Kosmogramm senden oder nicht?

Bild: NRAO/AUI

Streit auf der diesjährigen in San José abgehaltenen Triple-A Konferenz

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Diskussion um Active SETI ist nicht neu und hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht - Teil 1

Wie hoch ist das Risiko, dass wir feindlich gesinnten Zivilisationen beim Verschicken einer Flaschenpost nicht nur die Position der Erde verraten, sondern von uns selbst vorschnell Informationen preisgeben, die eine oder mehrere aggressiv geartete Spezies auf den Plan rufen oder eine halbwegs neutrale dazu ermuntern könnte, unser Wissen ohne eine Gegenantwort oder Gegenleistung einfach zu inkorporieren? Das ist die Kardinalfrage, die sich Active SETI-Befürworter und -Gegner auch auf dem diesjährigen Treffen der American Association for the Advancement of Science (AAAS) stellten. Erneut entfachte an dieser Frage eine Kontroverse, von der erstmals viele Medien verstärkt Notiz nahmen, auch weil die Active SETI-Gegner ein unzweideutiges Statement veröffentlichten.

Anfangs stempelten viele Wissenschaftler die Idee von der gezielten Suche nach außerirdischen Technologien noch als esoterisch ab. Doch inzwischen hat sich der aus der Radioastronomie hervorgegangene Zweig mit dem Kürzel SETI (Suche nach außerirdischer Intelligenz) in der Astronomie etabliert.

SETI salonfähig

Gleich acht Nobelpreisträger, hierunter Sir Francis Crick (Medizin 1962) oder Linus Pauling (Chemie 1954/Friedensnobelpreis 1963) und angesehene Astrophysiker wie Fred Hoyle, Kip S. Thorne, Sir Martin Rees und nicht zuletzt Stephen W. Hawking, werteten Ende 1982 in einer im renommierten Wissenschaftsmagazin Science erschienenen Petition mit ihrem Namenszug das Unternehmen SETI auf. Und als im selben Jahr die knapp 7000 Mitglieder der Internationalen Astronomischen Union (IAU) die neue Kommission Bioastronomie ins Leben riefen, kam die Suche nach außerirdischem Leben und damit auch SETI zu unerwarteten Ehren. Ein erlesener Zirkel von zumeist konservativen Astronomen gab dem neuen Fachgebiet den Ritterschlag und nahm SETI offiziell in seine Tafelrunde auf.

Fred Hoyle (1915-2001). Der weltbekannte Astronom unterstützte SETI. Auf dem Bild ist er während einer Folge der sechsteiligen Radiosendung "The Nature of the Universe" zu sehen. Während einer Folge (25. Februar 1950) kreierte er den Begriff "Big Bang" und wollte damit den Urknall-Verfechtern keineswegs schmeicheln. Bild: Public Domain

Freilich konnte nach nunmehr knapp 55 Jahren noch kein SETI-Forscher eine interplanetare Flaschenpost aus dem Wellenmeer des kosmischen Ozeans fischen, auch wenn heute kaum ein ernst zu nehmender Wissenschaftler mehr am Dasein hochstehender Kulturen im All zweifelt und die Suche nach absichtlich oder unabsichtlich hinterlassenen Spuren außerirdischer Technologien gutheißt.

Großer Medienauflauf

Eingedenk der bislang höchst mageren Ausbeute haben SETI-Astronomen die alten Pfade ihrer Vorgänger verlassen und suchen abseits des klassischen SETI-Forschungsfeldes nach neuen Wegen. Zumindest drängt sich dieser Eindruck auf, wenn man den Berichten der Medien Glauben schenkt, die sich auf die Active SETI-Debatte beziehen, die während des diesjährigen Treffens der American Association for the Advancement of Science, AAAS (Amerikanischen Gesellschaft zur Förderung der Naturwissenschaften) große Aufmerksamkeit erregt hat.

Dass der schon seit einigen Jahren latent unter den Wissenschaftlern gärende Disput längst in einem Kleinkrieg gemündet ist, bei dem sich die beiden unversöhnlich gegenüberstehenden Lager mitunter harte Wortgefechte liefern, hat auch die Presse auf den Plan gerufen. Ihr ist nicht entgangen, dass die teilweise sehr emotional geführten Debatten über die Jahre hinweg immer schärfer geworden sind und sich die Fronten verhärtet haben.

