Klimakonferenz in Baku: Wenn Öl zum "Geschenk Gottes" wird
Die UN-Klimakonferenz in Baku steht unter keinem guten Stern. Gastgeber Alijew lobt fossile Energieträger. Und Lobbyisten könnten den Klimaschutz ausbremsen.
Noch bis zum heutigen Freitag findet im aserbaidschanischen Baku die 29. UN-Klimakonferenz (COP29) statt - mit Konflikten. Denn schon in seiner Eröffnungsrede pries der aserbaidschanische Staatschef Ilham Alijew die klimaschädlichen Energieträger Öl und Gas als "Geschenk Gottes".
Bei der letzten Weltklimakonferenz in Dubai wurde noch der Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas beschlossen. Nun meldeten sich in Baku mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und der italienischen Ministerpräsidentin Georgia Meloni wieder stimmgewaltige Verfechter fossiler Energieträger und auch der Kernenergie zu Wort. Es gehe darum, die eigene Wirtschaft und Landwirtschaft nicht abzuwürgen.1
Die Staatschefs erhalten von mehr als 1000 Lobbyisten der internationalen Kohle-, Gas- und Ölindustrie Unterstützung. Auch nach der Wiederwahl von Donald Trump ziehen dunkle Wolken auf. Klimaexperten rechnen damit, dass Donald Trump das Pariser Klimaabkommen von 2015 wieder aufkündigen wird.
Eine Entscheidung, die in der Folge zu einem weiteren globalen Temperaturanstieg beitragen würde. Denn Donald Trump, der den Klimawandel infrage stellt, will die Förderung und Nutzung fossiler Energieträger in den USA vorantreiben.
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Der Klimaexperte Mojib Latif vom Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel geht davon aus, dass bei der sich abzeichnenden Entwicklung das angestrebte Ziel von maximal 1,5 Grad Temperaturanstieg nicht mehr zu halten ist. Der Verbrauch fossiler Energieträger wird im Jahr 2024 ein Rekordniveau erreichen. Alle Berechnungen zeigten, dass wir auf dem Weg in eine Drei-Grad-Welt seien.
Von einem Weltklimagipfel, auf dem sich Industrielobbyisten und Staatschefs versammeln, die gemeinsam für fossile Energieträger und Atomkraft eintreten, sei für den Klimaschutz wenig zu erwarten.
Gegen solche Alibi-Veranstaltungen regt sich Protest: Prominente Klimaexperten wenden sich mit einem Appell an den UN-Weltklimachef Simon Stiell. Sie fordern, dass Länder, die den Ausstieg aus fossilen Energien nicht mittragen, keine Klimakonferenzen mehr ausrichten dürfen.
In dem Brief warnen sie, dass die Erderwärmung auch nach mittlerweile 28 jährlichen Klimakonferenzen nicht gestoppt sei – im Gegenteil, eine Erwärmung um mehr als 2,9 Grad bis 2100 sei nicht mehr auszuschließen. Ihr Fazit: Es brauche Mechanismen, um Länder zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sie Klimaziele und -verpflichtungen nicht einhalten.
Außerdem brauche es kleinere, häufigere und lösungsorientierte Treffen. Auch müsse der Zugang beschränkt werden: Das Ungleichgewicht zeige sich daran, dass bei der letztjährigen COP28 in Dubai weit mehr Öl- und Gaslobbyisten akkreditiert waren als etwa Vertreter indigener Gemeinschaften und von der Klimakrise bedrohter Nationen.
Zu den Unterzeichnern des Appells gehören unter anderem Sandrine Dixson-Decleve, globale Botschafterin des Club of Rome, Johan Rockström, Direktor des deutschen Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon.
Militär und Rüstung als Verstärker der Klimakrise
Zum zweiten Mal entsendet die IPPNW eine internationale Delegation als Beobachterorganisation, um auf die Verschränkung von Klimagerechtigkeit, Frieden und Gesundheit aufmerksam zu machen. Die IPPNW wird in Baku von Bimal Khadka (Nepal und Großbritannien), Yusuf Dominic (Nigeria), DDennis Opondo (Kenia) und Laura Wunder (Deutschland) vertreten.
