Kernkraft oder Kohle?

In den USA wurde bei Sicherheitsvorkehrungen geschlampt, weil die Kernkraft sonst zu teuer wäre. Deshalb wird auch verstärkt in die Kohlekraft investiert - eine Zwickmühle

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Vor wenigen Jahren beschwerte sich Dick Cheney, die US-Regierung habe seit Jahrzehnten keinen Antrag für den Bau eines neuen Kernkraftwerkes genehmigt. Cheney möchte selbst Duzende neuer KKWs bauen lassen. Was Cheney aber verschwieg: Die US-Regierung hat seit Jahrzehnten auch keinen Antrag abgelehnt, denn der letzte Antrag wurde 1978 gestellt - im Jahr vor dem Unfall auf Three Mile Island.

Seit März rollen die ersten Anträge und Genehmigungen wieder, allerdings nur sogenannte "Early Site Permits" (ESP), die den Bau eines neuen Kernkraftwerks zumindest an der beantragten Stelle möglich machen. Dieser neue Genehmigungstyp wurde als Teil des im Jahre 2002 ins Leben gerufene Nuclear Power 2010"-Programm geschaffen, um den Bau von neuen Kernkraftwerken zu erleichtern. Federführend für dieses Programm war Spencer Abraham, der derzeitige Direktor der US-Tochterfirma des französischen Kernkraftbetreibers AREVA.

Entergy, die nun eine Vorabgenehmigung für ein weiteres KKW erteilt bekommen hat, ist der zweitgrößte Betreiber von Kernkraftwerken in den USA und unterhält unter anderem das KKW Waterford bei New Orleans (siehe Kasten "taft" ganz links), welches 2005 den Sturm Katrina standhielt. Allerdings befindet sich die Anlage auf der Golfseite vom Mississippi-Fluss. Sollte das Auge eines Orkans über die Anlage passieren, dürfte sie überflutet werden. Wird sie in den nächsten Jahrzehnten mehrmals von einem Orkan getroffen, könnte sie dauerhaft im Golf stehen.

Am 8.3.2007 wurde die erste ESP in Illinois erteilt, am 5. April kam dann im Bundesstaat Mississippi eine weitere hinzu. Die Chefin von Entergy Mississippi erklärte, ihre Firma könne so die CO2-Emissionen reduzieren. Bis zu 33 neue Kernkraftwerke sind in den USA im Gespräch.

Dabei wird in einer neuen Studie von der University of Berkeley (Kalifornien) darauf hingewiesen, dass die Kosten der Kernkraft gar nicht abschätzbar sind. Historisch betrachtet haben bisherige Kernkraftwerke bis zu 500% mehr gekostet als ursprünglich geplant, was laut Mitautor Prof. Dan Kammen bei keinem anderen Energieträger der Fall ist. Die Industrie argumentiert, dass man damals noch herumexperimentiert habe - jedes Kernkraftwerk war ein Unikat. Dem stehen die neuen Auflagen entgegen, die man seit dem Unfall in Harrisburg (Three Mile Island) der Industrie auferlegt hat.

Dass diese Auflagen zu hohen Kosten führen können, hat man auch 2007 gesehen: Im März verhängte die US-Umweltbehörde EPA eine Strafe gegen die US-Energiebehörde DOE in Höhe von 1,14 Millionen USD - die bislang höchste derartige Strafe. Die EPA hatte festgestellt, dass ein Mitarbeiter am Zwischenlager Hanford die Ergebnisse von Tests protokollierte, die überhaupt nicht durchgeführt worden waren. Diese mutwillige Vortäuschung soll in die Zeit zurückreichen, als die Firma Bechtel das Zwischenlager betrieb. Bechtel ist als größte Ingenieursfirma der USA eng mit der Bush-Familie und der saudischen Königsfamilie verflochten und hat seit 2003 kräftig am "Aufbau" Iraks mitverdient.

Womit deckt man die Grundlast?

Bekanntlich verkauft sich die Kernkraft nun als saubere Alternative zur Kohlekraft, die andere Hauptquelle von Grundlaststrom. Wie man dieser Liste entnehmen kann, laufen die meisten AKWs entweder zu 100% oder gar nicht. Man kann Kernkraftwerke nämlich schlecht hoch- und herunterfahren.

Die hohen Kosten der Kernkraft dürften aber die großen Energieversorger, die ja auch gleichzeitig Betreiber von Kohlekraftwerken sind, nicht abschrecken, denn die Kohlekraft wird auch sündhaft teuer, wenn sie sauber werden soll - womöglich verdoppeln sich die Kosten, wenn die Technik überhaupt im Großformat funktioniert. Neuerdings ist aber diese saubere Kohletechnik unabdingbar geworden, denn die USA hat die größten Kohlereserven der Welt und erzeugt rund die Hälfte seines Stroms aus Kohle. Seit der Entscheidung des US-Verfassungsgerichts gelten CO2-Emissionen in den USA als Luftverschmutzung und können deshalb reguliert werden.

Trotzdem boomt derzeit die Kohleindustrie in den USA, denn aus Kohle kann man auch flüssige Treibstoffe machen, und Öl ist nicht nur teuer, sondern schmutzig und muss importiert werden. Warum nicht die Umwelt mit der billigeren Kohle aus der Heimat verschmutzen? So erklärte der Vorstandsvorsitzende von Peabody Energy, dass seine Firma auf "coal-to-gas and coal-to-liquids" für weiteres Wachstum setzt, als er im Dezember den Gewinnanstieg von 45% seiner Firma bekanntmachte. Seit Jahren hängt Peabody selbst Exxon am Aktienmarkt ab; während sich der Aktienpreis für Exxon seit Anfang 2004 mehr als verzweifacht hat, kostet Peabody nun mehr als viermal so viel.

Man muss sich also so oder so auf höhere Strompreise einstellen, wenn die Kohle sauber werden und die Kernkraft die gesetzlichen Auflagen einhalten soll. Das dürfte die Befürworter der erneuerbaren Energien eher freuen, schließlich ist der Vorstand der Solarworld AG, Deutschlands größter Solarfirma, für seine Aussage bekannt, er würde gerne auf Subventionen verzichten, wenn die konventionellen Energieträger auch auf ihre Subventionen verzichten würden. Damit die finanziell Schwächeren diese höheren Preise verkraften können, empfiehlt sich der Einsatz intelligenter Energienetze, wie sie der US-Energieexperte Jeffrey Michel propagiert. Wenn die Stromverbraucher besser an die Stromversorger angepasst werden, stellt sich das Problem der Grundlast nicht mehr so drastisch. Denn die Grundlast gibt es nicht, die macht man. Und wenn man den Bedarf flexibler anpassen würde, wären so viele Grundlastkraftwerke gar nicht mehr notwendig.