Die Triple A-Konferenz ist das weltweit größte Treffen von Naturwissenschaftlern, das jedes Jahr stattfindet. Dieses Jahr wurde sie vom 12. bis 16. Februar in San José in Kalifornien abgehalten. Bild: SETI

Das Interesse der Medien an der Frage und den sich anschließenden Diskussionen, ob man gezielt eine Flaschenpost ins All schicken solle oder nicht, war größer als jemals zuvor. Dass selbst Zeitungen wie die New York Times, die Washington Post, die Süddeutsche Zeitung, aber auch Nachrichtendienste wie NBCnews, BBC News oder die AAAS höchstpersönlich auf ihrer Website über das fraglos ungewöhnliche Sujet berichteten, lag auch an der Gewichtung des Programms in San José.

Denn erstmals berief man nicht nur eine Pressekonferenz ein, die Active SETI und METI (=Messaging to Extra-Terrestrial Intelligence) zum Gegenstand hatte, sondern wertete das Thema auch mit fünf großen, sehr gut besuchten Vorträgen auf, die zudem von den drei entscheidenden Köpfen der Szene gehalten wurden.

Seth Shostak (rechts). Bild: SETI Institute

Einer der Referenten, Seth Shostak, war von der Resonanz der Teilnehmer sichtlich beeindruckt, wie er diesem Magazin bestätigt: "Ich denke, dass es in der Tat das erste Mal war, dass dieser Gegenstand ein großes Forum hatte und vor vielen Besuchern diskutiert wurde und nicht zuletzt eine starke Medienpräsenz bedingte."

Internet-Wissen an Aliens

Seth Shostak zählt mit seinen 71 Jahren zu den wichtigsten und erfahrensten SETI-Protagonisten. Der Radioastronom und Direktor des SETI-Instituts in Mountain View (Kalifornien) organisiert und managt parallel zu seinem Job auch einen Großteil der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Er ist regelmäßig im Radio zu hören und greift auch für seinen Blog zur elektronischen Feder, schreibt für Zeitungen und veröffentlichte auch zwei populärwissenschaftliche Bücher. Er hat unzählige Konferenzen besucht, Vorträge gehalten und Diskussionen geleitet und plädiert nicht erst seit dem AAAS-Treffen in San José mit besonderen Nachdruck dafür, es nicht allein bei der traditionellen passiven SETI-Suchweise zu belassen, sich nicht allein auf das konventionelle Lauschen und Abhorchen zu beschränken.

Einige von uns aus dem Institut sind an Active SETI interessiert. Wir wollen nicht mehr nur zuhören, sondern selbst etwas zu einigen erdnahen Sternsystemen senden. Vielleicht besteht hier eine Chance, jemanden aufzuwecken und eine Antwort zu erhalten

spekuliert Shostak

Dabei will es der engagierte Astronom nicht allein bei einer einzigen Botschaft belassen. Vielmehr schwebt ihm vor, so viel Informationen wie nur irgend möglich ins All zu pulsen. Und hierfür böte sich das Internet an, das im World Wide Web konzentrierte Wissen. Per Radiosignal ließen sich die Bits und Bytes als kompakte Lieferung verschicken. Mittels eines Infrarot-Laserstrahls könne die ganze Prozedur, so Shostak, innerhalb von nur zwei Tagen abgewickelt sein.

Ich persönlich bevorzuge, den Inhalt des kompletten Internets zu senden. Senden wir es! Denn wenn man eine Menge Information sendet, gibt es eine realistische Chance auf Erfolg.

Gute Gründe für schweigsame Ets

Doch genau eine solche Vorgehensweise hält David Brin, der vielleicht härteste Kritiker aller Active SETI und METI-Bestrebungen, für unverantwortlich. Der 64-jährige promovierte Astrophysiker und erfolgreiche Science-Fiction-Bestsellerautor, der am Jet Propulsion Laboratory der NASA unter anderem auch als Berater für den Fachbereich Astrobiologie fungierte, hält überhaupt nichts davon, irdische Botschaften überhastet ins All zu senden. Dass sich technologisch hochstehende fremde exoplanetare Kulturen automatisch durch hohe Moral und hehre Absichten auszeichnen oder sich aufgrund ihres höheren Zivilisationsalters weiser und freundlicher gerieren als wir, so wie es viele SETI-Astronomen mehrheitlich auch heute noch glauben, hält David Brin für einen Trugschluss.