Als Ärzt*innen und Gesundheitsfachkräfte warnen wir davor, dass die fortschreitende Klimakrise, Krieg und eine gefährliche Aufrüstungsspirale inklusive Atomwaffen eine akute Bedrohung für die globale Gesundheit darstellen. Die Klimakrise kann als Stressmultiplikator die Ursachen von Konflikten und Fragilität verstärken, ihre Eindämmung und Anpassungsmaßnahmen können wiederum friedens- und gesundheitsfördernd wirken.Erklärung der IPPNW
Dazu gehören auch eine verbindliche und transparente Berichterstattung sowie die Reduzierung militärischer CO2-Emissionen durch Abrüstung.
Militär, Rüstung und Kriegsfolgen fehlen in der Umweltbilanz
Der militärisch-industrielle Komplex und seine Auswirkungen auf das Klima werden bisher kaum berücksichtigt. Kriege und weltweite Rüstungsausgaben von derzeit über zwei Billionen US-Dollar sind ein Treiber des Klimawandels. Die CO²-Emissionen des Militärs sind für rund 5,5 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Estimating the Military Global Greenhouse Gas Emissions" der "Scientists for Global Responsibility" und des Conflict and Environmental Observatory.
Konflikte und Kriege werden in der Klimabilanz aufgrund unzureichender Daten nicht berücksichtigt. Das bedeutet, dass direkte Auswirkungen der Kriegsführung wie das Abbrennen von Öltanks und Wäldern, Schäden an Infrastruktur und Ökosystemen sowie der Wiederaufbau und die Gesundheitsversorgung der Überlebenden überhaupt nicht berücksichtigt werden. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich bei den ermittelten 5,5 Prozent um eine sehr konservative Schätzung handelt.
Auf Druck der USA wurden die CO2-Emissionen des Militärs aus den Klimavereinbarungen des Kyoto-Protokolls von 1997 und des Pariser Klimaabkommens von 2015 ausgeklammert. Die Weltklimakonferenz müsste dringend die Klimabilanzierung ergänzen und die Mitgliedsstaaten – insbesondere die Atommächte – auffordern, ihre Rüstungsausgaben kontinuierlich zu senken.
Milliardenhilfen für betroffene Entwicklungsländer
Dutzende von der Klimakrise bedrohte Entwicklungsländer und Inselstaaten wandten sich auf der Konferenz an die Verursacher des Klimawandels.
Sie fordern Milliardenhilfen für den Umstieg auf alternative Energien. Allein die vom Meeresspiegelanstieg existenziell bedrohten Inselstaaten pochen auf jährliche Klimahilfen von umgerechnet mindestens 37 Milliarden Euro. "Schützt das Leben, nicht die Profite aus fossilen Energien!", appellieren Vertreter der Inselstaaten des Südpazifiks an die Industriestaaten des Nordens.
Ob die Weltklimakonferenz die berechtigten Anliegen der bedrohten Inselstaaten ausreichend berücksichtigen wird, ist noch Gegenstand zäher Verhandlungen. Dass die Konferenz mit einem Abschlussdokument endet, das weitreichende Ergebnisse zum Klimaschutz und umfangreiche finanzielle Hilfen für die Entwicklungsländer enthält, ist eher unwahrscheinlich.
Im Jahr 2025 wird die Weltklimakonferenz in Brasilien stattfinden. Es ist zu hoffen, dass Präsident Lula da Silva die Forderung von über 400 Klimaschutzorganisationen Kick Big Polluters Out" aufgreift.
Rolf Bader, geb. 1950, Diplom-Pädagoge, ehem. Geschäftsführer der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte*innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), E-Mail: bader-rolf@t-online.de