfte: Riskante Kredite, die gemischt werden mit den öffentlichen Krediten, was so zu einer Geldblase geführt hat – mehr als 50-mal so viele verbriefte Geldansprüche wie Zentralbankengeld. Neue Kredite können dabei nicht mit gespartem Geld bedient werden, weil die Sparquote schon lange nicht mehr dafür ausreicht. Nein, die Banken müssen ihrerseits neues Geld schöpfen, um die neu aufgenommenen Kredite damit bedienen zu können – die Blase wächst weiter. George Soros spricht in diesem Zusammenhang von der „Super-Bubble“. Dass irgendwann einmal keiner mehr diese Geldversprechen als Eigentum halten will, ist offensichtlich. Die Subprime Krise war hierzu lediglich der Auslöser.

Dirk Sollte

Sollte schlägt die Einführung einer "Abgabe auf jede Form von neugeschöpften verbrieften Geldansprüchen" vor, um die staatlichen Einnahmen zu erhöhen und Exzesse im Finanzsystem zu minimieren.