David Brin. Streng genommen war er es, der die Diskussion um Active SETI bzw. METI in die Gang gebracht hat - dies bereits 1983. Mehr hierzu in dem Folgebeitrag zu diesem Feature. Bild: David Brin

Ohnehin wertet er das große Schweigen im Äther als Indiz dafür, dass hochentwickelte technologische Zivilisationen - wenn überhaupt - ihre Signale höchst dosiert einsetzen. Die Außerirdischen üben sich offenbar in Zurückhaltung und könnten hierfür gute Gründe haben. Vielleicht wissen diese um die Gefahren, die drohen, wenn man sich den Anderen mitteilt. Dass im Äther bislang das große Schweigen herrscht, könnte einen handfesten Grund haben.

Wenn Aliens wirklich so fortgeschritten und selbstlos sind und sich dennoch entschlossen haben, ruhig zu bleiben und nicht zu senden - sollten wir dann nicht in Betracht ziehen, ihrem Beispiel zu folgen, zumindest für eine Weile?

fragt Brin
Die 70-Meter-Antenne bei Goldstone in Kalifornien, die sowohl Radiosignale empfangen als auch solche mit hohen Energien versenden kann. Bild: NASA/JPL

Er warnt explizit davor, Datenpaketen zu freizügig ins All zu senden; dies könnte den irreversiblen Verlust wertvollen Geistesguts nach sich ziehen. Wer maßlos und einseitig Botschaften ins kosmische Blaue hinein oder im extremsten Fall den Inhalt des gesamten World Wide Web ins All pulse, verscherbelt seine interstellare Handelsware freiwillig. Schließlich sei Information, so Brin, auf interstellarer Ebene das wichtigste Handelsgut.

Alles, was wir haben, sind wir selbst - unsere Kunst, unsere Musik, unsere Bücher und Dramen. Vergessen Sie die materiellen Güter. Der wahre Reichtum der Menschen liegt in ihrer Kultur. Mit ihr können wir Handel treiben. Sie ist unser kostbarstes Gut.

Wir sollten daher mit den intellektuellen und kulturellen Ressourcen unserer Gesellschaft möglichst sparsam haushalten, mahnt Brin. Was hätte unsere Kultur einer fremden Rasse später einmal noch zum Tausch anzubieten, beamte sie vorschnell ihr gesammeltes Wissen, ihre Musik, ihre Wissenschaft und ihre Bücher als Geschenk großzügig und unwiderruflich weg? Ein hemmungsloses einseitiges interplanetares Mitteilungsbedürfnis könnte sich später als größter Fehler aller Zeiten erweisen.

Active SETI als Büchse der Pandora

Doch die in puncto METI in San José alles überlagernde Frage, die auch von den Medien bereitwillig rezipiert wurde, war eine andere. Bei ihr ging weniger um den Wert und die Qualität der übermittelten Information und die mittelbaren Folgen eines interplanetaren Kulturaustausches, sondern um die unmittelbaren Konsequenzen eines Erstkontaktes für die Menschheit. Welchen Risiken sähe sich der Homo sapiens gegenüber, funkte er Botschaften ins All, die hochstehende fremde Zivilisationen empfangen können?

Der legendäre Carl Sagan (1934-1996), einer der SETI-Pioniere und glühender Verfechter dieser Idee. Von der Idee hingegen, aktiv Botschaften ins All zu senden, hielt er selbst nicht allzu viel. Bild: NASA

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Flaschenpost eine aggressiv gesinnte außerirdische Intelligenz erreicht, die uns eines Tages als Antwortnachricht womöglich eine elektromagnetische oder materielle Büchse der Pandora schickt? Was für Folgen hätte ein direkter Kontakt mit einer fremden Kultur?

"Historiker können ihnen erzählen, dass eine Erstkontaktaufnahme zwischen einer industriellen Zivilisationen und einer unterentwickelten nicht gut geht", erklärt David Brin gegenüber dem Onlinedienst BBC News. Die weniger entwickelten Kulturen zogen immer den Kürzeren.

