Krankenhäuser als Profitcenter

Seite 4: Reformen als Daueraufgabe

Angesichts dieses Widerspruchs sind Gesundheitsreformen, die vorwiegend aus Reformen des Kassenwesens und dessen Ein- und Auszahlungen bestehen, eine notwendige Daueraufgabe aller Regierungen. Ihr Prinzip ist auf der einen Seite die Erhöhung der Pflichtbeiträge und die Senkung bzw. Begrenzung der Leistungen.

Übrigens: Seit dem "Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung" aus dem Jahr 2003 werden diese Maßnahmen explizit mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Senkung von Lohnnebenkosten begründet.

Einerseits beschneiden diese Reformen die Verordnungs- und Abrechnungsmöglichkeiten für Ärzte und Krankenhäuser (Budgetierung für ärztliche Leistungen und Pharmazeutika; Deckelung des Krankenhausbudgets, dessen Erhöhung sich grundsätzlich nur noch an der Grundlohnerhöhung orientiert, sprich:

Die Budgeterhöhung darf nicht höher steigen als die beitragspflichtigen Einnahmen der Versicherten der Krankenkassen – eine interessante Vorgabe, die für das Krankwerden bzw. seine Behandlung im Krankenhaus aufgemacht wird!).

Andererseits streichen sie den Patienten Leistungen (Brille, Zahnersatz, Fahrtkosten, Sterbegeld, Entbindungsgebühr etc.), verlangen ihnen Zuzahlungen ab (mehr als 2,4 Milliarden zahlten die Patienten in 2018 allein für Medikamente) und wollen die Patienten allgemein zu mehr Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Kosten erziehen. Die Folgen sind insbesondere an Alten und Armen zu studieren, die sich einige medizinische Notwendigkeiten schlicht nicht mehr leisten können.

Inzwischen ist sich die Politik parteiübergreifend einig geworden, dass eine allgemeine Gesundheitsversorgung auf Basis des bisherigen Systems "nicht zu leisten ist". Die Wahrheit ist: Die vom Lohn verstaatlichten Teile geben es beim aktuellen Lohnniveau schlicht nicht her, die Leistungen des Gesundheitsmarkts mit seinen staatlich anerkannten Gewinnansprüchen zu finanzieren, wenn die Löhne gleichzeitig dafür taugen sollen, dass Deutschland weiter Europas stärkste Wirtschaft ist und weltmeisterliche Exportüberschüsse bilanziert.

Der vorläufige politische Schluss daraus: Aufsplittung in eine medizinische Grundversorgung über die Krankenkassen und eine private Zusatzversorgung, die jeder aus seinem eigenen Geldbeutel in "eigener Verantwortung" zu leisten hat; oder auch nicht.

So kann der Einzelne zeigen, wie viel ihm seine Gesundheit – bekanntlich unser höchstes Gut – tatsächlich wert ist und die plurale Zivilgesellschaft wird mit Sicherheit noch ein Stück vielfältiger, wenn wieder mehr Menschen ohne Zähne, aber mit viel Würde durch die Fußgängerzonen spazieren.

Dr. Renate Dillmann hat zusammen mit Dr. Arian Schiffer-Nasserie das Buch "Der soziale Staat – Über nützliche Armut und ihre Verwaltung" geschrieben (VSA 2018)

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