Kampfdrohnen in der Hand von Militärs, Agenten, Terroristen und Familienvätern

Seite 2: Lizenz zum Töten

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Schon vor dem 11. September 2001 gab es in den USA den Versuch, den Nachrichtendiensten die gezielte Ermordung politischer Gegner zu erlauben: Am 3. Januar 2001 brachte der Kongressabgeordnete und frühere CIA-Agent Bob Barr den Terrorist Elimination Act of 2001 ins Parlament ein, das die Gesetzesinitiative jedoch zunächst ablehnte. Nach dem 11. September änderte sich die Politik, die Mord-Kompetenzen wurden erweitert und auf das US-Militär ausgeweitet. Statt wie früher einzelne Zielpersonen mit vergifteten Schuhen oder explodierenden Zigarren umzubringen, boten die neuen Kampfdrohnen ganz neue Möglichkeiten der extra-legalen Lynchjustiz durch "targeted killings". Nach Angaben des US-Senators Lindsey Graham (Rep.) vom Februar 2003 haben die USA bisher 4.700 durch Drohnenangriffe getötet.

Bob Barr. Bild: Commissioned by Bob Barr. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Nach Pressemeldungen führt die US-Regierung mehrere Todeslisten, auf denen die Namen der "zum Abschuss" freigegebenen Personen stehen. Auf der politischen Entscheidungsebene haben das Weiße Haus und der National Security Council jeweils eine eigene schwarze Liste, ebenso wie die ausführenden Organe nämlich das JSOC (Joint Prioritized Effects Lists - JPEL) und die CIA. Zur Entscheidungsfindung berichtete Armin Krishnan in seinem Buch "Gezielte Tötung - Die Zukunft des Krieges" (S. 127 ):

Angeblich gibt es einen geheimen Regierungs-Ausschuss, der Namen auf "kill-or-capture"-Listen setzten kann, woraufhin die Liste an den Nationalen Sicherheitsrat geht und letztlich an den Präsidenten, der ein Veto-Recht hat. Die amerikanische Regierung hat allerdings nie offiziell zu den Verfahren der Zielauswahl Stellung genommen und in der Regel vermieden, Verantwortung für bestimmte gezielte Tötungen zu übernehmen, was so weit geht, dass die CIA noch nicht einmal die Existenz des Drohnenprogramms bestätigen will. Jedenfalls wurde in der Presse berichtet, dass Obama die Entscheidungen für gezielte Tötungen an seinen Terrorismusberater John Brennan (John O. Brennan ist seit dem 8.3.2013 Direktor der CIA, G. P.) delegiert hat, woraufhin er von Kritikern als "Attentats-Zar" betitelt wurde. Die New York Times hat versucht, diese Entwicklungen so darzustellen, dass Brennan und Obama gemeinsam und mit großer Sorgfalt mit Hilfe von Dossiers und Baseball-Karten die Todeslisten zusammenstellen.

Zur Amtszeit von Präsident George Bush wurden ausschließlich namentlich bekannte und identifizierte Terroristen, insbesondere Personen aus dem Führungszirkel der Al-Qaida, die sogenannten "high-value-targets" (HVT), zum Ziel von Drohnenangriffen. Im Rahmen dieser Enthauptungsstrategie wurden von 2004 bis 2011 allein in Pakistan 38 Führungspersonen durch diese "personality strikes" getötet. Aber unter der Führung von Barack Obama wurde die Zielliste ab Mai 2010 erheblich ausgeweitet. Neben namentlich bekannten Terroristen durften nun auch alle unbekannten Personen angegriffen werden, wenn sie sich angeblich wie ein Terrorist verhielten. Die US-Regierung spricht hier verharmlosend von "signature strikes". Damit ist aber nicht nur der gemeint, der sich nachts mit einem Gewehr an eine amerikanische Militärstellung heranschleicht; auch wenn zwei oder drei Personen ein harmloses Alltagsgespräch führen, kann dies schon als eine Verabredung unter Terroristen interpretiert werden:

Im Februar 2002 versuchten die USA Osama Bin Laden in Zhawar Kili (Afghanistan) mit einer Drohne zu töten. Das Ziel waren drei Männer, von denen einer wie Osama Bin Laden besonders groß war und daher mit diesem verwechselt wurde. Die Drohne wurde abgeschossen und traf die Gruppe. Es handelte sich um drei Bauern, die Waffenschrott sammelten, um ihre Einkünfte aufzubessern. Im Jahr 2011 wurden die beiden US-Soldaten Jeremy Smith und Benjamin D. Rast in Afghanistan das Opfer von "friendly fire". Als eine Gruppe von Marines durch Taliban angegriffen wurden, entsandte man die beiden GIs zur Verstärkung, aber der Drohnenpilot hielt sie für Taliban und knallte sie ab. Jeder gilt als Terrorist, solange er es erkennbar nicht ist. Aus kriminalistischer Perspektive ist ein "Signaturangriff" bloß ein "Mord aus niedrigen Beweggründen".

John Brennan. Bild: U.S Government

Der Grund für diese Ausweitung der Mordpolitik ist einfach: Unter Bush wurden noch viele Terrorverdächtige lebend gefangen genommen, um sie im Rahmen des "rendition"-Programms in geheimen Gefängnissen mit "water boarding" zu foltern, was zu weltweiter Kritik führte. Solch eine negative Berichterstattung wollte Obama unbedingt vermeiden, daher ging die US-Regierung dazu über, Terrorverdächtige nicht mehr lebend gefangen zu nehmen sondern gleich umzubringen. In Regierungskreisen wird dies intern als "kill-or-capture"-Ansatz bezeichnet. Aber auch die neue Politik löste erhebliche Kritik aus, zumal die Zahl der unschuldigen Opfer in der Drohnenkriegführung nach oben schnellte. Dabei werden die Todesopfer von den zynischen GIs einfach als "bug splat" verhöhnt.

