Klimaschutz ohne persönliche Einschränkungen

Die EU will die Fluglinien in den Emissionshandel einbeziehen, die Gespaltenheit in Fragen des Klimaschutzes machte jetzt ausgerechnet der britische Regierungschef deutlich, der hier führend sein will

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Die Emissionen, die aus dem Flugverkehr stammen, haben in der EU bislang mit drei Prozent nur einen kleinen Anteil an der Gesamtbelastung mit Treibhausgasen. Allerdings steigen die Emissionen steil an, seit 1990 um 87%. Die EU-Kommission beabsichtigt daher zum Klimaschutz den Emissionshandel auch auf die Fluggesellschaften auszuweiten. Aufgrund von erheblichem Druck aus den USA will man zunächst einmal 2011 mit den europäischen Fluglinien im innereuropäischen Bereich beginnen und 2012 dann den Emissionshandel auf alle internationale Flüge erweitern, die in der EU beginnen oder dort landen. Nach Angaben der EU-Kommission werden Flüge innerhalb der EU dadurch bis zu neun Euro teurer werden. Für die deutsche EU-Präsidentschaft hat sich Bundeskanzlerin Merkel vorgenommen, auch dieses Thema voranzubringen.

"Ein Flugreisender mit einem Hin- und Rückflug London-New York generiert", so eine Mitteilung der EU-Kommission, "eine ungefähr ebenso große Emissionsmenge wie ein Durchschnittsbürger der EU durch Beheizen seines Heims während eines ganzen Jahres." Wer will, kann sich ausrechnen, wie groß die Belastung durch seine Flüge ist und auch persönlich eine Kompensation erbringen, beispielsweise in Form eines Beitrags für Bäume, die angepflanzt werden (CO2OL, oder durch finanzielle Unterstützung eines Klimaschutzprojektes in Entwicklungsländern (atmosfair). Man geht davon aus, dass ein Jahr Autofahren mit täglich 35 zurückgelegten Kilometern etwa 2.000 kg CO2 erzeugt, ein Langstreckenflug in die Karibik produziert die doppelte Menge. Suborbitale Weltraumflüge für Privatkunden, die vielleicht schon nächstes Jahr beginnen könnten, würden ein Vielfaches verbrauchen.

Nicht alle sehen allerdings ein, dass sie auch selbst einen Beitrag leisten könnten oder sollten. Ausgerechnet ein Politiker, der britische Regierungschef Tony Blair, der ansonsten gerne für den Klimaschutz wirbt und vor den Gefahren der Klimaerwärmung warnt, weist es weit von sich, persönlich irgendwelche Einschränkungen bei den Flugreisen zu treffen. Blair kam unter Beschuss, nachdem der britische Umweltminister Ian Pearson die britischen Luftlinien und insbesondere Ryanair kritisiert hatte, nicht zur Reduzierung der Treibhausgase zu unternehmen. Ryanair bezeichnete er im Hinblick auf die Übernahme von Verantwortung für das Klima als "das inakzeptable und unverantwortliche Gesicht des Kapitalismus". Ryanair-Boss Michael O'Leary sei stolz darauf, nicht anzuerkennen, dass die Klimaerwärmung ein Problem ist. Der schoss zurück, nannte den Minister "dumm und schlecht informiert", da Ryanair mit der Anschaffung von treibstoffeffizienten Flugzeugen die "grünste" Flotte Europas und die Belastung pro Passagier um 50% gesenkt habe.

Blair rief zwar in einem Interview gestern alle Menschen dazu auf, persönlichen einen Beitrag zum Klimaschutz zu machen. Kleine Veränderungen würden hier schon helfen. Man habe auch in der Downing Street geschaut, was man machen können. Man könne den gesamten Strom aus erneuerbaren Energien gewinnen, in der Downing Street würde man die Heiztemperatur herabsetzen, mehr recyceln und energiesparende Glühbirnen verwenden. Nachdem Blair aber sowieso schon unter Kritik gekommen ist, weil er – er gilt bereits als "Master of Free Holidays" - im Dezember seine Ferien auf Einladung von Robin Gibb von den Bee Gees in Florida verbracht hatte. Zwar wird seit kurzem die Belastung des Klimas durch Regierungs-Flüge kompensiert durch Einzahlungen in Fonds, mit denen Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern finanziert werden, bei privaten Flügen sieht das Blair allerdings anders.

In dem Interview mit SkyNews machte er deutlich, dass er persönlich nicht daran denkt, seine Gewohnheiten zu verändern, obgleich die offizielle Mitteilung über das Interview auf der Downing Street-Website die Überschrift trägt: "Tackling climate change begins at home." Er würde niemand auffordern wollen, Langstreckenflüge im Urlaub zu machen, und auch selbst nicht auf einen Flug verzichten, um seine freien Tage in der näheren Umgebung zu verbringen. Das sei "unrealistisch". Auf die Frage, ob es nicht eine gute Botschaft sei, im Urlaub nicht so weit wegzufahren, antwortete er Blair:

Ich denke persönlich, dass es ein wenig unpraktisch ist, wenn man dies von den Menschen erwarten würde. Wir müssen, glaube ich, schauen, wie wir den Flugverkehr energieeffizienter machen können, wie wir einen Treibstoff entwickeln, mit dem wir weniger Energie verbrennen und weniger emittieren.

Blair versuchte denn auch, sich mit seiner Haltung hinter die Deckung seiner Politikerkollegen auf der ganzen Welt zu begeben: "Ich warte noch immer auf den ersten Politiker, der sich zur Wahl stellt und das öffentlich sagt. Das machen sie nicht. Das ist so, also würde man den Menschen sagen, sie dürften irgendwohin nicht fahren." Seine Devise scheint zu sein, sich einerseits als führender Umwelt- und Klimapolitiker darstellen zu wollen, aber andererseits nichts zu machen, was Folgen für den Einzelnen haben würde. Man können nicht die Billigflüge in Großbritannien beenden, während alle anderen sie weiter nutzen können. Man könne die Menschen nicht zu einem "grünen Programm" zwingen und ihnen sagen, "dass sie keine schöne Zeiten mehr haben und nicht mehr konsumieren dürfen". Zur Verbesserung müsse man letztlich, getreu der Maxime des US-Präsidenten, auf Technik und Wissenschaft setzen, die schon alles lösen könnten. Blair rühmte hingegen, dass Großbritannien eines der wenigen Länder ist, die die Zusagen im Rahmen des Kyoto-Abkommens einhalten werden.

Blair war schon zuvor unter Kritik geraten, weil er es zugelassen hatte, dass die Bahnpreise erhöht werden. Kritiker wie Emily Armistead von Greenpeace sagt, Blair hoffe wohl darauf, "dass irgendjemand Flugzeuge erfindet, die keinen Klimawandel verursachen. Das ist so, wie auf Zigaretten zu warten, die keinen Krebs verursachen. Auf das Beste zu hoffen, ist keine Politik, sondern eine Illusion."