Kapitalismus schafft Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden
Marx ist Murks - Teil 3b: Replik auf die Einwürfe der Foristen
Fortsetzung der 3. Replik "Der Kehrwert ist überhaupt kein Rätsel" auf die Kommentare der Artikelserie "Was für den Kapitalismus spricht.
Methodisches vorab: Kommentare zu Teil 4 (Im Kapitalismus wird wenigstens niemand ausgebeutet) bleiben in der Replik-Serie zu Teil 3 vollständig unberücksichtigt. Das ist ein Batzen Text, den ich mir erst noch vornehmen muss. Nun zu diesem Text: Replik 3b. An sich war er zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Teil 3a (6.10.2020) schon fertig geschrieben und es galt für beide Teile derselbe Einsendeschluss (24.09.2020). Allerdings enthielt die Replik zu 3a einige schöne Zitate, die mir für 3b sehr zupass kommen, und die ich deshalb nachträglich hier noch eingearbeitet habe. Die Alternative wäre, sie für die Replik von Teil 4 zu verwenden.
Aber egal, wie ich es auch sortiere, im Grunde ist das auch eh alles wurscht, denn meinen kleinen Kopf zerbreche ich mir ohnehin für die Katz, nicht nur rein nihilistisch betrachtet (dann sowieso). Offensichtlich schreibe ich ja gar nicht für euch Kommentatoren im Forum. Also vom Anspruch her schreibe ich schon auch noch für euch, aber mir ist halt nicht entgangen, dass das vollends vergebens ist, d.h. ihr meinen Aufschrieb sowieso nicht zur Kenntnis nehmt, was euch jedoch nicht davon abhält, trotzdem eine felsenfeste Meinung über was auch immer zu haben. Das habt ihr halt so für euch beschlossen, dass ihr1 auf so ziemlich nichts von mir eingehen möchtet. Schade.
Selbstverständlich mag es abgehoben klingen, wenn ich Dreistling "euch" auf "meine" Texte verweise. Ihr seid es mir ja überhaupt nicht schuldig, meinen Schmarrn zu lesen. Nur warum diskutiert ihr dann überhaupt mit, wenn ihr rein gar nichts davon wissen wollt, was die Gegenseite in der Debatte zu vermelden hat? Was treibt euch an? "Kein Fußbreit dem Marxismus!" Ist es bloß das? Aber wie? Ganz ohne Kenntnisnahme von gegen euch bereits erbrachten Argumenten tut ihr eurem eigenen, edlen Zweck doch selbst keinen großen Gefallen. Denn auch den Lesern eurer Posts entgeht dieser Missstand nicht. Die verdrehen nur die Augen. Ihr untergrabt dadurch euren eigenen Standpunkt aktiv mit.
Aber bitte schön, nur zu. Mir soll es recht sein. Je mehr ihr auf diese Weise fortfahrt, umso mehr spielt ihr mir in die Hände. Ihr gebt mir Material für eure eigene öffentliche Dekonstruktion. (Zum Glück seid ihr nur mit Pseudonymen unterwegs, hoffe ich jedenfalls. Die kann man nämlich noch nachträglich ändern und mir liegt nichts daran, euch unter eurem Klarnamen vorzuführen.) Ich wüsste ansonsten gar nicht, worüber ich schreiben sollte: Das wäre bloß intellektuelles Schattenboxen gegen falsche Argumentationsgänge, die ich zwar gern zerlegen würde, weil sie mir häufig privat begegnen, zu denen mir aber nachweisliche Subjekte fehlen, auf die ich verweisen kann, die solche Argumente tatsächlich bemühen. Sonst würde es ja auch gegen mich einfach nur zurecht heißen: "Strohmann-Argument, das sagt so keiner wirklich." Ihr beweist der Welt: Doch, das sagen die Leute wirklich.
So aber rettet ihr mir den Arsch und serviert mir Arbeitsmaterialien für Jahre. Dank euch mangelt es mir nicht an Ideen. Es ermöglicht mir sogar, eine Sammlung von Ideologien und Illusionen über die kapitalistische Produktionsweise anzulegen, die in solch einer Systematik, wie sie in der Replik-Serie nach und nach entwickelt wird und langsam Form annimmt, im Netz meines Wissens noch gar nicht existiert. So eine Liste wollte ich tatsächlich schon immer mal anlegen. Ihr erspart mir viel Recherchearbeit darüber, wie das Volk so tickt, also über den gegenwärtigen Stand bürgerlicher Kopfleistungen. Das ist für mich und andere Marxisten eine Fundgrube von unschätzbarem Wert. Ich jedenfalls komme mit der Nachbereitung gar nicht mehr hinterher. Danke immerhin dafür. Insofern muss ich allerdings auf der Minusseite der Bilanz wohl leider verbuchen, dass mich das private Unterfangen, Marx via Telepolis ein wenig mehr zu popularisieren, sicherlich schneller altern lassen wird. Bestenfalls erspart mir dies jedoch den Umweg über die Midlife-Crisis.
Ich will mal knapp erklären, woran ich meinen Befund festmache, dass ihr die Artikel gar nicht lest, selbst wenn ihr es untereinander auf Nachfrage stets beteuert. Das Erste ist der Umstand, dass ihr euch andauernd wiederholt, und zwar mit Argumenten, die hier längst mehrfach(st), auf immer wieder neue Weise - zuvörderst von euren Gegendiskutanten, und nur sehr nachrangig von mir - zurückgewiesen wurden. Eine Wiederholung macht ein Argument keinen Deut besser, jedenfalls nicht, solange in ihr kein gedanklicher Fortschritt vorzufinden ist gegenüber einer bereits widerlegten Fassung.
Die Widerlegung müsste man dann aber auch schon kennen, um das eigene Argument nachrüsten zu können. Stattdessen bietet sich immer dasselbe Trauerspiel: Ihr sagt was gegen mein Zeug, ich sag was dagegen, ihr sagt nochmal dasselbe wie schon in der Replik davor, und in der davor und in der davor… Manche eröffnen sogar Threads, posaunen ihr Zeug raus und sind auch schon wieder weg, ohne auch nur die Für- und Gegenrede ihrer Position abzuwarten (z.B. Forist "DrYueh"). Die interessiert ein Feedback offensichtlich gar nicht, die wollen sich nur erleichtern. "Häufchen gemacht, Forum verschmutzt, brav!" (Forist "blu_frisbee"). Es ist zum Heulen, mindestens intellektuell beschämend.
Dieser Fortgang der Diskussion ist weder eine Spirale mit zunehmender Erkenntnis auf immer höherer Ebene noch Pingpong, wo man sich wechselseitig die Bälle zuspielt. Um ein vielleicht treffenderes Bild zu bemühen: Das ist wie eine Tanzaufforderung zum Tango bei einem Debütantinnenball, aber die Mädels stehen irgendwie nur auf Mallorca-Schlager, sind also auf einer völlig falschen Veranstaltung unterwegs und suchen mit anderen Sambuca-Besoffskis nur nach einem ausreichend geeignetem Anlass für eine Schlägerei.
Beweist mir doch bei meinem Zeug bitte die inhaltlichen Fehler, nicht nur eure Haltung als aufrechte Anti-Marxisten. Die nehme ich euch doch auch so ab. Stellt euch bitte der Debatte. Geht noch einmal die einzelnen Einwände der Replik-Sammlung durch, orientiert euch an deren Nummerierung, die euch übrigens auch für die Benennung eurer Threads dienlich sein könnten (z.B. "Betreff: Einwand 12a"), und äußert euch darin zu den vorgeschlagenen Entkräftungen von euch vorgetragener Gedanken, und bitte substanziell. D.h. befasst euch mit den zentralen Gegenargumenten, anstatt nach irgendwelchen kleinen Formfehlern zu suchen, die etwa von der Sorte sind: "Der Autor hat "alle" und "immer" gesagt. Das kann ja gar nicht sein. Bätsch." Oder: "Der Autor hat ein Apostroph vergessen beim GWG-Zyklus, also hat er Marx nie gelesen" usw.
Das Zweite, woran ich festmache, dass ihr die Artikel nicht lest, aber trotzdem unbedingt eine Meinung dazu haben wollt, ist die kleine Falle, in die euch habe hineintappen lassen, die ihr natürlich wieder abstreiten werdet (jedenfalls wage ich, dies zu behaupten, obwohl die marxistische Kraft der Prognose im Detail doch sehr beschränkt ist). Die Falle: Ich habe in der Replik 3a im letzten Absatz des Artikels, also dort, wo üblicherweise ein Fazit oder eine Abschlusserklärung steht, mich an euch gewandt, mit ein paar konkreten Fragen.
Einlassend will ich vorausschicken, dass ich es gut finde, dass Ihr wenigstens auf diese Fragen, wenn auch völlig unzureichend, eingegangen seid (Leider kein bisschen auf die Argumente eingegangen, die in ich Teil 3 der Artikelserie entwickelt hatte). Mich auslassend will ich aber schon meinen Frust darüber nachschicken, dass ihr euch den Rest der Replik offensichtlich ganz und gar nicht durchgelesen habt. Ihr seid auf fast nichts davon eingegangen, obwohl es darin doch um euch geht, um eure eigenen Theorien - und es juckt euch nicht. Ihr wollt nicht wissen, ob die richtig sind, ob da nicht jemand vielleicht einen Einwand dazu kennt, ob der Einwand seinerseits auf den Prüfstand gehört. Nichts davon.
