Kieselalgen und Nanotechnologie

Die komplizierten Zellwandstrukturen der Kieselalgen können Vorlagen für die Herstellung dreidimensionaler nanotechnologischer Gebilde und Geräte dienen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Diatomeen oder Kieselalgen genannt sind die nicht nur die wichtigsten Biomasse- und Sauerstoffproduzenten im Wasser, sondern ihre Strukturen aus Kieselerde (Siliciumdioxid) zeichnen sich auch durch Vielfältigkeit und Schönheit aus. Ihre große Vielfalt an Gestalten könnten auch als Vorbild für die Herstellung von dreidimensionalen Nanostrukturen dienen.

Kieselalge. Foto: AWI

Die etwa 100.000 Kieselalgenarten unterscheiden sich alle in Aussehen und Größe. Ihre Zellwandstrukturen sind zwischen einem Mikrometer winzig und einigen Millimetern groß. Beeindruckend aber ist vor allem die große Vielfalt der Formen, die nicht nur ästhetisch, sondern auch praktisch als Form technischer Gebilde in Nanogröße sein können. Ernst Haeckel hatte bereits in seinem Buch Kunstformen der Natur viele Formen der faszinierenden Diatomeen zeichnerisch festgehalten.

Kenneth Sandhage, ein Chemieprofessor an der Ohio State University in Columbus ist über die Biologin Monika Schönwälder vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) mit den Strukturen der Kieselalgen bekannt geworden. Das AWI besitzt eine der größten Kieselalgensammlungen der Welt. Mit den etwa 100.000 Arten gibt es nicht nur 100.000 verschiedene dreidimensionale Strukturen als Vorbilder, die Kieselalgen können sich auch rasant schnell vermehren. Von einer einzigen Kieselalge können in 10 Tagen über eine Milliarde ähnlich gestaltete Zellwandstrukturen entstehen: "Ein derartig massiv-paralleler Selbstzusammenbau von 3D-Nanostrukturen unter günstigen Bedingungen der Umwelt ist höchst attraktiv für nanotechnische Anwendungen", sagt Sandhage.

Kieselalgenschalen vor und nach der Überführung in Magnesiumoxid. Bilder: K. Sandhage et. Al./Ohio State University

Die Gehäuse der einzelligen Mikroalgen bestehen aus Siliziumoxid, das allerdings selbst kein perfektes Material darstellt. Sandhage hat mit seinem Team ein Verfahren entwickelt, mit dem das Silizium bei der Kieselalge Aulacoseira unter Beibehaltung der dreidimensionalen Form ersetzt werden kann. Erhitzt man die Schalen auf 900 Grad Celsius und setzt sie Magnesiumgas aus, so wird das Silizium vom Magnesium verdrängt. Die Schalen bestehen dann aus Magnesiumoxid und könnten dann beispielsweise zur Aufnahme von Schwermetallen verwendet werden. Die Technik könne aber auch für andere Zwecke eingesetzt werden. Sandhage arbeitet gegenwärtig mit einem Pharmakologen zusammen, um Behälter für Medikamente aus Calciumoxid zu entwickeln, das vom Körper absorbiert werden kann.

Möglicherweise könnte man, so Sandhage, auch die DNA von Kieselalgen verändern, um nicht natürlich vorkommende Strukturen aus Siliziumoxid zu erhalten, die man dann gewissermaßen in anderes Material mit den erwünschten Eigenschaften gießt. Daraus ließen sich dann gentechnisch hergestellte Mikrogeräte (Genetically-Engineered Microdevices) mit maßgeschneiderten Zusammensetzungen und Formen wie Mikrokapseln, Mikroschrauben, Mikrorädern oder Mikroreaktoren herstellen.