Kleine Spinner

Nanoblumen und Elektrospinnen: Elektronenmikroskopisch kleine Kunst und ihre technische Anwendung

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Wissenschaft kann so schön sein, wenn Forscher Nanoblumen aufblühen lassen. Gleichzeitig wird intensiv daran gearbeitet, immer feinere Nanofasern zu spinnen, wie in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals Science berichtet wird.

Natürlich ging es Ghim Wei Ho und seinen Kollegen von der University Cambridge nicht darum, einen Garten für die Zwerge (Nano bedeutet auf griechisch Zwerg) anzulegen. Sie experimentieren mit der Entwicklung neuer Materialien. Für ihren Versuch tropften sie das flüssige Metall Gallium, das in Verbindungen zur Herstellung von Leuchtdioden und Transistoren dient, auf eine Silizium-Oberfläche. Das Ganze wurde mit einem Methan enthaltenden Gas bedampft und kondensierte dann in Form von Nanodrähten aus Siliziumkarbid mit einem Durchmesser von weniger als einem Tausendstel eines menschlichen Haares.

Nanoblüten (Bild: Cambridge University)

Das Verfahren nennt sich chemische Abscheidung aus der Gasphase (Chemical Vapor Deposition). Durch Veränderung des Druckes und der Temperatur kann der Wachstumsprozess der feinen Drähtchen beeinflusst werden und es entstehen verschiedene neue Strukturen, zum Beispiel die mit einem Rasterelektronenmikroskop fest gehaltenen Formen, die Bäume und Blüten ähnlich sehen. Die Bilder, mit denen die Studentin Ghim Wei Ho bereits einen internen Fotowettbewerb in Cambridge gewann (Photo competition at the Department of Engineering), werden in der August-Ausgabe des Journals Nanotechnology des Institute of Physics veröffentlicht und sind in einer Vorab-Onlineversion schon verfügbar (Three-dimensional crystalline SiC nanowire flowers).

Aber die neu geschaffenen Formen sind nicht nur schön, sondern bergen auch praktische Anwendungsmöglichkeiten für Nanomaterialien. Wei Hos Professor, Mark Welland, erklärt:

“Die einmaligen Strukturen, die in diesen Bildern gezeigt werden, haben eine ganze Bandbreite von aufregenden Verwendungspotenzialen. Zwei werden gerade auf ihre Fähigkeiten als wasserabstoßende Beschichtung hin untersucht und als Grundlage für einen neuen Typ von Solarzelle.“

Elektrospinnen von Nanofasern

In Science gibt Yuris Dzenis von der University of Nebraska-Lincoln in Lincoln einen Forschungsüberblick über das Spinnen von Nanofasern (Nanofasern vor der Kamera). Neben Nanoröhrchen (Der exotische Beat der Nanoröhrchen) gelten sie als besonders viel versprechend, wenn es um die künftige Herstellung intelligenter Materialien geht. Von der Elektronik über Filtersysteme bis zur Medizin sollen die neuen Werkstoffe Wunder wirken. Schuhe mit Nanosohlen könnten in Zukunft Spidermans Fassadenkletterei für alle ermöglichen (Nano-Kontakte optimieren Haftung). Menschliches Gewebe soll mit den winzigen Fädchen wieder aufgebaut, Knochenbrüche geheilt (Nano-biotechnology: carbon nanofibres as improved neural and orthopaedic implants) oder das Wachstum von Nervenzellen angeregt werden (Scientists Grow Neurons Using Nanostructures). Das Militär stellt sich gar leichte, schusssichere Westen und mit integrierten Sensoren ausgestattete biologische Hightech-Schutzanzüge vor (Nanotechnologie für das Militär).

Nanobäumchen (Bild: Cambridge University)

Bisher werden Nanofasern aber meist mit synthetischen Bottom-up-Methoden hergestellt, d.h. durch Manipulation einzelner Atome oder Moleküle aufgebaut. Die kontrollierte Manipulation und damit die Steuerung der entstehenden Fasern ist bei diesem Ansatz schwierig, und damit auch ihre Integration in Anwendungen. Um gezielt gewünschte Formen und Strukturen von Nanofasern herzustellen, bietet sich das Elektrospinnen an. Das Verfahren ermöglicht die Produktion von kontinuierlichen Polymer-Nanofasern in einem starken elektrischen Feld (Elektrospinnen von Nanofasern). Das erste Patent wurde bereit 1934 erteilt, dennoch blieb das Elektrospinnen bis Mitte der 90er Jahre weitgehend unbeachtet. Inzwischen beschäftigen sich Forschergruppen weltweit intensiv mit diesem Prozess, allein im Jahr 2003 wurden ungefähr 200 Artikel dazu in Fachzeitschriften veröffentlicht. Mehr als hundert synthetische und natürliche Polymere wurden in Laboren zu Nanofasern mit Durchmessern von wenigen Nanometern (1 Milliardstel Meter) bis zu Mikrometern (1 Millionstel Meter) versponnen.

A:Vergleich von kommerziellen Kohlenstofffasern bester Qualität und elektrogesponnener Nanofaser
B und C: Vergleich von dampfgezogener kommerzieller Kohlefaser (B) und elektrogesponnener Kohlefaser: Die Nanofaser ist deutlich gleichmäßiger und reiner
D und E: Beispiele von hoch abgeglichenen und ausgerichteten linearen und orthogenalen Zusammenstellungen von Nanofasern
F: Querschnitt einer nanokristallinen Zirkonfaser für potentielle Anwendungen in superfester Keramik. (Bild: Science)

Das Verfahren ist wesentlich kostengünstiger als die meisten Bottom-up-Methoden. Die entstehenden Fasern sind meistens sehr gleichförmig und ununterbrochen. Deswegen bestehen gegen diese kontinuierlichen Fädchen weniger gesundheitliche Bedenken, als gegen andere Nanopartikel (Heftige Diskussion um Nanotechnologie). Sie können auch einfacher mit anderen Bauteilen für Anwendungen verbunden werden.

In jüngster Zeit sind große Fortschritte bei der Steuerung des Prozesses gemacht worden, die vor allem für die künstliche Erzeugung von Gewebe, das Tissue Engineering interessant sind. Dazu gehören die Forschungen von südkoreanischen (Electrospinning of silk fibroin nanofibers and its effect on the adhesion and spreading of normal human keratinocytes and fibroblasts in vitro) und deutschen Wissenschaftlern (Elektrogesponnene Nanofasern auf Poly(L)-Lactid- Basis als Matrix für Tissue Engineering).

Elektrogesponnene Nanofasern mit menschlichem Haar (Bild: Uni Marburg)

Einige wichtige Fragen sind aber immer noch offen, vor allem die Verkleinerung des Durchmessers macht noch Probleme. Vereinzelt ist die Herstellung von Nanofasern mit Durchmessern von drei bis fünf Nanometern durch Elektrospinnen bereits gelungen, aber bei vielen Materialien ist es schwierig, die Grenze von 50 Nanometern für stabile Fasern zu unterschreiten.