Kommunismus = Internet + Räte

Seite 3: Probleme der Planwirtschaft im 21. Jahrhundert

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Das Dogma ist weniger wert als ein Kuhfladen.

Mao Tse-tung

Es bestehe kein Zweifel daran, dass "Big Data" sowohl die Effizienz als auch die Managementsysteme verbessern werde - im öffentlichen wie im privaten Sektor, schlussfolgerte die Financial Times. Indes verwies die FT aller Euphorie zum Trotz auf eine Reihe von Problemen, mit denen sich die Planwirtschaft des 21. Jahrhunderts konfrontiert sehe. Zum einen sei es das alte Problem der Innovationsmüdigkeit zentral gelenkter Wirtschaftssysteme. Es sei nun mal sehr schwer für Konsumenten, den staatlichen Zentralplanern Nachfrage nach einem Produkt zu signalisieren, dass es noch nicht gäbe, sodass die Planwirtschaft in "die Zukunft fahren würde, indem sie in den Rückspiegel schaut". Die Financial Times zitierte in diesem Zusammenhang Steve Jobs: "Konsumenten wissen nicht, was sie wollen, bis wir es ihnen zeigen."

Hinzu kämen noch berechtigte Fragen nach dem sinnvollen Einsatz sensibler Daten durch staatliche Institutionen, monierte die FT. Dies ist ein sehr zurückhaltende Umschreibung für die nur zu berechtigte Sorge, dass die "Ozeane" von Daten, die von staatlichen Planungsinstitutionen akkumuliert und ausgewertet würden, sehr leicht machtpolitisch missbraucht werden könnten. Insbesondere autoritäre Regimes könnten die neuen Techniken zur lückenlosen Bevölkerungskontrolle verwenden, neben der selbst die Dystopie eines Buches wie 1984 verblassen würde.

Die staatlichen Organe hätten die totale Kontrolle nahezu aller Bereiche der gesellschaftlichen Reproduktion inne, die Vermischung von ökonomischer und politischer Kontrolle ist hierbei vorprogrammiert. Dies geben auch die Autoren der chinesischen Studie freimütig zu, indem sie klar machen, dass die Überwachung der Teilnehmer dieser Planwirtschaft eine "Notwendigkeit" darstellen würde. Hier bestehen klare Differenzen zu westlichen Vorstellungen einer modernen Planwirtschaft, die von der Anonymisierung der Daten ausgeht.

Es stellt sich eigentlich sofort die Frage, wieso bei der Diskussion postkapitalistischer Wirtschaftssysteme die Rolle des Staates von den chinesischen Genossen nicht hinterfragt wird. Wieso halten diese am Dogma des Staates bzw. der staatlichen Planung fest, als ob es keine Alternative gäbe? Der Staat ist schließlich ebenso wie der Markt ein Produkt des Kapitalismus, der in seiner Eigenschaft als "ideeller Gesamtkapitalist" die instabile "Marktwirtschaft" vor ihren autodestruktiven Tendenzen abschirmen muss (etwa Monopolgesetzgebung, organisierte Kriminalität, Justizwesen, Infrastruktur, etc.).

Die Antwort hierauf ist eigentlich klar: Binbin Wang und Xiaoyan Li hinterfragen den Staat nicht, weil sie Teil einer staatlichen Hierarchie sind, die aufrecht zu erhalten selbstverständlich scheint. Die politische kapitalistische Machtstruktur soll bewahrt werden, auch wenn deren ökonomische Basis transformiert werden soll. Es ist somit letztendlich Ideologie, die Märkte überwinden, aber den vom Kapital geformten Staat beibehalten zu wollen. Es ist auch schlicht ineffektiv, an dem Dogma der zentralen staatlichen Planung festzuhalten, wenn - wie es Yuval Noah Harari konstatierte - die dezentrale Datenverarbeitung sehr viel effizienter ist als die zentrale Datenverarbeitung.

Sinnvoller wäre eine netzwerkartige, globale und egalitäre Koordinationsstruktur regionaler oder lokaler Planung, die nur dann globale Planungsstrukturen ausbilden würde, wo sie auch notwendig wären: bei der Allokation von knappen Ressourcen, bei der Bekämpfung weltweiter Probleme (Klimakrise), bei globalen Projekten (Weltraumkommunismus). Die gegenwärtige globale Produktionsstruktur, bei der Waren über den halben Globus verschifft werden, ist selbstverständlich unsinnig. Sie kann sich nur deswegen "rentieren", weil das Kapital deren Kosten (Umweltkosten, Infrastrukturkosten) externalisiert.