Irdische Geschichte als abschreckendes Beispiel

Wie viele andere METI-Skeptiker verweist Brin auf die blutige Geschichte der Menschheit. Zu allen Zeiten, in allen Kulturen raubten und plünderten militärisch hochgerüstete, strategisch versiertere und technisch höher entwickelte Zivilisationen oder Nationen die schwächeren Völker aus. Kriegsstrategisch unterlegene Kulturen wurden systematisch unterdrückt, misshandelt, versklavt und mitmunter sogar ausgemerzt. In diesem Zusammenhang erinnern Brin und andere Active SETI-Gegner oft an die Conquista in der Ära des Kolonialismus.

Während der Conquista, dem mehr als ein Jahrhundert dauernden, von Spanien und Portugal in Gang gesetzten Prozess der Eroberung des mittel- und südamerikanischen Festlands ab 1492, fielen Scheinchristen und brutale Eroberer vom Schlage eines Hernán Cortés, Pedro de Alvarado oder Francisco Pizarro erbarmungslos über ahnungslose unschuldige Menschen her. Im Zeitalter des Hochimperialismus nahmen sich die europäischen Groß- und Mittelmächte - vom Eroberungswahn getrieben - die Freiheit heraus, Überseekolonien in Afrika und Asien zu etablieren, um den dortigen Bewohnern die Segnungen der Zivilisation in Gestalt von Mord und Todschlag zuteilwerden zu lassen.

Von der Wiederentdeckung des amerikanischen Kontinents durch Christoph Kolumbus profitierten nur bestimmte Kreise in Europa. Für viele Ureinwohner endete die Begegnung mit dem europäischen Kontinent und seinen Repräsentanten und Missionaren in eine Katastrophe. Bild: Public Domain

Was wäre, wenn bösartige Geschöpfe einer fortgeschrittenen Hochkultur und Superzivilisation ähnlich tickten wie wir und von Stern zu Stern, von Planet zu Planet wanderten, so wie jene fiktive aggressive, aber in puncto Software unterentwickelten Aliens, die in dem SF-Film "Independence Day" von Roland Emmerich ihren Auftritt haben?

Auch wenn Brin ein derartiges Hollywood verklärtes Szenarium für wenig wahrscheinlich hält, kann seiner Meinung nach dennoch nicht ausgeschlossen werden, dass reise- und angriffslustige Aliens mit ausgeprägtem Expansionsdrang nach dem Eintreffen und Entziffern eines irdischen Kosmogramms einen Eroberungsfeldzug starten. "Die Arroganz, sich dem Kosmos mitzuteilen, ohne zuvor die Risiken geprüft und gewichtet zu haben, sprengt jede Vorstellungskraft", ärgert sich Brin.

Diskutieren und zugleich senden

Douglas Vakoch, Direktor für interstellare Nachrichtengestaltung am kalifornischen SETI-Institut, hat prinzipiell nichts gegen einen Meinungsaustausch über die Gefahren von Active SETI und eine Diskussion über den Inhalt der Botschaft. Dennoch sei hier ein Konsens nur schwer zu erzielen. Deshalb könne die Streitfrage auch nach dem Absenden irdischer Botschaften an ET erörtert werden. "Wir sollten alle dazu ermutigen, eine Diskussion über Active SETI auch auf internationaler Ebene fortzuführen, auch nach dem Start von bereits laufenden Active SETI Projekten", zitiert NBCnews den studierten Psychologen.

"Entweder führen wie eine Diskussion auf internationaler Ebene oder wir senden. Wir sollten meines Erachtens beides machen", so Vakoch während seines einstündigen Vortrages auf der AAAS. Gegenüber einem Reporter der New York Times und anderen Journalisten wurde er noch deutlicher: "Es gibt keine Gefahr einer außerirdischen Invasion durch Active SETI."

Mahnung zur Vorsicht

Genau hieran stört sich Brin. Er hält solche Aussagen für deplatziert und plädiert für ein fünf- bis zehnjähriges Moratorium. In diesem Zeitfenster soll ein interdisziplinäres Wissenschaftlerteam die potentiellen Risiken und Gefahren, vor allem aber die Inhalte weiterer Sendungen thematisieren und darin Einigkeit erzielen, wer und wo mit welchem Inhalt etwas senden darf.