Wozu debattiert ihr überhaupt? Ist das wirklich nur Therapie? Und jetzt bitte nicht mit einer Ausrede kommen nach dem Motto: Naja, man wurde im Fazit-Teil als Leser persönlich mit einer Frage adressiert, also gibt es auch nur auf die eine Antwort. Guess what! Fragen an die Leser kamen auch andere im Text vor. Ein paar jedenfalls. Es gab sogar einen kleinen Fragenkatalog unmittelbar vor dem Fazit-Teil, auf den ihr nahezu beißreflexartig reagiert habt, weil der natürlich eure Ehre berührt hat. Den Fragenkatalog aber habt ihr ignoriert, obwohl er ganz in Sichtweite des Fazit-Teils war, unmittelbar oben drüber platziert. Keine Chance, niemand ist drauf eingegangen, noch nicht einmal die Person, welcher der Spott darin galt. Einfach ignoriert und schmerzfrei im Forum dasselbe Zeug wie eh und je weiterpalavert, als hätte man der gar nichts an den Kopf geknallt.
Gebt es doch einfach zu. Ihr lest nur die Zwischenüberschriften, bestenfalls noch ein paar Zeilen von jedem Absatz, und das auch nur kursiv, ja nicht innehalten und nachdenken, und dann ganz schnell runter gescrollt zum Abschluss des Artikels, nur um endlich Erlösung im Forum zu finden - und wollt mir dann aber etwas von Wissenschaftlichkeit erzählen. Ha! Dass ich nicht lache. Ihr wollt doch selbst nichts davon wissen. An einer wissenschaftlichen Debatte seid ihr doch gar nicht interessiert.
Ja, ja, das ist der moderne Bürger: Hauptsache eine Meinung, egal welche, und deshalb auch durch nichts zu erschüttern. Aber wenn man ihm das so hinsagt, tut er direkt beleidigt. (In diesem Sinne lieben Gruß an "SoShy", der diese letzte Bemerkung trotz reger Forumsteilnahme eh nicht lesen wird, weil sie mitten im Textsatz steht. Obwohl. Vielleicht erfasst sie sein peripherer Blick beim Lesen der nachfolgenden Überschrift doch noch irgendwie.)
Einwand 10: Kapitalisten in der Produktionssphäre gehen kein Risiko ein!
a) Insolvenz ≠ Ruin
Es wurde von einem Foristen behauptet, durch die inzwischen technische mögliche Produktion auf individuelle Anfrage wäre das Risiko des Kapitalisten quasi minimal, ein Produkt herzustellen, das er hinterher gar nicht absetzen kann. Dazu schrieb ich hier, wie sich das mit dem Risiko wirklich verhält. Nun seine Gegenrede:
Was heißt denn überhaupt "lohnend" produzieren? [!!! M>0. AdA] Wenn ein Unternehmen eine Maschine beschafft, dann müssen dessen Kosten auf den Warenpreis umgelegt werden [!!! Richtig. AdA]. Wenn also ein Konkurrent billiger anbietet, und damit den Eigentümer, der höhere Preise anbieten muss, aus dem Markt drängt, gerät dieser in die Insolvenz [!!! Richtig. AdA]. Eine Insolvenz ist nicht zwangsläufig das Ende eines Unternehmens [!!! Hab ich nicht behauptet. AdA], denn i.d.R. verzichten die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen und machen das Unternehmen damit wieder marktfähig. Das kann z.B. auch die Tilgung der Kredite für diese Maschinen betreffen. Solche Geräte sind auch bei einer vollständigen Pleite durchaus für die Konkurrenz interessant, weil diese ihre Produktionskosten mit den billigen Maschinen senken können. […] Das Gros der Maschinen ist aber gar nicht so stark spezialisiert [!!! Richtig. AdA] und wird gerne auch in anderen Branchen eingesetzt.
Forist "Mathematiker"
Ein Ausverkauf des eigenen Maschinenparks zu schäbigen Preisen ist doch schon das volle Eingeständnis einer Niederlage am Markt, und das war ja auch das Hauptthema dieses Einwands, der sich gegen das Argument 3 richtete ("Erfolg der Produktion ist nicht garantiert"). Es ging um das Risiko, auf dem Markt zu scheitern.
Wogegen wird hier eigentlich argumentiert? Ja natürlich kann es vorkommen, dass Investoren auf einen Teil ihrer Forderungen zeitweilig verzichten, um ein Unternehmen zu retten. Mehr noch, es kann sogar dazu kommen, dass sie für diesen Zweck noch weiteres Geld hinzu schießen. Damit ist aber auch direkt schon benannt, unter welchem Vorbehalt dieser finanzielle Support steht, nämlich, dass der erhoffte Kapitalrückfluss, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung, doch noch stattfinden soll. Was wäre denn die Alternative? Fehlinvestition eingestehen und Geld in den Sand setzen. Ja, kann man machen. Diese Verlaufsform gibt es eben auch.
Es stimmt, es gibt eine natürliche Tendenz dazu, dass das Funktionsspektrum eingesetzter Maschinen immer breiter wird. Taugt die Maschine nicht für die Produktion von Ware A, für die sie gekauft wurde, so taugt sie doch wenigstens für die Produktion von Ware B. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit ihrer Weiterverkaufbarkeit und senkt tendenziell das Risiko des Unternehmers. Ein potentieller Käufer der Maschine kauft sie eventuell lieber günstiger zum Gebrauchtpreis als direkt beim Produzenten, dem es seinerseits wohl wenig gefallen dürfte, dass der Handel mit den von ihm produzierten Geräten an seinen Interessen vorbei stattfindet. Also kann auch er entsprechende Vorkehrungen treffen, um sein eigenes Geschäft zu retten, indem er z.B. die Wartung verweigert oder sonstige Garantien bei Weiterverkauf aufkündigt, zu denen er sich vertraglich nicht mehr gezwungen sieht. Oder er kann diese Leistungen zu einem Aufpreis anbieten und ein Zusatzgeschäft draus machen. All das birgt neue Risiken für den potentiellen Käufer und ist dann eben eventuell auch der Grund, weshalb der Verkäufer all sein teures und vergebens angeschafftes Gerät letztlich doch nicht verkaufen kann. Solche Verlaufsformen gibt es ja tatsächlich und das weiß auch der Forist, sonst würde er nicht mit seinem finalen Rettungsversuch auftrumpfen:
Im schlechtesten Falle lassen sich diese i.d.R. auch recyclen und haben damit sogar noch einen ordentlichen Materialwert.
Forist "Mathematiker"
Sofern die Verschrottung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens und nicht im Rahmen einer regelmäßigen Rationalisierung stattfindet, fällt sie in die Abteilung Schadensminimierung. Da geht es dann nur noch darum, nicht vollends abzusaufen. Ob man durch solche Maßnahmen noch auf einen grünen Zweig kommt, hängt vom Umfang des Schadens ab.
Im Grunde kommen dort eher die Träume der Marktteilnehmer auf den Müll.
Forist "Mathematiker"
Ach so, nur die Träume. Na wenn's weiter nichts ist!
Dass dabei Arbeitsplätze wegfallen, die nicht immer sofort an anderer Stelle neu entstehen, und was man tun kann, um die negativen Folgen abzumildern, ist ein noch nicht befriedigend gelöstes Problem, um es mal euphemistisch [!!!] zu sagen. Und die Zahl der Insolvenzen hält sich eigentlich in Grenzen. Es gibt in Deutschland mehr als 3 Millionen Unternehmen. Dem stehen rund 30.000 Insolvenzen pro Jahr gegenüber, das ist 1% der Unternehmen.
Forist "Klaus N"
Und wie viele Angestellte haben die insolventen Unternehmer beschäftigt? Wie viele Familienmitglieder hängen an diesen Angestellten dran, die bei Einkommensausfall des Vaters oder der Mutter komplett unverschuldet gleichsam mitbetroffen sind? Das nennt sich dann wohl Schicksalsgemeinschaft. Das ungelöste "Problem" ist, um es mal weniger euphemistisch zu sagen, überhaupt nicht lösbar, sondern im Gegenteil vollständig systemrelevant (vgl. Teil 5). Und im Grunde ist es für den Foristen auch kein wirkliches Problem, denn er schreibt an anderer Stelle:
Die Arbeitszeit kann jetzt in neue Branchen wandern oder zu einer Verkürzung der Arbeitszeit bei gleicher [!!!] Kaufkraft führen. Beides Dinge, die im real existierenden Kapitalismus stattfinden.
Forist "Klaus N"
Was auch real stattfindet, ist, dass es immer mehr Arbeitslose gibt, die keiner haben will. Und wenn dies in den industriellen Weltzentren noch nicht ins Auge springt, so doch mindestens global gesehen, denn alle produzieren für denselben Weltmarkt, stehen also in weltweiter Konkurrenz zueinander. Überall auf der Welt gibt es z.B. weltweit agierende Supermarktketten, und überall scheitern lokale Bauern daran, ihre Erzeugnisse gegen solch mächtige Konkurrenten loszuwerden. Wer die Konkurrenz gewinnt, entscheidet sich letztlich am Preis, also an der Produktivität.
Wo die Verkürzung der Arbeit auch hierzulande passiert, geht sie jedenfalls nicht, wie behauptet, mit der Beibehaltung der Kaufkraft einher. Das kann natürlich passieren, je nach Branche und Konkurrenzlage, entspricht aber keineswegs der Regel und ist so auch nicht vorgesehen, weil es klarerweise als unökonomisch gilt. Wir brauchen es nur an der gegenwärtigen Kurzarbeit zu vergleichen, wo ganz klar und ohne Umschweife gilt: Weniger Arbeit = weniger Lohn. Wir sind es zwar gewohnt, dass der Staat den Lohnausfall vorübergehend ausgleicht, bzw. je nach Branche und Umständen auch die Unternehmer zwingen kann, ihn auszugleichen. Das muss sich ein Staat aber auch leisten (s.u.), bzw. durchsetzen können. (Und sowieso kann ein Unternehmer mit der Strafe kalkulieren, wenn ihm die Umsetzung einer staatlich angeordneten Maßnahme mehr Kosten erzeugt als die Strafe selbst.)
