Lebensformen unter extremen Bedingungen
Auch auf anderen Planeten?
Leben ist erfinderisch, wenn es um die Besiedlung von Nischen geht. Auch wenn, wie etwa Michael Groß in seinem Buch "Exzentriker des Lebens" ausführt, Mikroorganismen auch unter extremen Bedingungen existieren können, wurde Leben bislang nur auf unserem Planeten entdeckt. Wie sind die Aussichten, auch auf anderen Planeten Leben zu finden?
Leben scheint eine gewaltige Maschinerie zu sein, die unseren Planeten von seiner Atmosphäre bis tief in den Erdboden hinein umgeformt und gestaltet hat. Bislang ist unser blauer Planet der einzige, den wir kennen, der Leben auf sich trägt und der sich durch das Vorhandensein einer Geophysiologie oder Geobiologie auch physikalisch und chemisch von anderen Planeten unterscheidet. Daß unser Planet drei Milliarden Jahre lang ein relativ stabiles Klima besitzt, so daß flüssiges Wasser auf dem Großteil seiner Oberfläche vorhanden ist, verdankt sich Rückkopplungsmechanismen komplizierter Kreisläufe, die vom Leben unterhalten werden.
Früher dachte man, daß Leben nur auf einer kleinen schimmeligen Oberfläche existieren kann, aber Forschungen zeigen, unter welchen extremen Bedingungen es gedeihen kann und daß die Mikroorganismen wahre Wunder leisten. Sie können unter großer Hitze, in kochendem Wasser, in Geysiren oder Vulkanen, unter enormen Drücken und bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, bei Abwesenheit von organischen Stoffen ebenso gedeihen wie in Lebensräumen mit hohem Salz- oder Schwefelgehalt. Sie waren und sind noch immer das Leben, das maßgeblich unseren Planeten bestimmt und ihn als Lebenswelt erhält. Bereits vor etwa vier Milliarden Jahren entstanden die ersten Mikroorganismen und beherrschten über drei Milliarden Jahre lang die Erde, bis die ersten Vielzeller entstanden.
Der Biochemiker Michael Groß stellt in seinem Buch über die erst in jüngster Zeit entdeckten "Exzentriker des Lebens" eine Phänomenologie des Lebens in seinen extremen Formen vor. Interessant sind die meist "primitiven" Exzentriker für die Theorien über den Ursprung des Lebens unter extremen Bedingungen, aber natürlich auch zur Entwicklung biotechnologischer Innovationen, die sich der Strategien der Kleinstlebewesen bedienen. So könnte etwa ein Protein, das sich in der Membran von halophilen und anaerobischen Halobakterien findet, die man etwa im Toten Meer findet und dem neben den Prokaryoten und Eukaryoten (Zellen mit Zellkern)in den 80er Jahren neu entdeckten Urreich der Archaebakterien angehören, für die Zukunft der Infromationsgesellschaft äußerst bedeutsam sein. Zu diesen Extremisten, die eine eigene Evolutionsbahn eingeschlagen und sich nie an die von ihren "Kollegen" produzierte sauerstoffhaltige Atmosphäre angepaßt haben, gehören neben den Salzsüchtigen auch die Methanbildner und wärmeliebende Bakterien, die allesamt bislang unbekannte molekulare Bausteine besitzen. Das Protein der Halobakterien jedenfalls läßt sich als ein zweidimensionaler Kristall beschreiben und dient ihnen zur Energiegewinnung aus Sonnenlicht. Und eben dieser optisch-elektronische Reaktionszyklus des sogenannten Bacteriorhodopsinmoleküls, der immerhin 10 Millionen Mal durchlaufen werden kann, könnte wegen seiner Eigenschaft, unter Licht reversibel die Farbe zu wechseln, zur Entwicklung neuer bioelektronischer Bausteine und Halbleiterelemente führen: "Das Spektrum der Möglichkeiten reicht von rein optischen Datenspeichern bis hin zu holographischen Speichern, die wie ein assoziatives Gedächtnis funktionieren könnten."