Das Green Bank Telescope (GBT) in Green Bank, West Virginia, ist das weltweit größte schwenkbare Radioteleskop (100 Meter Durchmesser). Aber für METI-Aktionen würde es sich jedoch nicht eignen. Bild: National Radio Astronomy Observatory (NRAO), Associated Universities, Inc. (AUI), and the National Science Foundation (NSF)

Vor allem sei die Debatte auf internationaler Ebene zu führen und nicht allein innerhalb des SETI-Instituts. Es könne nicht sein, dass eine kleine Gruppe, die sich allenfalls sporadisch trifft und sich nur selbst kontrolliert, hierüber alleine entscheidet, kritisiert Brin.

Tatsächlich fand selbst am Rande der AAAS-Konferenz im nahegelegenen SETI-Institut in Mountain View eine Open Public Session statt, in der die Active SETI-Problematik im Blickpunkt stand. Geladen hierzu waren Astronomen, Anthropologen, Sozialwissenschaftler, Philosophen und Astrobiologen, hierunter größtenteils Repräsentanten der Active SETI-Bewegung. Fast parallel hierzu veröffentlichten die METI-Skeptiker und Gegner indes auf der SETI@home-Website ein Statement in Form einer Petition, das es an Deutlichkeit nicht missen ließ.

Online-Petition mit klarer Ansage

In dem Dokument sind namhafte Wissenschaftler aufgeführt, hierunter etwa der berühmte Exoplanetenforscher Geoffrey Marcy oder George Dyson (der äußerlich unverkennbare Sohn von Freeman Dyson), Paul Davies, Claudio Maccone, David Brin u.a., die sich explizit gegen ein vorschnelles Entsenden von aktiven Botschaften ins All aussprechen. "METI-Programme bringen unbekannte und potentiell gewaltige Implikationen und Konsequenzen mit sich. Wir denken, dass die Entscheidung, ob man sendet oder nicht, auf einem weltweiten Konsens beruhen sollte, nicht aber auf den Wünschen einiger weniger Menschen beruhen sollte, die Zugang zu leistungsstarken Sendeanlagen haben", schreiben die Autoren. "Wir unterstützen daher mit Nachdruck eine lebhafte internationale Debatte, durchgeführt von einem allgemein repräsentativ zusammengesetzten Gremium, bevor die Aktivitäten weiter fortgesetzt werden."

Der helle und zur Erde zweitnächste Stern Alpha Centauri und seine Umgebung. Möglicherweise befindet sich in dem System mindestens ein Exoplanet, den Vakoch anfunken könnte. Bild: ESO/Digitized Sky Survey 2 / Acknowledgement: Davide De Martin

Da die Reaktionen von intelligenten außerirdischen Zivilisationen auf eine Nachricht von der Erde unvorhersehbar sind, da man zudem nichts über deren Absichten und Fähigkeiten weiß und nicht vorhersehen kann, ob diese freundlich oder feindlich sind und da diese uns um Millionen Jahre voraus sein können, mahnen die Autoren zur Vorsicht und Zurückhaltung. Abschließend heißt es in dem Statement:

Das absichtliche Entsenden von Signalen an andere Zivilisationen in der Milchstraße bereitet allen Menschen auf der Erde Sorgen, ob dies den Inhalt der Botschaft oder die Konsequenzen eines Erstkontaktes angeht. Eine weltweite wissenschaftliche, politische und ethisch-moralische sowie philosophische Diskussion muss stattfinden, bevor irgendeine Botschaft versandt wird.

SETI-Institut drängt auf Transmissionen

Für Douglas Vakoch kann es indes nicht schnell genug gehen. Geht es nach ihm, soll SETI schon bald Datenpakete zu Hunderten von Sternen funken, die bis zu 82 Lichtjahre von der Erde entfernt sind. Bei den Transmissionen soll es sich nicht um einmalige Signalfolgen handeln - wie bei der legendären Arecibo-Botschaft vor mehr als 40 Jahren (näheres hierzu in Teil II dieser Serie).

Anders als in der Vergangenheit, als diverse Astronomen nur kurze nichtperiodische Botschaften ins All sandten, seien in Zukunft die Funkinformationen rhythmisch zu wiederholen - wöchentlich, monatlich, jährlich. Vakoch wünscht sich zudem, mit der Flaschenpost wissenschaftliche Erkenntnisse zu übermitteln, mit denen sich die unbekannten Empfänger ein Bild von uns, unserer Kultur und Umwelt machen können.