In einer vernünftigen Gesellschaft würde man den Arbeitsaufwand reduzieren wollen. Im Kapitalismus geht es um Kosten, die gesenkt werden sollen. Dazu ist die Steigerung der Arbeitsproduktivität ein Mittel und nicht der Zweck. Folgende Fälle sind vom Ergebnis äquivalent:
• Einsatz von besserer [= produktiverer. AdA] Maschinerie, Lohnarbeiter entlassen, Lohnkosten sparen. [Rationalisierung. AdA]
Forist "jsjs"
• Gleicher Lohn, aber das Band schneller stellen, mehr Arbeit in die Arbeitsstunde packen. [Intensivierung. AdA]
• Gleicher Lohn, aber die Dauer verlängern [...]. [Extensivierung. AdA]
• Auslagerung der Arbeit ins Ausland, da darf die Arbeitsproduktivität auch sinken, wenn der Lohn nur niedrig genug ist. [Offshoring. AdA]
Rationalisierung wird noch später Thema sein (Teil 5). Intensivierung muss dem Arbeiter gar nicht notwendig vorkommen, als würde er tatsächlich mehr arbeiten. Der Unternehmer muss manchmal gar nicht viel tun: Hier und da ein paar Handgriffe im ansonsten nach wie vor selben Produktionsprozess abändern, die aber den Output erhöhen, die Zigarettenpausen kürzen, den Gang zum Klo mit Stempeluhr erfassen, administrative Wege kürzen, den Wettbewerb unter den Arbeitern erhöhen und ein paar motivierende Momente einpflegen ("Mitarbeiter des Monats"). Kleine Veränderungen, die für den Einzelnen nicht viel bedeuten mögen, jedenfalls nicht so viel, als dass sich ein Aufbegehren dagegen lohnt, die aber insgesamt die Masse des Mehrwerts pro gegebener Zeit erhöhen.
Extensivierung ist die Verlängerung des Arbeitstages. Die Effekte davon wurden bereits in Teil 4 der Artikelserie, und dort im 2. Exkurs (Verlängerung des blauen Balkens), angesprochen.
Offshoring steht natürlich unter dem Vorbehalt, dass die Risiken des Kapitalrückflusses sich durch die Abwanderung ins Ausland nicht übermäßig erhöhen, und das Lohnniveau im Ausland dauerhaft ausreichend tief bleibt. Es wird also bewusst die Not des auswärtigen Proletariats ausgenutzt. So viel zur häufig verkündeten Heuchelei, man tue diesen Ländern einen Gefallen, leiste praktische "Entwicklungsarbeit", indem man dort Arbeitsplätze schaffe. Das ist nicht der Grund, warum dort Arbeitsplätze eingerichtet werden. Sie sind dort, weil sie rentabler sind. Und sind sie es nicht mehr, sind sie genauso schnell wieder weg, wie sie gekommen sind.
Die wohl zunehmende Tendenz zum Reshoring wurde bei Telepolis erst neulich angesprochen. Die Umkehrung der Wanderbewegung des Kapitals folgt letztlich derselben Logik wie zuvor schon die Abwanderung: Rentabilität. Ob sich daran das Schicksal ganzer Volkswirtschaften entscheidet, die dann wieder massenweise Arbeitsplätze abbauen müssen, ist ziemlich egal und muss uns nicht jucken, denn betrifft uns ja nicht, jedenfalls nicht negativ. Im Gegenteil: Es werden hierzulande wieder mehr Arbeitsplätze aufgebaut. Wer kann denn da etwas dagegen haben?
Dann wundert oder ärgert man sich ganz begriffslos über "Flüchtlingsströme" und faselt was davon, dass man dort vor Ort die "Ursachen bekämpfen" müsse. Drüben "Ursachen bekämpfen" heißt aber, den Arbeitsplatz hier vernichten. Das wäre an sich nicht weiter schlimm, wäre es nicht mit dem lästigen Umstand verbunden, dass im kapitalistischen Produktionssystem der rentable Arbeitsplatz die so ziemlich einzige legale Einkommensquelle und damit Lebensgrundlage darstellt, jedenfalls für die Mehrheit der Leute.
Apropos, an einer anderen Stelle erwähnt "jsjs" auch noch eine weitere Lohnsparmethode, die allerdings nicht zum Umkreis der legalen Mittel zählt, aber dennoch immer wieder praktiziert wird, vor allem - aber nicht nur - gegenüber schutzlosen Arbeitsmigranten, welche die hierzulande durchgesetzten Arbeiterrechte nicht kennen:
Einfach nicht bezahlen. Kommt auch hierzulande vor.
Forist "jsjs"
Das alles findet täglich statt. Wenn ein Kapitalist nicht die Marktmacht hat, den Zulieferern die Preise zu diktieren [!!! d.h. die Kosten für die Produktionsmittel zu senken. AdA], ist die Organisation der Arbeit [!!! d.h. Anpassung des Arbeitsprozesses an das Verwertungsgebot. AdA] das Mittel, um die Kosten zu senken. Der Kapitalist muss nichts von der Wertlehre wissen, er kommt aus praktischen Gründen darauf.
Forist "jsjs"
Mit anderen Worten: Die Lohnkosten werden permanent angegriffen, entweder im eigenen Haus oder bei der Belegschaft der besagten Zulieferer, die dann vor dieselben Kalkulationen gestellt werden.
Hierzulande gibt es inzwischen Löhne, die zum Leben nicht mehr reichen. Unvorhergesehene Ausgaben (Waschmaschine defekt!), stellen manch einen vor große Probleme. Und parallel dazu jammern die Konzerne, dass sie nicht genügend Absatz haben und suchen nach neuen Märkten.
Forist "jsjs"
Noch einmal zur Vorstellung von "Klaus N", dass die Kaufkraft bei Arbeitskraftverkürzung konstant bleibt:
Der Kapitalist […] senkt kontinuierlich die Lohnkosten, er entfernt Arbeit aus dem Produktionsprozess, und senkt damit den Anteil am Reichtum, der als Lohn ausgeschüttet wird. Anders gesagt, je produktiver die Arbeit wird, desto relativ ärmer wird die Klasse der Lohnarbeiter [!!! d.h. in ihrer Gesamtheit, auch wenn es individuell mal anders sein mag, die sich in einer Hierarchie der Löhne ausdrückt (Stammbelegschaft, Leiharbeit, etc.) AdA]. Und desto mehr Lohnarbeiter werden insgesamt überflüssig und landen - wenn sie "Glück" haben - in irgendwelchen Aufbewahrungsprogrammen wie Hartz IV. In anderen Staaten gibt es nicht einmal das.
Forist "jsjs"
Übrigens, einen kapitalistischen Sozialstaat richtet man sich nicht einfach so ein. Der politische Wille dazu allein reicht nicht aus. Es braucht die finanziellen Mittel dafür, nämlich einen ausreichend üppigen Staatshaushalt. Nur in den Industrienationen, die aufgrund ihrer überlegenen Produktivität die Welt mit ihren günstigeren Waren beliefern und im Gegenzug den Geldreichtum der Welt auf sich ziehen, sind solche Mittel überhaupt vorhanden. Sie sind dort sogar gleich doppelt vorhanden, weil sich diese Staaten durch die Regelmäßigkeit ihres industriellen Erfolgs auch noch zusätzlich als kreditwürdig erweisen und vom Finanzmarkt, das beständig nach Anlagesphären sucht, in Fülle beliehen werden.
b) Jeder kann es schaffen!
Ich schrieb, dass ein Einstieg in eine schon lange bestehende Konkurrenz in der Regel relativ aussichtslos ist (bestenfalls mit geliehenem Kapital), weil man gegen die Wettbewerbsfähigkeit bereits vollständig etablierter Kapitale antritt. Die Gegenrede teilt sich in zwei Hälften. Die einen beklagen, wie schwer der Job des Kapitalisten doch in Wirklichkeit sei, und dass das nicht jeder könne. Die anderen sagen umgekehrt, da sei doch gar nichts dabei. Im Grunde kann es jeder schaffen:
Heutzutage kann [!!!] man mit wenigen Hundert Euro eine Firma gründen. Braucht man Geld, muss man Banken überzeugen. Ist die Idee zukunftsfähig, ist die Finanzierung gesichert. Wo ist das Problem?
Forist "Otoshi"
Du gehst mit einem Zwanni zum Ordnungsamt und meldest dein Unternehmen mit deiner blendenden Geschäftsidee an. Auch gerne als Genossenschaft. Schon kannst du loslegen, bis auf Ausnahmen wie [die] Handwerkskammer.
Forist "Stoffelchen"
Sicherlich muss man Einwänden dieser Art zunächst beipflichten, wo sie Recht haben. Nämlich in der Verwendung der Grammatik (Konjunktiv, Potentialis etc.). Es kann tatsächlich jeder schaffen im Kapitalismus, es kann auch ebenso jeder Bundeskanzler werden oder im Lotto gewinnen. Mit einem so praktischen Modalverb wie "können" lässt sich eben jeder Traum, jede Phantasie, jeder Wahn formulieren, der nicht schon im Grundsatz an den Naturgesetzen scheitert. Rein inhaltlich muss dieses Argument jedoch zurückgewiesen werden, und zwar empirisch wie logisch. Forist "jsjs" hat an verschiedenen Stellen meines Erachtens alles Nötige dazu gesagt.
