Klimakatastrophe: Wie teuer wird die Anpassung?

Ernstes Verkehrshindernis: Hochwasser Anfang Juni in Freiberg am Neckar. Foto: Mussklprozz / CC BY-SA 4.0

Umweltminister wollen mehr Geld zur Anpassung an den Klimawandel. Auch eine Grundgesetzänderung wird gefordert. Warum Emissionsminderung wichtig bleibt.

Die US-Wetterbehörde NOAA schlägt Alarm: Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre steigt schneller als je zuvor. Dabei müsste sie nach dem Klimaabkommen der UNO, das im Jahr 2015 auf dem Klimagipfel in Paris geschlossen würde, eigentlich sinken.

Mehr Treibhausgas als je zuvor seit Messbeginn

Im Mai lag die Konzentration bei 426,90 ppm – "parts per million". Das ist ein Anstieg von 2,9 ppm im Vergleich zum Vorjahres-Mai und der fünftgrößte Zuwachs, der je gemessen wurde. Durchschnittlich stieg die Konzentration in den letzten Jahren um 2,3 ppm.

Als wichtigster Messpunkt gilt Mauna Loa, ein Vulkan auf Hawaii - einfach weil keine Industrieabgase die Ergebnisse verfälschen können: Industrieanlagen sind von Hawaii tausende Kilometer entfernt. Um alle Treibhausgase zu erfassen, wird eine Umrechnung auf Kohlendioxid-Äquivalente vorgenommen: Das Treibhausgas Methan hat beispielsweise eine 28-mal so starke Treibhauswirkung wie Kohlendioxid, weshalb ein Molekül Methan in 28 Kohlendioxid-Äquivalente umgerechnet wird.

Klimawandel: Rekordwerte trotz starkem Pflanzenwachstum

Normalerweise müsste die Treibhausgas-Konzentration derzeit sinken: Die Landmasse der Nordhalbkugel ist größer als südlich des Äquators, weshalb hier die Fauna im wachstumsstarken Frühling durch die Photosynthese auch mehr Kohlendioxid bindet als der Frühling im Süden.

Verlieren die Bäume im Norden dann ihre Blätter, steigt die Konzentration sehr steil an, insgesamt aber liegt der Jahresdurchschnitt immer über dem des Vorjahres. Nur einmal flachte die Kurve leicht ab: Anfang der 1990er Jahre schlug der Zusammenbruch der energieintensiven Wirtschaft des Sozialismus zu Buche.

In den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts hatte der junge Chemiker Charles Keeling an der US-Pazifikküste begonnen, mit einem selbst gebauten Manometer die Kohlendioxidkonzentration der Luft zu messen. Professor Roger Revelle wurde auf die Experimente aufmerksam und schickte Keeling 1957 nach Hawaii, um ein Messsystem auf dem Mauna Loa aufzubauen. Charles Keeling war 2007 gestorben, heute betreut sein Sohn Ralph die Messreihe.

Keeling und sein Team nehmen normalerweise vier Proben pro Stunde. 1958 waren darin 315 Teile Kohlendioxid pro Million Teile Luft enthalten. 1970 waren es 324 dieser "parts per million", abgekürzt ppm.

Enormer Anstieg seit Klimarahmenkonvention

Als die Klimarahmenkonvention 1992 – das Basisdokument für den weltweiten Klimaschutz – beschlossen wurde, registrierten die Wissenschaftler bereits 354 ppm. Jahr für Jahr stieg die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre an, 2007 waren es 381 ppm. Nun sind es also fast 427 ppm.

Die Keeling-Kurve gilt als ältestes Zeugnis des menschengemachten Klimawandels. Nur einmal war sie unterbrochen: Im Herbst 2022 zwang ein Ausbruch des Vulkans die Wissenschaftler, die Messstation zu verlassen. In der vorindustriellen Zeit lag die Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre bei rund 280 ppm, wie Rekonstruktionen etwa von Eisbohrkernen oder Einschlüssen ergaben.

Klima-Kipppunkte: Die Bedeutung der Zwei-Grad-Schwelle:

Oberhalb von 450 ppm droht laut Wissenschaftlern, dass die Erde sich demgegenüber um durchschnittlich zwei Grad aufgeheizt hat. Dann werden sogenannte Kipppunkte im Erdsystem angeschoben, die eine Verselbständigung der Klimaerhitzung zur Folge haben.