Bei allen extremen Spielarten des Lebens auf der Erde existiert es dennoch nur, soweit wir es zumindest kennen, unter sehr eingeschränkten Bedingungen. Für alle, die vom Marsfieber oder Marsmem infiziert sind, ist natürlich der Blick über die Erde hinaus interessanter. Möglicherweise hat sich ja Leben auf anderen Planeten unter anderen physikalischen und chemischen Bedingungen entwickelt, vielleicht wurde gar die Erde von Keimen aus dem Weltall erst mit Leben geimpft?
Daß Leben sehr schwer nachzuweisen ist, zeigen nicht nur die Erfahrungen mit den Viking-Sonden und jetzt mit Pathfinder oder die noch immer nicht sichere Analyse des angeblich vor 16 Millionen Jahren ins Weltall gereisten und vor 13000 Jahren auf die Erde gestürzten Marsmeteoriten ALH84001, dem man 1996 noch keinen Namen gegeben hat und auf dem man Zeichen biologischen Lebens zu sehen vermeinte, was die NASA seinerzeit für ihre Zwecke bekanntlich reichlich ausschlachtete - und auch Bill Clinton dazu brachte, die Botschaft den Medien zu überbringen (was wiederum jetzt sein Nachspiel im Film Contact erfuhr, in dem der Präsident mit den gleichen Aufnahmen aber, was ihm gar nicht paßt, die Entdeckung einer Botschaft von Außerirdischen verkündet). Michael Groß berichtet von einem anderen Versuch, aus den von der Raumsonde Galileo aufgezeichneten Daten Leben auf einem Planeten nachzuweisen, an dem sie nur in 1000 Kilometern Entfernung vorbeiflog. Dabei handelte es sich um die Erde. Eine von Carl Sagan geleitete Gruppe hatte nachträglich versucht, wie und ob sich Leben so auf einem Planeten erkennen ließe, von dem man schließlich weiß, daß es solches auf ihm gibt. Einiges sprach dafür, aber man müßte, "um eine Zivilisation vom Entwicklungsstand der unseren aus dem All zu entdecken, die ganze Oberfläche des fraglichen Planeten mit einer Auflösung von mindestens zwei Kilometern aufnehmen. Galileo konnte in der Zeit des Vorbeiflugs lediglich 2,3 Prozent der Erdoberfläche mit einer Auflösung von einem Kilometer sowie weitere vier Prozent mit zwei Kilometern Auflösung abbilden. Zivilisationsspuren wurde dabei keine entdeckt. Tatsächlich waren die Radiowellen die einzigen Spuren intelligenten Lebens, die Galileo entdecken konnte."
Der Mars ist immer noch Hoffnungsträger für mögliches Leben, weil seine klimatischen Bedingungen denen der Erde am ähnlichsten sind, obwohl bislang, trotz der Viking-Sonden und Sojourner, noch immer keine zweifelsfreien Spuren früheren oder jetzigen Lebens gefunden wurden (siehe Leben auf dem Mars in vulkanischen Höhlen?). Die Entdeckung von vielen verschiedenartigen Einzellern in tiefen Gesteinsschichten der Erde, die vermutlich nur von Wasser und Stein (Basalt) leben können, läßt zwar nicht gerade das Bild von den grünen Marsmännchen und ihren großen Kanälen aufflammen, aber doch die Möglichkeit zu, daß auch in der Tiefe des Mars, geschützt vor den UV-Strahlen und der Kälte, mikrobiologisches Leben existiert oder existiert hat. Weitere Möglichkeiten wären die Saturnmonde Titan oder Europa. Ob es aber tatsächlich und nicht bloß hypothetisch erdähnliche Planeten in anderen Sonnensystemen gibt, ist fraglich. Bislang nachweisen konnte man überhaupt lediglich, daß es überhaupt einige Planeten gibt - an die 20 sind im Verzeichnis des Pariser Observatoriums erst eingetragen.
Besonders skeptisch ist Michael Groß, was die Panspermiahypothese anbelangt, also daß Leben auf der Erde gesät durch Keime aus dem Weltraum worden sein. Das Universum ist viermal so alt wie unser Sonnensystem, also hätte sich durchaus schon früher irgendwo Leben bilden können. Aber es müßte nicht nur einige Millionen Jahre in den Weiten umherfliegen und dabei erhalten bleiben, sondern auch vor den gefährlichen UV-Strahlen geschützt sein. Das ist ziemlich unwahrscheinlich, zumal diese Erklärung der Lebensentstehung alles nur weiter zurückdatiert. Warten wir also doch lieber auf den Kontakt durch Botschaften von Außerirdischen oder auf die UFOs, die sich durch die Wurmlöcher schießen.