Das Problem ist die mangelnde Konkurrenzfähigkeit. Du kannst zwar für ein paar Hundert Euro eine Firma gründen, dann hast du ein Rechtskonstrukt, mehr aber auch nicht.
Forist "jsjs"
Ums bloße Gründen geht es eben nicht, sondern um den Erfolg der Gründung. Auf dieser Basis lässt sich folgende empirische Widerlegung äußern:
Wenn es so einfach wäre, Amazon oder Microsoft obsolet zu machen, hätte es schon jemand getan. Die EU leidet ja daran, dass es hierzulande kein solches Kapital gibt.
Forist "jsjs"
Es gibt Branchen, da muss man heutzutage schon derartig viel Kapital in die Hand nehmen, um auf dem Niveau der Konkurrenz einzusteigen, da sind auch etliche Staaten mit überfordert.
Forist "jsjs"
Und nun an der Logik der Sache:
Aufsteigen impliziert ja immer ein Oben und Unten, oder?
Forist "jsjs"
Dass der Eine oder Andere die Seite wechselt, ändert doch nichts daran, dass es die Seiten gibt. Kapitalisten können zu Lohnarbeitern werden und umgekehrt. Am Verhältnis von Kapital und Goldarbeit ändert es nichts, wenn Meier mal auf der einen oder der anderen Seite des Verhältnisses steht.
Forist "jsjs"
Ganz so, als würde man dem Sklaven vorschlagen, doch Sklavenhalter zu werden. Ein Einwand gegen die Sklaverei wird so nie draus.
Forist "jsjs"
Amazon ist ein gigantisches Kapital, dass jede Menge Arbeitskraft beschäftigt. Kann jetzt jeder dieser Angestellten selber ein solches Kapital auf die Beine stellen? Also gleichzeitig. Und wen beschäftigen die dann?
Forist "jsjs"
Starke Widerrede: "
Stell dir vor, du kannst Aktien besitzen und gleichzeitig was anderes arbeiten.
Forist "Stoffelchen"
Stell Dir vor, es gibt nicht wenige Menschen, da langt das Gehalt gerade so zum Leben, manchmal auch nicht und dann muss man aufs Amt und Stütze beantragen. Erkläre denen dann mal das mit dem Aktienkauf.
Forist "Radio Controlled"
Die Mehrheit lebt aber weder am Existenzminimum, noch ist sie klug genug auf hoch rentierliche Anlagen zu setzen.
Forist "Stoffelchen"
Nun ja, in Deutschland ist aktuell jeder 6. armutsgefährdet. Ich denke nicht, dass man in so einer Situation an Aktienkäufe denkt.
Forist "Radio Controlled"
Ich hatte mit einer Lebensgefährtin binnen weniger Jahre aus 2x200 Euro einen kleinen Mittelständler (6 Vollzeitkräfte) gemacht.
Forist "Stoffelchen"
Zu jeder dieser Erfolgsgeschichten kannst du Dutzende gescheiterte Versuche beobachten. Kapitalismus ist eben eine Konkurrenzveranstaltung, bei der nicht zwangsläufig die bessere "Idee" gewinnt.
Forist "jsjs"
Apropos "zukunftsfähige Idee"15:
Die Besonderheit von Amazon lag im Onlinehandel. Das würde ich jetzt nicht eine tolle Idee nennen, es ergibt sich quasi zwangsläufig aus dem Bedürfnis, die Zirkulationskosten zu senken. Früher oder später wäre jemand anderes auf die Idee gekommen. Das Rad hat Bezos jedenfalls nicht erfunden. Er hat dann etwas später die Konkurren[ten] [!!! mit ihren zuvor "zukunftsfähigen Ideen". AdA] aufgekauft oder vom Markt verdrängt.
Forist "jsjs"
Doch "deedl" bleibt unnachgiebig. Er wünscht uns doch allen nur das Allerbeste, nämlich Aktien. Die sollen es nämlich der gesamten Arbeiterschaft ermöglichen, trotz Kapitalismus selbst zu Herren über die Produktionsmittel zu werden:
Jeder Arbeiter kann Produktionsmittel besitzen. Jeder normale Bürger kann sich Aktien eines Unternehmens kaufen und so Produktionsmittelbesitzer werden.
Forist "deedl"
Aktien sind billiger als rauchen. Wer jeden Monat vom 20. bis zum 67. Lebensjahr 50 Euro in einen Dax-Indexfolgefond investiert, der hat bei den durchschnittlichen 8,5% Wertzuwachs, den der DAX historisch hat [!!! Auch schon vor 47 Jahren? AdA], und ungefähr 2,5% Dividende, die DAX-Unternehmen im Schnitt haben und die reinvestiert wird, nach 47 Jahren Aktien im Wert von einer Dreiviertelmillion Euro [= 750.000 Euro. AdA]. Aktien sind Anteile an Produktionsmitteln. Jeder kann Produktionsmittelbesitzer werden.
Forist "deedl"
Zunächst einmal eine handwerkliche Kritik an der verwendeten Mathematik. Ich bitte den Foristen, seine Rechnung offen zu legen. Nach meiner Berechnung wäre der Reingewinn nur ca. 450.000 Euro. Aber das nur am Rande.
Von mir verwendete Formel:
G_n ist der Gewinn nach n Jahren. Die 600 Euro sind die jährliche Einzahlung von 12x50=600 Euro. Das Minus vor dem n dient der Bilanzierung von Einnahmen und Ausgaben. Der linke Term in der eckigen Klammer ergibt sich aus der jährlichen Verzinsung von 11% (=8,5+2,5%) mit der Methode der geometrischen Reihenberechnung. Alles unter der Voraussetzung, ich hab keinen gravierenden Denkfehler bei der Aufstellung der Formel gemacht. In diesem Falle bitte Korrekturvorschläge anmelden.
Ich komme geistig überhaupt nicht mehr hinterher bei solchen Vorschlägen. Die Wissenschaft ist regelmäßig damit überfordert, die elementarsten wirtschaftlichen Kennzahlen fürs nächste Quartal vorherzusagen3, so dass die andauernd nachkorrigiert werden müssen. Sie räumt damit praktisch ein, dass diese im Grunde sowieso nie richtig vorhergesagt, sondern immer im Nachhinein bloß hingenommen und dokumentiert werden können. Und auf dieser unsicheren Grundlage soll man sich auf Langzeitprognosen verlassen, die über ein halbes Jahrhundert hinweg kalkuliert werden?
Innerhalb von 47 Jahren kann sich alles ändern. Wirklich alles! Allein Deutschland hat in einem kürzeren Zeitraum zwei Weltkriege auf die Beine gestellt. Was war denn in den letzten 47 Jahren so alles passiert auf der Welt? China hat sich zu einer Weltmacht gemausert, die Sowjetunion, Jugoslawien, ja den gesamten Ostblock gibt es nicht mehr, Deutschland hat sich wiedervereinigt, der Nahe Osten wurde hälftig in Schutt und Asche gelegt und hälftig in ein Ölparadies verwandelt. Die Computertechnologie hat das gesamte Produktionswesen vollständig umgekrempelt und ist noch lange nicht fertig damit. Es gab etliche Wirtschaftskrisen und bedeutende Insolvenzen. (Kennt heute noch jemand Swissair oder Sabena? Übermorgen wird auch Lufthansa abgewickelt. Aus dem DAX ausgestiegen ist sie schon.) Titanisch große Unternehmen sind pleite gegangen. Die USA stehen vor einem erneuten Bürgerkrieg und drohen allen Ländern mit Sanktionen, wenn sie sich nicht in die Bereicherungszwecke dieser Nation einordnen lassen. Das alles übrigens wegen der kapitalistischen Produktionsweise - aber ich soll mich auf garantierte Zuwächse verlassen?
Aber okay, Advocatus Diaboli. Angenommen, das würden alle Lohnabhängigen einfach so durchziehen können und wollen, dann würde ihnen allen jährlich ein Zuwachs von 11% (=8,5+2,5%) zukommen. Die Regierung richtet sogar einen Sonderfond für die Arbeitslosen ein, dass die auch dran teilnehmen können, oder noch besser, sie macht es gleich nach der Bismarckschen Art und verpflichtet durch Zwangsabgaben all ihre Bürger auf dieses nationale Bereicherungsprojekt. Schon bei nur 2% Inflation wäre die naiv-mathematisch zu erwartende Summe nur noch ca. 350.000 Euro, also weniger als die Hälfte von "deedls" versprochener Summe. Bei 4% wären es schon 170.000 Euro, bei 6% etwa 80.000 Euro. Also fast nur noch ein Zehntel von der vorgerechneten Summe.
Modifikation der Rechnung. Sei i die als über Jahre konstant angenommene Inflationsrate (z.B. i=2%=0,02), dann ändert sich die obige Formel wie folgt:
Ich will damit nur einmal demonstrieren, auf welch wackligen Füßen solch eine Prognose steht.5 Man könnte vielleicht eine vernünftigere Rechnung anbieten, die alle möglichen Ausgleichsbewegungen (z.B. Bewegung des Lohns) kalkuliert, um am Ende eine Abschätzung einer oberen und unteren Schranke für den zu erwartenden Gewinn anzugeben. Selbst dies hielte ich für utopisch, aber für eine kurzfristige Betrachtung vielleicht noch irgendwie plausibel für eine Entscheidungsgrundlage, ob man in das in Geschäft einsteigen möchte oder nicht. Aber so etwas hat "deedl" uns nicht vorgerechnet, sondern im Grund einfach nur eine Dreiviertelmillion versprochen. Alles machbar.