Der permanent gefrorene Boden ist so ein Kippelement. In weiten Teilen Kanadas, Sibiriens und Alaskas ist es so kalt, dass die Erde nie auftaut. In diesem "Permafrost" sind doppelt so viele Treibhausgase "festgefroren", wie sich derzeit in der Atmosphäre befinden - 1.600 Milliarden Tonnen Kohlenstoff.

Taut der Boden auf, wird diese Treibhausgasfracht frei und heizt den Planeten weiter an – ohne, dass die Menschheit darauf Einfluss nehmen kann. Je mehr Permafrost auftaut, desto mehr Treibhausgase gelangen in die Atmosphäre. Das führt zu höheren Temperaturen. Wegen der Hitze taut wiederum mehr Permafrost auf. Es ist ein sich selbst verstärkender Effekt, ein Teufelskreis des Klimawandels.

Die Klima-Kipppunkte rücken näher

Der Golfstrom, der Amazonaswald, die Antarktis oder der Nordpol: Gut ein Dutzend solcher Kippelemente gibt es, die bei einer Konzentration von 450 ppm – oder eben zwei Grad mehr – den Planeten gravierend verändern werden.

Deshalb hatte sich die Weltklimakonferenz 2015 entschlossen, ein 1,5 Grad-Ziel als Obergrenze der Klimaerhitzung in den Klimavertrag zu schreiben: Nur unterhalb dieser Temperaturschwelle gibt es die Gewissheit, dass die Kippelemente stabil bleiben.

Nach Auswertung der Daten vermeldete die Weltorganisation für Meteorologie aber, dass die globale Mitteltemperatur 2023 bereits um 1,45 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau lag.

Nicht verwunderlich deshalb, dass der Permafrost längst taut. "Im Vergleich zur vorindustriellen Zeit ist die Grenze in einigen Regionen schon über mehrere Hundert Kilometer Richtung Norden gewandert", sagt Moritz Langer vom Alfred-Wegener-Institut in Potsdam. Das heißt, dass der darunter eingeschlossene Kohlenstoff sich bereits zersetzt.

Hochwasserschutz und Klima-Szenarien für 2100

Bis Ende des Jahrhunderts könnten allein dadurch mindestens 0,1 Grad Erderwärmung zum menschengemachten Klimawandel hinzukommen. Wenn kein Klimaschutz betrieben wird, sogar 0,3 Grad.

Nicht erst durch das Hochwasser in Süddeutschland ist der Komplex Anpassung wieder nach oben gerutscht auf der politischen Agenda: Die Umweltminister der Länder haben auf ihrer Konferenz am Freitag beschlossen, mehr Geld für die Anpassung an den Klimawandel freigeben zu wollen. Außerdem wollen sie eine Grundgesetzänderung prüfen lassen, um Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an die Erderhitzung zum Staatsziel zu erklären.

"Wir müssen für die Hochwasservorsorge mehr Geld in die Hand nehmen", erklärte die rheinland-pfälzische Ressortchefin Katrin Eder (Bündnisgrüne), die derzeit die Umweltministerkonferenz leitet.

Würde Anpassung zum Staatsziel definiert, könnte die Finanzierung kommunaler Anpassungsmaßnahmen dauerhaft als gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern festgeschrieben werden, erklärte sie. Eder befürwortet auch eine Pflichtversicherung für Elementarschäden, "Extremwetterereignisse können jede und jeden treffen, dafür müssen wir die Folgen gemeinschaftlich bewältigen." In Rheinland-Pfalz waren zu Pfingsten die Flüsse über die Ufer getreten.

Klima-Anpassung oder Schäden um 900 Milliarden Euro

Seit vergangenem Jahr gilt in Deutschland ein "Klimaanpassungsgesetz": Nach diesem müssen die Landesregierungen "vorsorgende Klimaanpassungsstrategien" erarbeiten und mit Maßnahmen unterlegen. Behörden sollen die Anpassung an die klimabedingten Änderungen künftig bei allen Entscheidungen mit einbeziehen. Abgesehen von Förderprogrammen stellte der Bund aber keine nennenswerten Finanzen zur Verfügung.

Dabei könnten auf Deutschland bis Mitte des Jahrhunderts ohne Anpassung Kosten von 900 Milliarden Euro zukommen, wie eine Studie im vergangenen Jahr ermittelte. Es scheint also ratsam, sich heute auf die künftigen Extreme vorzubereiten.