Das Signal selbst müsse fokussiert, schmalbandig und energiereich sein und mit einem der Radar-Transmitter der Arecibo-Schüssel in Puerto Rico (USA) ins All gepulst werden. Einmal im Zielgebiet angekommen, wären die Radiobotschaften millionenfach stärker als die bislang in alle Richtungen emittierten Zufallssignale. Denkbar sei auch, die Nachricht via Laser ins All zu pulsen.

Wir haben uns längst verraten

Das oft in der Debatte angeführte Argument, dass die Menschheit ihre Existenz und die Position der Erde durch unüberlegte vorschnelle METI-Aktionen verrate, lässt Vakoch indes nicht gelten. "Jede Zivilisation, die in der Lage ist, zwischen den Sternen zu reisen, hat unsere zufällig emittierten Radio- und Fernsehsendungen längst aufgeschnappt." Ähnlich sieht dies sein Institutskollege Seth Shostak: "Wir haben bereits Signale ins All gesendet, die Außerirdische auf unsere Existenz aufmerksam machen werden - mit unseren Funkemissionen und dem Straßenlicht der letzten 70 Jahre."

Douglas Vakoch. BU: SETI

Ohnehin sei es zwingend logisch, dass eine hochstehende Technologie über weitaus empfindlichere Instrumente und Empfangsanlagen als die Menschheit verfügt und mit spielerischer Leichtigkeit auch das schwächste Funksignal noch registrieren kann. "Der Zug ist abgefahren, wir müssen ihn nunmehr aktiv steuern", sagt Shostak.

Active SETI verrät uns endgültig

Dieser Argumentation mag David Brin nicht folgen. Er bezeichnet die von Vakoch und Shostak angeführte Erklärung, der zufolge sich der Homo sapiens bereits mit der ersten Radiosendung (die manche Wissenschaftshistoriker auf das Jahr 1896 datieren) im Äther zu erkennen gab, als Barn door excuse ("Scheunentor-Ausrede").

Dass die Signale das Scheunentor, sprich die Erde, bereits verlassen und einige Technologien uns vielleicht schon lokalisiert haben, hält Brin für denkbar, aber für wenig wahrscheinlich. Denn selbst wenn eine fortgeschrittene Intelligenz in unserer kosmischen Nähe den irdischen Radioverkehr und die früheren Fernsehsendungen oder die Existenz von industriellen Abgasen in der Atmosphäre detektiert haben sollte, ist ein solcher Nachweis dennoch weitaus schwerer zu erbringen, als bei einem gezielt gesendeten Radio- oder Lichtsignal von einem großen Teleskop. Denn je stärker und gebündelter die abgestrahlte Nachricht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Intelligenz im All diese registriert.

Das Radio-Teleskop in Effelsberg ist das zweitgrößte vollschwenkbare Radioteleskop auf der Erde. Mit ihm wurde bislang ein einziges Mal eine SETI-Observation durchgeführt. Ende der 1970er Jahre lauschten Forscher sage und schreibe zwei Stunden lang auf einer Frequenz von 1420 Megahertz nach künstlichen Radiosignalen. Sollte Aliens ähnlich kurz ins All horchen, würden sie sogar eine sendestarke Radiobotschaft überhören. Bild: Dr. G. Schmitz. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Gegenüber Telepolis bringt Brin seinen Ärger über die Mitarbeiter des SETI-Instituts vollends zum Ausdruck und kritisiert, dass diese mit der Barn door excuse immer wieder argumentieren:

Die Fanatiker weigern sich, ihren methodischen Ansatz zu verändern. Sie sagen zwar, dass sie bereit sind, über METI zu diskutieren, zeitgleich aber senden sie Nachrichten ins All. Vor allem weigern sie sich, sich außerhalb von Konferenzen mit ihren Gegnern zu treffen.

Immerhin scheint Brin gegenüber seinen schärfsten Gegner, Seth Shostak, eine gewisse Milde walten zu lassen und ihn trotz aller Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten vollends zu respektieren.

Ich denke, dass Seth einer der klügsten Menschen ist, die ich kenne. Falls wir jemals Außerirdische finden sollten, hoffe ich, dass er ein Mitglied der Kommission sein wird, die das Antwortschreiben aufsetzt.

Online-Petition der Active SETI-Fraktion

Youtube-Video "What Would You Say to an Extraterrestrial? Douglas Vakoch at TEDxNashville"

Teil 2: Die legendäre Arecibo-Botschaft stufen selbst SETI-Forscher als gefährlich und "weitreichend" ein