Okay, aber gesetzt den Fall, man könnte alle Preise durch eine Zaubermethode - z.B. sekundengenaue dynamische Anreizsetzung, Besteuerung und Subventionierung mithilfe einer nationalen oder gar internationalen KI - irgendwie stabilisieren. Dann stellen sich Anschlussfragen. Was ist mit den Leuten, die keine 47 Jahre bis zur Rente mehr haben, sondern vielleicht nur noch 5? Die zahlen in dieser Zeit von 60 Monaten insgesamt 3000 Euro ein, um auf diese Weise ca. 735 Euro zu erwirtschaften. Das reicht in manchen Städten nicht einmal für die Monatsmiete. Aber naja, die haben halt immer noch die Rente, bei der sich viele auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen darüber beschweren, dass sie trotz lebenslanger Arbeit (in der falschen Branche) nicht zum Leben reicht.
Jetzt mal ganz egal, welche Werttheorie wir zugrunde legen, bleiben wir einfach mal auf der Ebene der Geldströme. Woher kommt denn jetzt dieser Geldzuwachs bei ansonsten stabilen Preisen? Ist es vielleicht so gemeint, dass sich die Bürger wechselseitig alle aneinander bereichern? Aber wie soll das gehen, wenn alle ein positives Geschäft machen, d.h. wenn alle mehr bekommen, als sie geben? Ich würde da gern eine Aufschlüsselung sehen, wenigstens eine theoretische. Das klappt ja schon in einem Modell von nur 2 Personen nicht: A gibt B Geld und B gibt A Geld. Das neutralisiert sich doch. Oder hab ich einen Denkfehler? Wenn nicht, was ändert sich grundlegend, wenn C, D und E dazukommen, bzw. noch weitere 80.000.000 Menschen, damit dieser Grundwiderspruch der wechselseitigen Neutralisierung verschwindet?
Gut, vielleicht ist es aber auch gar nicht so gemeint. Vielleicht bereichern sich die Bürger in der Bilanz nicht aneinander, sondern am Ausland: Es fließt mehr Geld ins Land hinein als dass herausfließt. Das würde aber bedeuten, dass wir das Ausland systematisch ärmer machten.6 Diese Annahme der Quelle des Mehrwerts würde global gesehen kein gutes Bild auf unsere Wirtschaftsweise werfen und ich denke auch von uns hätten einige ein sehr schlechtes Gewissen damit und wünschten sich eine Modifikation des Verfahrens.
Vielleicht kommt der Zuwachs ja aus dem allgemeinen technischen Fortschritt? Dann hätte ich aber gern auch in diesem Szenario die Übersetzung gesehen von mehr Gebrauchswert qualitativ neuartiger Technik in einen Geldzuwachs in allen Händen. Oder wird der Zuwachs vielleicht irgendwie aus der Arbeit herausgepresst?7 Welches Licht würde das auf die Gesellschaft werfen, wenn es an der Arbeit liegt? Was passiert eigentlich mit den Nicht-DAX-Konzernen und -Klitschen, wenn alle Habenichtse ihre vom Mund abgesparte Kohle - "deedls" Empfehlung folgend - in den DAX investieren? Ich denke, das geht vorne und hinten alles nicht auf.
Das sehen auch die Foristen nicht anders. Zur Realität des Aktienmarkts vermelden sie:
Ihre überschlägige Rechnung dieser FDP-Art geht doch nur dann auf, wenn die Mehrheit der Menschen, denen sie Aktienkäufe empfehlen, diese nicht kaufen - völlig unabhängig von der Fragestellung der Finanzierung.
Foristin "Yovanka"
Goldene Regel jeden Börsianers: Wenn die Hausfrau an der Börse steht, steht der Crash kurz bevor.
Forist "Captain Data"
Und dann kommt das Arbeitsamt, wenn man eh nicht schon arbeitslos war, und nimmt einem das Ersparte wieder weg. Nee, so sieht sicher kein Produktionsmittelbesitzer aus. Mal ganz zu schweigen von den Gebühren, die von den 50€ dann noch abgehen. Wie viel Aktie bleibt da noch übrig? Also Sie sind sicher kein Aktienbesitzer, wenn Sie das ernsthaft vorschlagen.
Forist "Doed"
Vergessen wird auch, dass man ein Mindestkontingent an Aktien abnehmen muss. Es gibt A- und B-Aktien (mit und ohne Stimmrecht). Jedes Unternehmen hat nur eine bestimmte Menge Aktien ausgeschüttet und kann nicht einfach so weitere Aktien ausstoßen [!!! … um damit allen Bürgern den Lebensabend zu versüßen. AdA]. Und natürlich können Aktien an Wert verlieren, es kann Dividendenausfälle geben usw. usf.
Forist "Captain Data"
Daneben noch ein paar Einwürfe prinzipieller Natur:
Mit der Überschrift "Aktien sind billiger als rauchen" geben sie [...] auch zu erkennen, dass dies bei den Belehrten nur durch realen Konsumverzicht an einer anderen Stelle möglich ist.
Foristin "Yovanka"
Sparen ist eben eine Tugend. Glücksverzicht heute für mehr Glück in der Zukunft hat mein VWL-Prof immer gesagt. Vor allem richtet sich der vorgeschlagene Konsumverzicht ausgerechnet auf einen Suchtstoff, von dem die Tabakindustrie ihre Kunden bewusst abhängig gemacht hat, als diese noch wilde, pubertäre Jugendliche waren. Sind Tabakaktien auch im DAX vertreten? Was passiert eigentlich mit deren Börsenwerten, wenn plötzlich alle aufhören zu rauchen?
Deiner Rechnung entnehme ich, dass der Mensch 47 Jahre nicht von Aktien gelebt hat, und vermutlich Lohnabhängiger (Nichtraucher?) ist. Was wolltest du jetzt gleich noch beweisen?
Forist "jsjs"
Ich kann mir natürlich eine (!) Aktie kaufen, und bin dann formell Miteigentümer an einem Kapital. Wenn mich das nicht der Notwendigkeit enthebt, für das Eigentum anderer Leute zu arbeiten, bleibe ich Lohnabhängiger. Umgekehrt ist ein am Schreibtisch arbeitender Milliardär nicht lohnabhängig. Oder anders gesagt: Am Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital ändert sich nichts, nur weil man ein paar Euro in Aktien investiert.
Forist "jsjs"
Einwand 11: Kapitalismus ist effektiv
Solange es das kommunistische Schlaraffenland nicht gibt, kommt niemand um eine Rentabilitätsrechnung herum [!!! Richtig. AdA], um [!?!] endliche Ressourcen effektiv, d.h. in diesem Fall ohne Vergeudung, zu nutzen.
Forist "Dirk Neumann"
Nein. Ressourcen-Sparsamkeit ist nicht der Zweck im Kapitalismus und noch nicht einmal ein Kollateralnutzen, der sich empirisch bestätigen lässt. Dafür lohnt es sich noch nicht einmal, Statistiken zu bemühen. Allein die weltweite Gründung grüner Parteien und die zunehmende Forderung aufmüpfiger BWL-Studenten, die Umwelt und ihre endlichen Ressourcen mehr in die Lehre einzubeziehen, sind Zeugnis genug davon, dass dies eben nicht passiert. Ob grüne Parteien und grüne Managementstudiengänge (wie z.B. von der Alanus-Hochschule angeboten) tatsächlich eine Lösung sind, ist eine andere Frage. Hier soll nur die Behauptung zurückgewiesen werden, dass Ressourcen-Effizienz ein treibendes Motiv kapitalistischer Produktionsweise wäre. Diese Vorstellung blamiert sich täglich.
Was "Dirk Neumann" unter dem Thema Vergeudung und Überfluss ("Schlaraffenland", "effektive Ressourcennutzung") thematisiert, bespricht die VWL nicht weniger ideologisch unter der Rubrik "Knappheit der Güter". Um die nämlich effizient zu verwalten, dafür seien die Preise da, wird dort gelehrt. Das Problem am Kapitalismus ist aber gar nicht der Mangel. Skandaldokumentationen berichten regelmäßig davon, dass täglich tonnenweise unverkaufte Produkte in den Müll wandern, während gleich nebenan fast eine Milliarde der Weltbevölkerung Hunger leiden muss und eine weitere Milliarde mangelernährt ist, und das auch noch in Weltgegenden, in denen es an Getreidesilos nicht mangelt.
Auch so ein Phänomen: Deutschland gehört in die Riege der Exportweltmeister, beliefert die ganze Welt, und gleichzeitig nimmt hier vermehrt die Obdachlosigkeit zu. In Wahrheit existieren Überfluss und Mangel gleichzeitig nebeneinander. Der Überfluss drückt sich in der unbestrittenenen Produktivität aus, der Mangel in der Verfügbarkeit über die Produkte, die in Fülle vorhanden sind. Die Knappheitsideologie ignoriert gekonnt diese "ungeheure Warensammlung", von der Marx schon direkt im ersten Satz seines Kapitals spricht.8
Noch ein Hinweis zur sogenannten Effizienz des Kapitalismus:
Marktwirtschaftlich ist das Behandeln von Krankheiten gewinnbringender als gesunde Menschen - effizient ist das nicht.
Forist "Hessi9"
Was ist überhaupt so toll an Effizienz, von der man nichts hat, sondern der man ständig im Dienste der Rentabilität untergeordnet wird? Ohne Benennung des Zwecks einer Anstrengung ist die Effizienz, also die quantitative Auskunft über ihre Zweckdienlichkeit, ein nichtssagendes Maß. Oder soll man die Sklavenhaltung dafür verdammen, dass sie hoffnungslos ineffizient war, jedenfalls im Vergleich zur Lohnarbeit, wo in Krisenzeiten der Arbeiter einfach entlassen und sich selbst überlassen werden kann? Mangelnde Effizienz bei der Ausbeutung ist jedenfalls nicht, was Marxisten dem Kapitalismus vorwerfen.