Unter Völkerrechtlern sind die staatlich sanktionierten Morde ohnehin höchst umstritten, schließlich kann man nicht jede Schweinerei mit dem Recht auf Selbstverteidigung absegnen. Es ist politisch höchst brisant, wenn sich westliche "Demokratien" genauso gebärden wie faschistische Militärdiktaturen und in den Kriegsgebieten die "Verteidigung der Menschenrechte" nichts anderes bedeutet als Mord und Zerstörung. Dennoch wird von Seiten der US-Regierung jegliche Kritik an ihren Drohnenexekutionen zurückgewiesen. So erklärte der frühere CIA-Agent Bruce O. Riedel: "We´re are not in kindergarten on this anymore: we´ve been doing this since 2001, and there´s a well-established protocol."

Mindestens viermal hat die US-Regierung im Rahmen ihrer Terrorbekämpfung amerikanische Staatsbürger und Terrorverdächtige - ohne rechtsstaatlichen Prozess - durch Kampfdrohnen im Jemen getötet: Kemal Darwish (3. November 2002), Anwar Al-Awlaki und Sami Khan (beide am 30. September 2011), sowie Abdurahman Anwar al-Awlaki (Oktober 2011).

Außerdem werden immer wieder Zivilisten als "collateral damage" zum Opfer von Drohnenangriffen: Zwar gelang es der CIA am 7. August 2009 Baitullah Mehsud, den Führer der Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) in Baitullah mit einer Drohne zu töten, aber dem waren 15 Drohnenangriffe vorausgegangen, bei denen Mehsud mit einer anderen Person verwechselt worden war. Allein durch diese Attacken starben bis zu 321 Zivilisten. Für diese "Zielfehler" gibt es verschiedene Gründe: Die Flughöhe der Drohnen beträgt bis zu 20.000 m und aus dieser Entfernung können die Sensoren die Ziele nur unzureichend erkennen, insbesondere dann, wenn es neblig oder wolkig ist. Während ein Kampfpilot aus seinen Cockpit einen Rundumblick hat, vermittelt der Bildschirm in der Drohnen-Operationszentrale nur einen Tunnelblick mit beschränkter Bildauflösung. Die Übertragung der Bildinformationen vom der Drohne über Satellit in die Einsatzzentrale in den USA und die Rückübertragung der Steuerungsbefehle zur Drohne in Afghanistan benötigt einen gewissen Zeitraum, in dem sich die Drohne weiterbewegt hat. Außerdem war die Zielabweichung der CIA-Drohnen mit 13 m relativ groß, weil der Geheimdienst eine zur Steuerung untaugliche Software verwendete, die sie sich als Raubkopie heimlich beschafft hatte. Die Hellfire-Rakete wurde eigentlich zur Panzerabwehr entwickelt und hat daher einen für die "Menschenjagd" überdimensionierten Gefechtskopf. Hinzu kommt, dass jedes Ziel doppelt beschossen wird ("double tap"), dies erhöht die Vernichtungswahrscheinlichkeit aber auch das Ausmaß der Zerstörung.

Im September 2012 veröffentlichten die Universitäten von Stanford und New York eine Studie über die Auswirkungen der US-Drohenkriegführung auf die Zivilbevölkerung in Pakistan: "Living under Drones - Death, Injury and Trauma to Civilians from US Drone Practices in Pakistan". Demnach leiden viele der 800.000 Einwohner in Waziristan unter der ständigen Bedrohung aus der Luft. Die ständige Angst hat dazu geführt, dass das soziale Leben erheblich eingeschränkt ist, da jede Menschenansammlung als potentielles Angriffsziel gilt.

Drohnenabwehr

Die genannten Kampfdrohnen fliegen ziemlich langsam und würden daher in einem Krieg zwischen zwei Staaten zu einem leichten Ziel für die gegnerische Luftabwehr. Die islamistischen Mudschahidin verfügen nicht über diese Kapazitäten und sind den US-Drohnenangriffen schutzlos ausgeliefert. Allerdings versuchen auch sie sich zu wehren. Da die CIA in Waziristan Einheimische einsetzt, um Ziele mit Lasern für Drohnenangriffe zu markieren, stellte Al-Qaida zwei Spezialeinheiten (Lashkar-e-Khorasan und Saif ul-Furqan) auf, um die Spione aufzuspüren und zu töten.

Im Jahr 2009 mussten die US-Streitkräfte entdecken, dass mehrere Widerstandsgruppen im Irak mit iranischer Unterstützung den Datenverkehr zwischen den Drohnen und ihren Bodenstationen mitgeschnitten hatten. So wurde Videomaterial, dass die Predator aufgezeichnet hatten, bei den Aufständischen gefunden. Damit wussten diese, welche Gebiete die US-Streitkräfte besonders im Auge hatten, und konnte diese Zonen meiden. Möglich wurde die Abhöraktion dank der Software SkyGrabber, die von dem russischen Unternehmen SkySoftware für 26 Dollar online verkauft wurde. Eigentlich diente das Computerprogramm dazu, um den Datenstrom mit Satelliten herunterzuladen, dass die Software auch zum "Abhören" der Drohnen taugte, war dem Hersteller weder bekannt noch von ihm beabsichtigt. Mittlerweile wird darüber spekuliert, ob Drohnen eines Tages im Flug gekidnappt und vom Gegner gegen Ziele des Drohnen-startenden Staates eingesetzt werden könnten.

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