An die Stelle der Lohnarbeit tritt die kollektive Diskussion über die Gestaltung des weitestgehend automatisierten Produktionsprozesses

Die Vorbedingung einer postkapitalistischen Gesellschaft besteht darin, die Produktion nicht mehr marktvermittelt zum Selbstzweck der Verwertung von Wert ablaufen zu lassen, sondern zwecks der direkten Bedürfnisbefriedigung bewusst zu organisieren. Sobald die marktvermittelte, destruktive Eigendynamik des Kapitals überwunden wird, ist auch die Rolle des Staates als ideeller Gesamtkapitalist hinfällig. An seine Stelle tritt der Prozess einer bewussten, egalitären Verständigung der Gesellschaftsmitglieder über Form und Inhalt der gesellschaftlichen Reproduktion. In einem gesamtgesellschaftlichen - gerne über das Internet organisierten - Diskurs würden die Menschen sich über das verständigen, was produziert wird und wie es produziert wird. Das Internet, das derzeit nur als Marktplatz von Wahnideen und Bühne für Eitelkeiten dient, wäre endlich zu etwas Vernünftigem gut.

Die Tätigkeitsform der Gesellschaftsmitglieder würde sich im Postkapitalismus radikal wandeln: Die Lohnarbeit würde absterben, während die kollektive Diskussion über Ausgestaltung und das Organisieren des weitestgehend automatisierten Produktionsprozesses mehr Zeit in Anspruch nähmen. Dies wäre eine bewusste - durchaus nicht spannungsfreie - Organisation der gesellschaftlichen Reproduktion, die im Gegensatz zum Fetischismus einer entfesselten, destruktiven Kapitaldynamik stünde. Dies wäre der Ausgang aus der "Vorgeschichte der Menschheit" (Marx).

An die Stelle des staatlichen Plans tritt somit die gesamtgesellschaftliche Verständigung über den Reproduktionsprozess der Gesellschaft, ein Netzwerk von Räten, in permanenten Datenaustausch bezüglich des Wie und des Was der Produktion, Distribution und Konsumption. Eine bewusste gesamtgesellschaftliche Verständigung, ein globaler egalitärer Diskurs über die Reproduktion der Weltgesellschaft würde nicht nur die Problematik der "staatlichen Überwachung" überwinden, auch das Innovationsproblem wäre gelöst. Niemand müsste den Menschen mehr sagen, "was sie wollen", um auf das Zitat des Apple-Mitbegründers zurückzukommen. Die wissenschaftlichen Innovationen würden einfach Eingang finden im besagten gesamtgesellschaftlichen Diskurs, in dessen Verlauf deren "ökonomische" Anwendung sich herausschälen würde.

Somit würden auch die Gebrauchswerte von den Absurditäten des Werts befreit, der derzeit noch die Waren kontaminiert - und etwa PS-schwere, als Schwanzverlängerung dienende Autos produziert, die einem Batman-Film entsprungen zu sein scheinen (Kultur der Panik).

Um auf das Beispiel Apple zurückzukommen: Es ist unsinnig, Smartphones und Notebooks zu bauen, die praktisch irreparabel sind und bei denen man nicht einmal die Batterie selber auswechseln kann. Ein modulares Design bei Hightech-Produkten, bei dem man ressourcensparend einzelne Komponenten auswechseln könnte (CPU, GPU, Bildschirm, RAM, SSD, Gehäuse, etc.) wäre selbstverständlich sinnvoll - wenn die Produktion nicht mehr um der Kapitalakkumulation willen organisiert wäre.

Die technischen Möglichkeiten, den Computer- oder Internetkommunismus zu realisieren, sind längst gegeben. Es gilt nur noch, die fesselnden kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu überwinden, in deren Schoss diese Produktivkräfte heranreiften. Darauf gilt es gerade im deutschen Dunkelwald zu beharren, wo gerade rechter Wahn und Stumpfsinn triumphieren. Oder, wie schon der Vorsitzende Mao sagte: "Wie die Geschichte der Menschheit zeigt, führten stets die hart vor ihrem Untergang stehenden reaktionären Kräfte einen letzten Verzweiflungskampf gegen die revolutionären Kräfte."