Landsknecht v2.0: Auf dem Weg zum Super-Soldaten

Schwere Verwundungen sollen nach dem Willen der DARPA künftig nicht mehr so schlimm sein

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Auf ihrer Mission zur Schaffung härterer, zäherer, schnellerer, schlauerer und noch tödlicherer Soldaten (Schneller, tödlicher und präziser) hat die DARPA eine Schwachstelle ausgemacht: Den Menschen selbst. In einigen Versuchen zu Update-Programmen für die Weichware Soldat werden bereits Probleme wie das Tragen von Exoskeletten (USA forschen an Starship Troopers) oder die ständig abrufbare Leistungsfähigkeit durch die Abschaffung von Müdigkeit (Continuous Assisted Performance program) bis an den Rand des ethisch Vertretbaren wissenschaftlich bearbeitet. Im Licht der Zukunft und aufgrund der aktuellen Entwicklungen erscheint für den Soldaten von morgen nunmehr auch das Verbluten auf dem Schlachtfeld überarbeitungswürdig und upgradefähig zu sein.

Nicht nur Schlaffheit und Schläfrigkeit der Truppe machen den DARPA-Denkern zu schaffen. In den Mittelpunkt des Interesses rückt viel mehr auch die Frage, wie Soldaten schwere Verletzungen auf dem Schlachtfeld überleben können, selbst wenn sie mehr als die Hälfte ihres Bluts verloren haben sollten.

Eine Quelle der Inspiration ist wieder einmal die Natur. Wenn Meeressäuger tief tauchen, lassen sie Teile des Körper kontrolliert abkühlen und drosseln so ihren Stoffwechsel ziemlich drastisch. Im Surviving Blood Loss-Programm sollen pharmazeutische oder technische Kniffe den Soldaten in die Lage versetzen, gleiches zu leisten. Es sollen neue Strategien entwickelt werden, die den Beginn eines irreversiblen Schocks verzögern und dem Verwundeten erlauben, selbst bei stark reduzierter Sauerstoffzufuhr über einen längeren Zeitraum weiterzuleben, um so mehr Zeit für die Evakuierung und Behandlung herauszuholen. Es wird betont, daß es sich hier um ein sehr gewagtes Projekt handelt (wobei schätzungsweise 85% aller DARPA-Programme ohnehin scheitern). Am Ende des Programms soll eine Ratte nach einem kontrollierten hämorrhagischen Schock durch Entnahme von 60% der Gesamtblutmenge in die Lage versetzt werden, sechs Stunden weiterzuleben.

Das erscheint selbst DARPA-Managern reichlich kühn, und deshalb existiert ein weiteres, sehr dringliches Vorhaben, das Deep-Bleeder Acoustic Coagulation-Projekt. Hier sollen die Blutungen an der Quelle selbst minimiert und gestoppt werden, also vorzugsweise an Oberschenkelarterien, Unterleibs-Blutgefäßen oder den Blutgefäßen der Arme. Mittels einer noninvasiven Technik sollen tiefe Blutungen geortet und zum Gerinnen gebracht werden, und zwar mittels eines transportablen Gerätes, das von minimal geschultem, militärischem Personal betrieben werden kann. Die angestrebte Lösung baut auf Arbeiten von Shahram Vaezy, Professor an der University of Washington, und anderen Forschungsgruppen auf.

Ultraschall-Sensoren sollen die Blutungen mittels Doppler-Effekt lokalisieren und das Blut durch fokussierten Ultraschall hoher Intensität (HIFU-High Intensity Focused Ultrasound) zum Gerinnen bringen. Hohe Energiedichten (Größenordnung von 1000 Watt pro Quadratzentimeter) werden in das Gewebe transportiert. Das läßt die Temperaturen innerhalb einer Sekunde um 60 Grad Celsius ansteigen und führt zum Absterben von Körpergewebe und strukturell-funktionalen Veränderungen, die von therapeutischem Nutzen sein können. HIFU wird bereits in der Hämostase angewendet, um Blutungen in Organen wie Leber und Milz oder von Blutgefäßen in Trauma-Situationen zu stoppen. Akustische Hämostase-Geräte können Leben und Gliedmaßen von Trauma-Patienten retten. Die Geräte sind für eine unmittelbare Anwendung auf dem Gefechtsfeld allerdings noch zu sperrig.

Sollte trotzdem etwas schief gehen, gibt es noch das Brain Machine Interfaces-Programm (Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine). Wie die Neurobiologen Miguel Nicolelis und John K. Chapin bereits im Oktober 2002 im Scientific American erläuterten, möglicherweise – in ferner Zukunft - auch in der posttraumatischen Therapie (Kriegs-)Versehrter: Paralysierte Personen sollen über eine Hirn-Rollstuhl-Schnittstelle die Steuerung des Gefährts mittels ihrer Hirnströme bewerkstelligen und einen Teil ihrer Mobilität zurückerlangen können. Und viel später sollen sie vielleicht sogar mit Hilfe drahtloser Kommunikation zwischen Implantaten in Hirn und Gliedmaßen die Kontrolle über selbige zurückgewinnen. Weitere Updates zum Zwecke der Überwindung soldatischer Gebrechlichkeiten sind in der Projektierungsphase.