Katalonien: "Freiheit für politische Gefangene"

Seite 2: Deutschland bleibt mit der Inhaftierung von katalanischen Exil-Politikern weiter allein

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In Großbritannien ließ ein Gericht die frühere Ministerin Clara Ponsatí frei, die nun an einer schottischen Universität einen Lehrauftrag ausführt. Ihr wurde lediglich der Pass eingezogen. Die Schweiz hat es zudem abgelehnt, den Haftbefehl gegen die ehemalige CUP-Sprecherin Anna Gabriel umzusetzen, da es sich um "politische Delikte" handelt. Da hat es auch nichts geholfen, dass der spanische Außenminister Alfonso Dastis seinen Schweizer Kollegen Ignazio Cassis um Unterstützung gebeten und ihn damit in Verlegenheit gebracht hat, wie berichtet wird.

Auch aus Belgien sind keine Festnahmen oder Verhaftungen zu vernehmen, der Anwalt der dortigen Exilierten kommt zur gleichen Einschätzung wie Telepolis, dass sich das Auslieferungsverfahren in Deutschland "mehr als ein Jahr" hinziehen dürfte. Gonzalo Boye hat gerade auch Puigdemont im Knast in Neumünster besucht, denn er koordiniert zwischen denen, deren Auslieferung auf Basis des europäischen Haftbefehls gefordert wird. Er steht auch im Kontakt mit dem deutschen Verteidiger von Puigdemont und der macht nun auch der Bundesregierung die Hölle heiß, der offensichtlich beim Freundschaftsdienst für Mariano Rajoy nicht klar war, in welches Wespennest man sich da setzt.

Wolfgang Schomburg fordert von der Bundesregierung, sie solle "unverzüglich" erklären, dass sie eine Auslieferung Puigdemonts an Spanien politisch keinesfalls bewilligen werde (Ehemaliger Richter am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag vertritt Puigdemont). Er klärte darüber auf, dass solche politische Bewilligung des spanischen "Rechtshilfeersuchens" nach dem Gesetz zur Internationalen Rechtshilfe notwendig ist, ganz unabhängig von der juristischen Entscheidung des zuständigen Gerichts. "Bewilligungsbehörde sei angesichts der Bedeutung des Falles die Bundesregierung in Gestalt von Justizministerin Katarina Barley", schreibt die Süddeutsche Zeitung mit Bezug auf den Anwalt. Sie stellt auch fest, dass man es sich bei Schomburg um ein Schwergewicht handelt, "einen der weltweit führenden Experten des internationalen Strafrechts".

Dem Verfahren müsse "so oder so" schnell ein Ende bereitet werden - "um nicht spanische Interessenskonflikte auf deutschem Boden austragen zu lassen". Schomburg kennt sich aus, er war Bundesrichter in Karlsruhe; sodann wurde er von der UN-Vollversammlung als erster deutscher Strafrichter an ein internationales Strafgericht gewählt; er war Richter am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag und dann für Ruanda in Arusha.

Schomburg stellt fest, dass der vom spanischen Richter Pablo Llarena ausgestellte Haftbefehl nur sehr unpräzise und oberflächlich seien und juristisch keinen Bestand haben werden. Man wisse nicht einmal, um welchen Haftbefehl es sich eigentlich handele, da er mit "Europäischer Haftbefehl" und mit "Internationaler Haftbefehl" überschrieben sei. Der Vorwurf der Rebellion, der eindeutig mit Gewalt einhergehen muss, sei "unhaltbar", der Vorwurf der Korruption "abenteuerlich". Tatsächlich hat Llarena, wie es auch schon Carmen Lamela in Belgien versucht hatte, Korruption nur angekreuzt, weil das ein Auslieferungsgrund nach dem Europäischen Haftbefehl ist.

Doch, das sagen alle Anwälte, besteht schon ein großer Unterschied zwischen "Veruntreuung" und "Korruption". Ob man es als Veruntreuung ansehen kann, dass die Politiker Geld für ein Referendum eingesetzt haben, so wie sie es im Wahlkampf versprochen hatten, und das mit Gesetzen im katalanischen Parlament verabschiedet wurde, ist tatsächlich mehr als abenteuerlich und wird noch abenteuerlicher, wenn diese Vorwürfe von Rajoys Volkspartei (PP) kommt, die bis zur Halskrause in echten Korruptionsskandalen steckt und hunderte Parteimitglieder, sogar bis in die PP-Führung angeklagt werden. Die Chancen, dass Puigdemont oder andere tatsächlich an Spanien ausgeliefert werden, sind mehr als trübe. Das weiß auch Richter Llarena, aber der macht bekanntlich, was die Regierung Rajoy von ihm fordert.