Krankheitskosten: Wer soll das in Zukunft noch bezahlen?
Seite 2: Impfpflicht und Menschenrechte
Mit Blick auf die Menschenrechte wäre es ausgeschlossen, diese Menschen mit körperlichen Zwangsmitteln zu impfen. Das gäbe ein demokratischer Rechtsstaat nicht mehr her. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat aber bereits klargestellt, dass verhältnismäßige finanzielle Strafen zulässig sind.
Das heißt, dass auch demokratische Rechtsstaaten die Möglichkeit haben, zum Gesundheitsschutz unter bestimmten Bedingungen von ihren Bürgerinnen und Bürgern eine Impfung zu erwarten. Selbstverständlich müssen die Impfungen dafür sicher sein und darf es kein milderes Mittel zum Erreichen des Ziels geben. Außerdem muss das Risiko von Impfschäden minimiert werden. Kommt es doch dazu, muss dafür gesorgt werden.
Auf erzieherischem Niveau ist die Antwort meiner Meinung nach jedenfalls viel weniger deutlich, als Timo Rieg es suggeriert. Aufgrund des sozialen Friedens habe ich mich aber selbst immer wieder gegen eine Impfpflicht ausgesprochen. Wäre eine Beteiligung an den Krankheitskosten vielleicht ein Zwischenweg?
Zur Gesetzeslage
Schauen wir dafür kurz auf die Gesetzeslage. Bundesrichter Schlegel und in der Folge dann Rieg verweisen hier auf § 52 des fünften Sozialgesetzbuches. Dessen erster Absatz spricht von durch Vorsatz zugezogenen Erkrankungen, der zweite von Krankheiten durch Schönheitsoperationen, Tätowierungen oder Piercings.
Der Gesetzestext ist für die hier strittige Frage ziemlich dünn. Jemand entscheidet sich in einer Pandemie zwar bewusst für oder gegen die Impfung. Selbst bei Ungeimpften kann man nach meinem Dafürhalten aber nicht davon sprechen, dass diese vorsätzlich an Covid-19 erkranken.
Nun enthalten Gesetze allgemeine Formulierungen, die im Streitfall auf Einzelfälle übertragen werden müssen. Genau aus diesem Grund leisten sich Rechtsstaaten Richterinnen und Richter. Und wenn der Präsident des Bundessozialgerichts eine entsprechende Auslegung zumindest für möglich hält, sollte man das ernst nehmen. Immerhin haben er und seine Kolleginnen und Kollegen hierzu das letzte Wort.
Einen weiteren Hinweis geben Gesetzesbegründungen. Diese werden regelmäßig dazu herangezogen, um zu verstehen, was er Gesetzgeber (in unserem Fall: der Deutsche Bundestag) mit einem Gesetz gemeint hat. Und im Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 7. Dezember 2007 findet sich zum § 52 SGB V das Folgende:
In § 52 ist den Krankenkassen das Recht eingeräumt, Versicherte, die sich eine selbstverschuldete oder selbst zu verantwortende Krankheit zugezogen haben, an den Krankheitskosten zu beteiligen und Krankengeld ganz oder teilweise zu vesagen oder zurückzufordern.
Gesetzesentwurf vom 7. Dezember 2007