Die Effizienz [der kapitalistischen Produktionsweise]. Kein System bringt arrogante Arschlöcher, Traumtänzer, Spinner, etc. schneller auf den harten Boden der Realität.
Forist "Teldiras"
So, so, Konkurrenz und Insolvenz als pädagogisches Erziehungsprogramm also.
Aber wer hat sich denn den Mehrwert im Staatssozialismus angeeignet Und war es eben nicht doch ein Problem der zu niedrigen [!!!] Arbeitsproduktivität, dass man die Betriebe nicht hinreichend modernisieren konnte?
Forist "EchtLinks"
(Was ist denn überhaupt der "Mehrwert" in einer Gesellschaft, in der die Produkte nicht zu ihrem Wert gehandelt werden, der durch die Konkurrenz der Privatproduzenten auf dem Markt hergestellt wird, sondern in der sie zu politischen Preisen gehandelt werden, insofern die Erwirtschaftung eines Mehrwerts kein Hauptkriterium der Produktion sein kann?9 Und wer eignet sich diesen in einer Gesellschaft ohne Kapitalisten als ökonomische Klassen an? Die erste Frage hat sich vermutlich selbst beantwortet, wenn man sie so formuliert.)
Zur Frage der Effektivität: Woran bemisst sich eine "zu niedrige" Arbeitsproduktivität? Welchen Maßstab soll man da anlegen? Zu niedrig für welchen Zweck? Niedriger als im Westen? Ist das nicht egal? Wenn der Zweck doch gar nicht darin besteht, noch das letzte bisschen Wert aus den Arbeitern herauszuquetschen, sollte man doch eher wohlgesonnen sein gegenüber solch einer entspannte und Nerven schonende Arbeitsumgebung ohne Konkurrenz. Dass sich Arbeiter bei der Arbeit ausruhen, das können einige überhaupt ab:
Und das Ergebnis ist dann, dass die Fleißigen resignieren und sich genauso gehen lassen wir die Faulen. Denn der Arbeitsplatz ist ja sicher und Geld gibt es am Monatsende, egal welche Leistung man erbracht hat. Hab das hautnah miterlebt in einem größeren DDR-Betrieb als Lehrling. Einige Mitarbeiter haben einfach kaum gearbeitet und die anderen kamen sich dann dumm vor und haben dann selbst auch kaum noch was gemacht. Bier trinken während der Arbeit war da teilweise normal. Im Endeffekt ist der Mensch das Problem, nicht das System.
Forist "tenim"
Und hierzulande klagen alle darüber, wie ätzend ihre Arbeit ist. Die Malocher werden von den Stückzahlen, die Denker von den Abgabefristen getrieben. Publish or perish! Alles ist zeitlich maximal knapp kalkuliert, Produktion just in time. Keiner ist glücklich damit und doch soll es irgendwie besser sein so? Für wen eigentlich? Wer mehr arbeiten möchte, dem wird das auch im Sozialismus niemand verbieten, aber wieso will er seinen persönlichen Arbeitseifer unbedingt der gesamten übrigen Gesellschaft aufdrängen? Ist das nicht eine Art Zwang, den man auf andere ausüben möchte?
Es müssen Faule bestraft werden, damit so ein System funktioniert.
Forist "OdinX"
Ja, das kennen wir. "OdinX" beschwört die Freiheit, die ihm der "echte", "wahre" Kapitalismus zu stiften vermag, aber schon bei den leichtesten Zeichen von Arbeitsverweigerung bei seinen Mitmenschen - oder bei dem, was er für solche hält - fällt ihm sofort nichts anders als Bestrafung ein; womit wir nahtlos zum nächsten Thema überleiten.
Einwand 12: Kapitalismus schafft Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden
a) Freiheit vs. Zwang
Die meisten [!!!] hierarchischen Strukturen unserer Gesellschaft findet man ja auch schon im alten Rom, dieselben Eigentumsbegriffe, recht ähnliche rechtliche Grundgedanken.
Forist "Rimann"
Die "meisten"? Also rein quantitativ betrachtet? Ja, das mag sein. Um dies zu bestätigen, müsste man die Geschichte der Rechtsprechung studieren. Aber ob es auch die qualitativ "entscheidenden" sind, die sich von damals bis heute erhalten haben, würde ich schon arg in Zweifel ziehen. Also mir fallen durchaus ein paar kleine Differenzen zwischen einer sklavenhaltenden und einer bürgerlichen Gesellschaft auf, welche sich bei ihrer Revolution immerhin die Freiheit auf die Fahne geschrieben hat.
Waren die alten Römer Kapitalisten? So etwas wie industrielle Produktion hatten sie in manchen Manufakturen ja auch schon.
Forist "Rimaan"
Nein, waren sie nicht, allenfalls anteilig, nämlich dort, wo die Reichtumsproduktion nicht auf Tributzahlungen, Sklaverei oder Position in der Hierarchie der Staatsämter beruhte. Mag sein, dass es so etwas in einigen Nischen gegeben haben mag. Schließlich waren nicht alle Sklaven. Und jene, die es nicht waren, waren umgekehrt nicht alle Sklavenbesitzer oder Staatsbedienstete (Soldaten, Beamte etc.). Mag sein, dass sich einige als kapitalistische Unternehmer im modernen Sinn betätigt hatten, indem sie Arbeiter, die ebenfalls keine Sklaven waren, gegen einen vertraglich vereinbarten Lohn beschäftigt hatten.
Ob sie damit gegenüber der Sklavenhaltung konkurrenzfähig waren und ihre Position gegen die private Gewalt ihrer Konkurrenten aufrecht erhalten konnten, kann ich mangels ausreichender historischer Kenntnisse nicht beurteilen. Aber das, was ich weiß, widerspricht diesem Bild in allen Belangen. Es ist jedenfalls im agrarischen Sektor anzuzweifeln, dass eine einzelne Bauernfamilie - und sei es auch ein größerer Clan - aussichtsreich gegen die Latifundienwirtschaft der Senatoren konkurrieren konnte, die auf ihren Plantagen Zwangsarbeiter beschäftigten. Vielleicht war dies etwas anderes im Handwerk, etwa in der Rüstungs- und Schmuckproduktion.
Der berühmteste reiche Römer, von Kaiser Augustus mal abgesehen, der sich einfach mal so eben ganz Ägypten zum Privatbesitz erklärt hatte, war Marcus Licinius Crassus. Worauf beruhte sein sagenhafter Reichtum? Vordergründig auf einer kapitalistischen Unternehmung. Denn oberflächlich betrachtet, war er Betreiber einer privaten Feuerwehr, Bauherr, Vermieter und Immobilienspekulant. Dass er seinen Reichtum einsetzte, um damit noch reicher zu werden, hat zwar gewiss kapitalistische Momente, ist aber nur die halbe Wahrheit. Was er in Wirklichkeit tat, war, die Häuser von reichen Bürgern anzünden zu lassen und den Betroffenen dann die einfache Rechnung aufzumachen: Entweder du verkaufst mir dein Haus und Grundstück stark unter Marktwert oder ich lasse es einfach verbrennen. Dann stehst du mit Nichts da. Entscheide jetzt, solange das Haus noch steht!
Die andere Hälfte der Wahrheit ist, wie er überhaupt an sein Startkapital gekommen ist. Er kämpfte im Bürgerkrieg Optimaten (Sulla) vs. Popularen (Marius) - beides Parteien des Adels, die unterschiedliche staatspolitische Interessen verfolgten - auf der Seite der Optimaten und erwarb sich als Sullas Feldherr immensen Reichtum, indem er seine politische Konkurrenz exekutieren ließ und sich im Anschluss daran deren Besitztümer aneignete.
Ist das Kapitalismus? Nein, vom Kapitalismus reden wir erst, wenn die maßgebliche Bedingung der Mehrwertschöpfung vorliegt, der doppelt freie Arbeiter. Im Rom herrschte natürlich auch eine Form von Ausbeutung (= Aneignung fremder Arbeit), doch es war eben nicht die kapitalistische. Aber nur weil die heutige viel weniger brutal ist10, ist es umgekehrt noch lange kein Grund, sie unbedacht abzufeiern:
Was spricht für den Kapitalismus? […] Die individuelle Freiheit. Ich selbst [!!!] entscheide, mit wem ich welche Handel abschließe, und nicht irgendein selbsternannter Oberlehrer […]. Ich selbst habe das Recht, Fehler [!!!] zu machen und aus ihnen zu lernen.
Forist "Teldiras"
"Teldiras" irrt über den Umfang seiner Entscheidungsautonomie ("individuelle Freiheit"). In erster Linie entscheidet überhaupt nicht er "selbst" - nach welchem Kriterium denn überhaupt? -, mit wem ein Handel abgeschlossen wird und mit wem nicht, sondern der Wert der Tauschgüter, denen er gegenüber steht oder die er anzubieten hat. Er verwandelt mal eben einen äußeren Sachzwang in eine innere Vorliebe: Ich mag aber lieber mit dem handeln statt mit dem. Dass das so nicht läuft, weiß "Teldiras" ja im Grunde auch selbst. Er schrieb ja noch im selben Post (s.o.) davon, wie gut die kapitalistische Produktionsweise darin ist, Traumtänzer auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Man kann sich natürlich einreden, man hätte eine freie Wahl, wenn man in Wirklichkeit doch nur der Marktlogik folgt. Natürlich zwingt einen niemand, dieser Logik zu folgen. Doch die erbarmungslose Realität des Marktgeschehens sorgt früher oder später automatisch für die ernüchternde Einsicht.
