Krieg ja, Hilfe für Flüchtlinge nein

Die Vereinten Nationen brauchen dringend mehr Geld für Flüchtlinge, reiche Länder sollen mehr Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Vereinten Nationen haben angesichts der humanitären Katastrophen weltweit einen Appell gestartet. Mindestens 57,5 Millionen Menschen in 22 Ländern würden sich in "unvorstellbarer Not" befinden. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass sie nächstes Jahr 16,4 Milliarden US-Dollar benötigen, um Menschen im Gazastreifen oder Myanmar, im Jemen oder in der Ukraine, in der Demokratischen Republik Kongo oder im Südsudan und natürlich in und um Syrien helfen zu können.

2014 habe es einen steilen Anstieg bei der Zahl der Menschen gegeben, die Opfer von bewaffneten Konflikten wurden. 80 Prozent der Hilfsbedürftigen seien von Konflikten betroffen, "deren Brutalität und Gewalt einen verheerenden Einfluss auf ihr Leben hatten", so Valerie Amos, UN-Vizegeneralsekretärin für humanitäre Hilfe. Die Not würde die vorhandenen Kapazitäten übersteigen. Für die Krisen im Irak, in Syrien, im Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik werde am meisten Geld benötigt

Internationale Geldgeber haben 2014 9,4 Milliarden US-Dollar gespendet, das war bereits nur 48 Prozent der angeforderten Gelder. Die Kluft zwischen den Bedürfnissen, mit dem Lebensnotwenigen an Medikamenten, Lebensmitteln und Unterkünften versorgt zu werden, und den vorhandenen Mitteln steige an, so Amos, da die Krisen komplexer werden und länger andauern.

Unicef beklagt, 2014 sei ein Jahr gewesen, das für Kinder besonders schlimm gewesen sei. 15 Millionen Kinder seien von den gewaltsamen Konflikten in Zentralafrika, im Irak, im Südsudan, in den palästinensischen Gebieten, in Syrien und der Ukraine betroffen. 230 Millionen Kinder würden in Ländern und Gebieten leben, in denen Kämpfe stattfinden. Allein in Syrien sind 1,7 Millionen Kinder auf der Flucht.

Am 3. Dezember hat die Welthungerhilfe WFP, nachdem sie die Versorgung von 1,7 Millionen syrischen Flüchtlingen vor allem im Libanon mit Lebensmitteln einstellen musste, weil das Geld fehlte, in einem dringenden Appell zu Spenden in Höhe von 64 Millionen US-Dollar aufgerufen (Vereinte Nationen haben Spendenkampagne für syrische Flüchtlinge gestartet). Man hoffte darauf, dass 64 Millionen Menschen mindestens jeweils einen Dollar spenden würden, um die Lebensmittelversorgung der Flüchtlinge zumindest für den Dezember sicherzustellen. Offenbar stieß der Appell trotz der Vorweihnachtszeit auf wenig Gegenliebe. Nach WFP haben gerade einmal 12.000 Menschen eine Spende geleistet.

30 Menschenrechts- und Hilfsorganisationen haben vor der heutigen internationalen Konferenz des UN-Flüchtlingwerks UNHCR Zusagen von den teilnehmenden Regierungen gefordert, mehr syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Bis Ende 2015 sollen 5 Prozent, mindestens 180.000 der Flüchtlinge, die am schlimmsten dran sind, Folteropfer, Kranke, Kinder und Frauen, in Drittländern aufgenommen werden. 5 Prozent ist nicht viel, wenn man sich anschaut, was die Nachbarländer Syriens leisten.

Diese geraten durch die Flut an Flüchtlingen an den Rand des Zusammenbruchs und riskieren Unruhen. 3,5 Millionen Menschen sind aus Syrien geflohen. Die Türkei und der Libanon haben jeweils mehr als eine Million aufgenommen. Der Libanon ist am stärksten belastet. Jeder vierte Einwohner ist ein Flüchtling - in Deutschland wäre das unvorstellbar. Mehr als 600.000 syrische Flüchtlinge sind in Jordanien, mehr als 200.000 im Nordirak. "Nur humanitäre Hilfe zu leisten, ist keine Option mehr", sagt Justin Forsyth von Save the Children. Es sei eine der schlimmsten Flüchtlingskrisen seit dem Zweiten Weltkrieg, sagt Mark Goldring von Oxfam. Die Regierungen in Genf müssten schnell die internationale Solidarität demonstrieren, um das Leben der Flüchtlinge zu ändern, denen es am schlechtesten geht.

Man wird hier wenig erwarten können. Obwohl Deutschland absolut im Vergleich zu anderen EU-Ländern mit 7.000 syrischen Flüchtlingen relativ viel aufgenommen hat und weitere 20.000 aufnehmen will, ist das im Vergleich zu den Nachbarländern Syriens fast nichts. Nicht einmal 1 Prozent der Flüchtlinge außerhalb Syriens. Man wird sehen, was in Genf entschieden wird. Offenbar ist der Anti-IS-Koalition der Kampf wichtiger als die Menschen, die unter diesem leiden.

Zumindest fließt hier bereitwillig Geld in den Luftkrieg, die Lieferung von Waffen, in die Ausbildung von Soldaten und Kämpfern. Offenbar wurde auf der letzten Konferenz der Anti-IS-Koalition am 2. und 3. Dezember beschlossen, nicht die Hilfe für Flüchtlinge aufzustocken, sondern 1.500 weitere militärische Berater in den Irak zu schicken. Das erklärte zumindest James Terry, der Kommandeur von Operation Inherent Resolve, der auch sagte, der Islamische Staat sei nicht mehr auf dem Vormarsch, sondern würde nur noch versuchen, seine Gebiete zu verteidigen.