(Erstaunlicherweise kommt bei "Teldiras" Kapitalismus nicht nur als Erziehungs- (s.o.), sondern auch noch als Bildungsprogramm vor. Das ist seltsam. Um also aus Fehlern lernen zu dürfen, dafür machen wir den ganzen Zirkus mit der weltweiten Verarmung? Das ist doch pure Heuchelei, weil ein vollkommen konstruierter Zweck, der so in der Welt in dieser Allgemeinheit nicht vorkommt. Man lernt zwar idealerweise aus Schäden, die man erleidet. Aber umgekehrt setzt sich doch niemand bewusst solchen Dingen aus, nur um endlich mal die Gelegenheit zu haben, etwas zu lernen. Schmerzforscher im Selbstversuch vielleicht, aber wer sonst?
So geht Lernen ohnehin nicht: Um einen Gedanken zu begreifen, muss man sich keiner sensorischen Empirie aussetzen. Will sagen: Man muss sich nicht vor ein fahrendes Auto oder vom Balkon stürzen, um einzusehen, dass dies sehr weh tun könnte. Man muss ebenso wenig auf eine Mine treten, um sich vom Pazifismus überzeugen zu lassen. Die USA beweisen, dass sogar eine schier endlose Aneinanderreihung von School Shootings - also sehr, sehr viel Empirie (!) - nicht ausreichend Lehrstoff ist, um daraus denselben simplen Schluss zu ziehen, den fast der gesamte Rest der Welt noch ganz ohne praktische Erfahrung gezogen hat, dass Waffen in einer von ökonomischen Gegensätzen durchseuchten Zivilbevölkerung rein gar nichts zu suchen haben. Um das alles zu lernen, reicht schon die bescheidene Vorstellungskraft. Und ob der zu trauen ist, da kommt es ganz entschieden darauf an, wie man zuvor seine Gedanken sortiert hat, sonst kann da letztlich alles Mögliche draus folgen.)
Ökonomische Zwänge gibt es natürlich, aber das macht genau einen mündigen und erwachsenen Menschen aus, dass er in der Lage ist, die Verantwortung für diese zu tragen.
Forist "Klaus N"
Zwänge sind dadurch gekennzeichnet, dass man ihnen unterliegt. Warum sollte man auch nur in Erwähnung ziehen, dafür die Verantwortung zu tragen? Wie sähe das dann aus?
Forist "jsjs"
Ja gut, aber wenn man von den ökonomischen Zwängen mal absieht, ist Kapitalismus doch ansonsten nichts als gelebte Freiheit - jedenfalls im Gegensatz zum Sozialismus:
Wer etwas mit seiner eigenen Hände Arbeit herstellt, möchte es gerne behalten. Der Sozialismus basiert aber darauf, dass ihm alles weggenommen und an andere verteilt wird, während er selbst nur einen winzigen - [!!! Welchen? Frage des Autors] - Teil behalten darf. Das wollen insbesondere fleißige [!!!] Menschen nicht und erwehren sich der Wegnahme. Diese Gegenwehr muss daher unterdrückt und gewaltsam beseitigt werden. Daher ist der Sozialismus gezwungenermaßen autoritär und gewalttätig.
Forist "Erexopia"
Da findet fast überall auf diesem Globus tagtäglich die systematische und massenhafte Aneignung des Produkts fremder Arbeit (Mehrwert) statt, und wo fällt einem der Zwang auf? Ausgerechnet dort, wo sich Arbeiter im eigenen Interesse zusammenschließen, um solchen Härten eine Absage zu erteilen. Die mit dem technischen Fortschritt zunehmende Produktivität erlaubt es den Arbeitern, mehr zu produzieren, als für den eigenen Bedarf nötig ist, ganz unabhängig von der Gesellschaftsform. Es ist also eine Trivialität, dass in jeder arbeitsteiligen Gesellschaft, egal ob in der kapitalistischen oder in sonst irgendeiner Produktionsweise, die Arbeiter die Dinge nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere produzieren.
Die entscheidende Frage ist: Wem steht im Anschluss der Produktion der Überschuss (Fachsprech: "Mehrprodukt") aus der gesellschaftlich ermöglichten Produktivität - und eben nicht bloß aus dem eigenen Fleiß heraus - letztlich zu? Im Kapitalismus landet alles in der privaten Geldbörse des Kapitalisten. Er entscheidet - bis auf abgetrotzte arbeitsrechtliche Verpflichtungen und gesetzliche Schranken - nach ganz eigenem Ermessen, wie er dieses Geld zur Verfolgung eigener Zwecke letztlich einsetzen möchte (Teil 5). In einer kommunistischen Produktionsweise soll dies der gesamten Bevölkerung zustehen. Ärmer würden die Arbeiter dadurch jedenfalls nicht, da sie ja umgekehrt auch an dem Überschuss der anderen Arbeiter beteiligt wären. Ihnen wird insofern nichts weggenommen, sondern nur der Klasse der Kapitalisten, und darum geht es ja auch letztlich. Marx spricht von der "Expropriation der Expropriateure", also von der "Enteignung der Enteigner".11
Das systematische Scheitern an der Zahlungskräftigkeit, die man häufig genug nicht selbst als Mittel in der Hand hat - diesen Zwang, den verwandeln einige Foristen hier in gelebte Freiheit pur:
Wenn Peter Peterson am verdursten ist und ihm jemand ein Wasser für 100 Euro verkauft, dann ist das ein freier Tausch.
Forist "OdinX"
Oh je, das ist sie also - die viel gerühmte Freiheit im Kapitalismus.
Richtig ist, dass ein Erpressungsverhältnis vorliegt. Der Käufer von Schuhen ist auf Schuhe angewiesen und kann den Kauf schlecht unterlassen. Rechtlich ist er nicht verpflichtet, irgendeinen Tausch einzugehen. Das ist übrigens bei jedem Erpressungsverhältnis so: Geld oder Leben - du hast die Wahl.
Forist "jsjs"
[Der Kapitalist] fragt sich nicht, wie viel Arbeit drin steckt, und was dementsprechend der "korrekte" Preis wäre. Ist er Monopolist, nimmt er das, was er bekommen kann, soweit das Erpressungsverhältnis halt trägt. Hat er Konkurrenz, gibt es also einen Markt, regelt die Konkurrenz den Preis.
Forist "jsjs"
"OdinX" hält dagegen:
Der einzige [!!!] Zwang, also die einzige Gewalt, geht vom Staat aus, der einem Reichtum in Form von Steuern abnimmt. Das ist der einzige Moment, wo man Reichtum verlieren kann. Klar, man erhält dadurch Infrastruktur und so, aber es ist nicht garantiert, dass für jeden Steuerzahler gilt, dass ihm die Steuern weniger wert sind, als das Resultat, dass er sich damit erzwungenermaßen [!!!] erkauft.
Forist "OdinX"
Und er hat ganz recht! Denn wenn man so ganz gemütlich mit seinem protzigen gefärbten Lamborghini durch die steuerfinanziert gebauten Innenstadtalleen cruiset, was interessiert es da einen, ob der lästige Pöbel einen öffentlichen Nahverkehr hat? Ihm selbst ist solch einer jedenfalls nur sehr wenig wert. Sollen sie doch Taxi fahren!
Aus diesem Grund gäbe [!!!] es in einem absoluten [!!!] Kapitalismus auch keine Steuern, und auch definitiv keine Subventionen von Firmen oder andere zweifelhafte [!!!] Ausgaben. Das, [wofür] der Kapitalismus oft kritisiert wird [!!! … haben Sie nicht verstanden. AdA], sind genau die Punkte, bei denen nicht kapitalistisch gehandelt wird.
Forist "OdinX"
Richtig! Überall mehr davon!
Zu den "zweifelhaften" Subventionen: Der Forist kann sich offenbar nicht vorstellen, dass er selbst einmal in eine solche Lage geraten könnte, in der er auf eine staatliche Finanzspritze angewiesen wäre. Von Seiten des Staates ist solch ein Eingriff jedenfalls folgerichtig, weil systemrelevant. Er will das Geschäft auf seinem Boden auf ein solides Fundament stellen. Dabei gilt es, Schlüsselbranchen und Betriebe mit vielen Beschäftigten gegen die immer produktivere Konkurrenz aus dem Ausland zu schützen. Gerade die gescholtenen Subventionen im Agrarsektor sollen, neben dem Schutz des Sektors, auch ein Stück weit die nationale Ernährungssicherheit und -autonomie absichern.
Niederlagen der hiesigen Industrie gegen die auswärtige bedeuten ja nicht: Och, heute hab ich verloren, morgen dreht sich sicher das Blatt. Nein, sondern: Abwicklung ganzer Industriezweige samt Zulieferer! Bzw. stattdessen: Drastische Senkung des Lohnniveaus in den betroffenen Branchen. Beides geht mit direkten Folgen auch für andere Zweige der Arbeitsteilung einher. Deren Absatz sinkt aufgrund der gesunkenen Nachfrage, weil sich die Leute ihr Zeug nicht mehr leisten können. Sie können nun ihrerseits mangels Einkommen Arbeiter entlassen bzw. deren Lohnniveau nach unten hin korrigieren, usw. Eine Lohnabwärtsspirale. Den Arbeitern wird die Korrektur ihrer nunmehr überzogenen Reproduktionskosten (Lohn) als "Sach-" - Achtung!! - "zwang" verdolmetscht, dem sie sich ohnmächtig fügen müssen wie einer Naturkatastrophe.
Zum Schluss noch ein reeller Gedanke, was es mit Zwang und Freiheit im Kapitalismus so auf sich hat:
Frei ist der Staatsbürger, als dass er die Erlaubnis hat, den Notwendigkeiten [eines lohnabhängigen Erwerbslebens] nachkommen zu dürfen, also z.B. die Freiheit der Person genießt, und freizügig in das Bundesland zu ziehen, wo er einen Job bekommt, wofür er die Vertragsfreiheit braucht.
Forist "jsjs"
Dafür ist die Freiheit da, die man im Kapitalismus hat und so sehr beschwört. Freiheit ist es umgekehrt auch, wenn man keinen Job findet, wofür es Tausend Gründe geben kann, ins ALG2 rutscht und jede Zwangsmaßnahme erdulden muss, da sonst Sanktionen fällig werden. Apologeten der Freiheit können sich dann überlegen, wie viel ALG2-Bezieher sich eine kapitalistische Gesellschaft dauerhaft leisten kann, bis der Unmut überkocht und sich in Hungeraufständen Bahn bricht.
b) Gleichheit und Gerechtigkeit - von der Natur lernen
Was ist schon Gerechtigkeit? Ein waschechter Linker kann diesen Begriff doch sowieso immer nur unter dem Aspekt der totalen Verteilungsgerechtigkeit sehen. Diese betet er götzengleich an. Er kennt gar keine andere Definition oder Auslegung von Gerechtigkeit als diese. Dabei ist absolute Verteilungsgerechtigkeit ein absolut widernatürliches [!!!], abscheuliches [!!!] Ding, das auf ewig unerreichbar bleibt.
Forist "Berberjesus"
Der "abscheuliche" Sozialdarwinismus von "Berberjesus" ist in der Replikreihe ja bereits hinlänglich dokumentiert. Ansonsten lebt seine Wut mal wieder von lauter Unterstellungen. Wenn ich gemeint bin als "waschechter Linker", muss ich den Foristen leider enttäuschen. "Waschechte" Marxisten wissen, dass Gerechtigkeit eine Ideologie ist, also ein gedanklicher Unsinn ist, der Gewalt zementiert. Sie können ihre begrifflichen Einwände aber auch explizit und hinlänglich ausführlich begründen.
Rein biologisch und ethnobotanisch [!?!] ist Ungleichheit ein Fakt. Es gilt dies human in Gleichklang zu bringen, aber nicht durch eine Theorie, die dort [!!! wo? AdA] Gleiches vermutet, wo es sie nie gegeben hat.
Forist "Neumond"
So bleibt die Marxsche Analyse interessant [!!! Als ob! AdA], seine Lösungsvorschläge [!!! Welche wären das? AdA] überholt.
Forist "Neumond"
Rein biologisch können Menschenaffen nicht fliegen - "ethnobotanisch" allenfalls "high werden" (Wortspiel) -, schon gar nicht zum Mond, und sie tun es trotzdem. Wir haben durch Wissenschaft die technische Macht, uns an einigen Stellen von der Beschränkung unserer Biologie "abzuheben" (Wortspiel).
Wenn der Einwand von "Neumond" Geltung haben soll, dann müsste man im Grunde jede technische und soziale Neuerung verdammen, sofern sie in der Biologie nicht vorkommt. Autos z.B. kommen in der Biologie auch nicht vor, also hinfort damit. Eigentum als Rechtstitel, ja überhaupt das gesamte Rechtswesen, Akkumulation von abstraktem Reichtum, all das kommt in der Biologie nicht vor - weg damit! Ebenso auch einige Errungenschaften der Zivilisation, etwa der gesamte internationale Wissenschaftsbetrieb, insbesondere der medizinische - weg damit! Alles, was kein Vorbild in der Natur hat, brauchen wir nicht. Alles muss sozial und technisch genau so zugehen wie es einige besonders scharfsichtige Hobbybiologen meinen, in der Natur vorzufinden.
Und welche Theorie deutet "Neumond" überhaupt an, die überall "Gleiches vermutet"? Etwa "Marxismus"? Je nach dem, was er damit meint, ist glatt das Gegenteil wahr. Marxens Zielvorstellung einer kommunistischen Gesellschaft war jedenfalls folgende:
Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!
Karl Marx, "Kritik des Gothaer Programms"
Er fordert individuelle Rücksichtnahme. Genau dies unterlässt die kapitalistische Produktionsweise, wenn sie all ihre Mitglieder dem Gebot der gesellschaftlich durchschnittlichen Produktivität verpflichtet, an der sie sich alle zu messen und zu bewähren haben. Mehr angestrebte Individualität (= Ungleichheit) geht vom Anspruch her eigentlich gar nicht. Was die Vorstellung kapitalistischer Apologeten angeht, reden sie zwar andauernd von der viel beschworenen Individualität12, wollen aber anscheinend gar nichts dazu beitragen, sie allgemein zu ermöglichen und auch allen anderen zugänglich zu machen. Das empfinden sie nämlich nach eigener Auskunft als parasitär13:
Gibt es Dinge, die für den Kapitalismus sprechen? Exzessive [!!!] Produktivität züchtet und lockt Parasiten. Der Kapitalismus erzeugt sozusagen seine eigene Antithese und das sogar sehr schnell. Das durch Kapitalismus ermöglichte schnelle Bevölkerungswachstum erlaubt vor allem ein Wachstum derjenigen Bevölkerungsschichten, die am wenigsten zur Produktion beisteuern.
Forist "Teldiras"
Das funktioniert insbesondere dadurch, indem diese Bevölkerungsteile als unrentabel aus dem globalen Produktionsprozess entfernt werden und, wenn überhaupt, nur noch durch staatliche Alimentierung oder private Zuwendungen auf dem Niveau des Existenzminimums am Leben erhalten werden. Dieser Zustand wird dann von Leuten wie "Teldiras" und "Berberjesus", die sich ihre Position in der Gesellschaft wohl als eigenen Verdienst zuschreiben (und nicht etwa als Resultat von Zufall und Konkurrenz), unhaltbar empfunden, als parasitäre Frechheit des Pöbels. Ausgerechnet diesen Pöbel wollen sie dann aber auch noch in Foren wie diesen konfrontativ ansprechen und davon überzeugen, sich ihrer hochgradig exklusiven Sichtweise anzuschließen. Ist das nicht ein wenig paradox, frag ich mich.
Ich frage, wie weit ihre sozialpolitische Geduld ginge, wenn sie die Verantwortung hätten? Alle Bezüge streichen und sich selbst überlassen? Oder zum Ausgleich der Belastung der Sozialkassen für Arbeitseinsätze zwangsverpflichten? Warum auch nicht, denn ohne Kohle kommen die Betroffenen sowieso früher oder später in den Knast, der ja in dieser Phantasiewelt ohnehin privatwirtschaftlich organisiert sein muss, damit deren kriminelle Energie nicht auch noch unnötig den Steuerzahler belastet. Und damit der sich dessen Betrieb rentiert, müssen die dort einsitzenden "Kunden" für den gebotenen "Service" eine Gegenleistung erbringen, z.B. auf den Baumwollfeldern und in den Sweatshops. Leider ist das kein bloßes Hirngespinst. Privatknäste sind ist ja gar keine bloßen Träumereien libertär-kapitalistischer Megalomanen mehr, sondern sie sind längst Wirklichkeit, z.B. in den USA, im freisten Land der Welt.
c) Kapitalismus schafft Frieden
Die einen schreiben so:
Kriege sind in der echten Marktwirtschaft nicht möglich [!!!], denn der Markt basiert ja darauf, dass der Staat Gewalt und Diebstahl verhindert. Das gilt nicht nur für die Menschen im Staat, sondern auch für den Staat selbst. Klar, es ist momentan nicht so. Wir leben aber auch nicht im Kapitalismus.
Forist "Odin X"
Die anderen schreiben so:
75 Jahre Frieden hat es in Europa noch nie gegeben.
Forist "Stefan Kammrath"
Ja was denn nun? Leben die Europäer dank Kapitalismus in Zeiten des ewigen Friedens oder nicht? Nicht einmal auf das Faktum können sich die Leute einigen. Wie kann man das überhaupt anzweifeln? Es gab natürlich zahlreiche Kriege seit dem 2. Weltkrieg vor 75 Jahren, an denen europäische Mächte unmittelbar militärisch oder mindestens logistisch und diplomatisch beteiligt waren, wenn auch nicht immer als treibende Kraft, sondern eher im Schlepptau ("Achse des Guten"). Nur um ein paar zu nennen: Korea, Algerien, Kenia (Mau-Mau), Zypern, Ägypten (Suez), Vietnam, baskische und nordirische Troubles, Falkland-Inseln, Afghanistan, Jugoslawien, Irak, Mali, Syrien, Libyen, Ukraine etc.
Von den Kriegen, bei denen europäische Staaten als exportierende Waffenhändler profitiert haben und aktiv beteiligt waren, wollen wir gar nicht erst anfangen zu sprechen, dann bekommen auch vermeintlich harmlose Staaten wie Schweden und Schweiz ihr Fett ab - Deutschland sowieso.
Natürlich kann man so tun, als hätte es das alles nicht gegeben und als hätte nichts davon mit kapitalistischen Interessen in unmittelbarer oder mittelbarer Form zu tun. Aber schon wenn man die einzelnen Kriege nach ihren Ursachen aufschlüsselt, ging es oft mindestens um die Systemfrage (z.B. Korea, Vietnam, Jugoslawien), wenn nicht gar unmittelbar ums geschäftliche Interesse (z.B. Suez, Krieg gegen die Piraterie [Schutz der Welthandelsrouten], ukrainischer Bürgerkrieg [Assozierungsabkommen mit der EU]). Man kann natürlich all das komplett ignorieren und weiterhin so tun, als würde im Krieg bloß die übliche Menschennatur ihren Ausdruck suchen und finden, so ganz motivlos14:
Kriege gab es schon, bevor es Geld gab.
Otoshi
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