Wer will, kann dazu das Buch "Löcher im All" des Physikers Paul Halpern lesen: "Eines Tages werden rasche interstellare Flüge nicht mehr bloße Versatzstücke der Science-Fiction-Literatur und Attraktionen der Vergnügungsparks sein, sondern fester Bestandteil der menschlichen Erfahrung. Früher oder später werden die Menschen die technischen Vorausetzungen schaffen, um Tore zu bauen, die in andere Teile des Kosmos führen." Nur für uns werden diese "befahrbaren Wurmlöcher" sich nicht mehr öffnen, die möglicherweise auch nur auf Wüsten führen würden, wie sie uns Sojourner jetzt gerade vom Mars zeigt. Vielleicht sind wir, bis hinunter zu unseren Vorfahren, den Mikroorganismen, ja doch die einzigen im Weltall. Was aber die Menschen früher für selbstverständlich angenommen haben, scheinen wir heute nicht mehr zu ertragen. Und ist auf der Erde langweilig geworden.
Intelligentes Leben auf anderen Planeten? - eine Diskussion zwischen dem Astronomen Carl Sagan und dem Evolutionsbiologen Ernst Mayr
Nun doch schon eher still kriecht Sojourner noch immer auf einem kleinen Fleck auf dem Mars herum, hat sich Yogi angeschaut, und Klein-Matterhorn ist auch vorhanden. Nur jede Spur von Leben scheint auf der Wüste zu fehlen, auch wenn möglicherweise einmal Wassermassen durch sie gebraust sind. Passend kam der Film Contact zur Marslandung von Pathfinder in die Kinos, in denen intelligente Außerirdische endlich eine Botschaft schicken. Carl Sagan, Gründer des SETI-Projekts, also der Suche nach extraterrestrischer Intelligenz, hat die Grundlage für diesen Film geschaffen und bis zu seinem Tod als Berater mitgewirkt.
Daß es irgendwo im Weltall nicht nur Leben, sondern auch intelligentes Leben geben muß, war die Überzeugung des bekannten Astronomen Sagan, die er gegen die Einwände des nicht minder berühmten Evolutionsbiologen Ernst Mayr noch im Jahr 1995 zu verteidigen suchte. Obgleich die Zahl der entdeckten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems noch verschwindend gering ist und keinerlei Messungen vorliegen, wie deren Beschaffenheit sein könnte, geht Sagan davon aus, daß es um jeden sonnenähnlichen Stern ein bis zwei erdähnliche Planeten mit reichlich Wasser geben könnte, von denen einige auch für unser auf Kohlenstoff und Wasser basierendes Leben geeignet sein müßten. Die Wahrscheinlichkeit sei also gewaltig, daß es irgendwo auch intelligentes Leben geben müsse, die funktional unserer Intelligenz ähnlich sein könnten, also etwa in der Lage wären, Radioteleskope zu bauen, um Nachrichten an andere intelligente Wesen zu senden. Daher lohne sich für Sagan auch der Aufwand, nach Botschaften von anderen Lebewesen Ausschau zu halten.
Ernst Mayr hält es dagegen für unwahrscheinlich, daß SETI jemals zu einem Ergebnis kommen wird. Als (irdischer) Biologe geht Mayr von den Bedingungen der Erde aus, was die Anzahl der für Leben geeignete Planeten, je nach Optimismus, bereits erheblich einschränkt, wenn man zusätzlich die Reichweite von technischen Mitteln berücksichtigt. Schon allein die Extrapolation von einem singulären Ereignis - dem Leben auf der Erde - auf die Wahrscheinlichkeit seines Vorkommens auf anderen Planeten ist in der Tat nicht aussagekräftig. Es ist vor allem die Unwahrscheinlichkeit der Entwicklung des Lebens, der von höheren Lebewesen und schließlich der von intelligentem Leben, die Mayr ins Feld führt. Schon auf der Erde hat es Milliarden von Jahren gedauert, bis schließlich menschliches Leben entstanden sei, das sich überdies nur einmal entwickelt habe, während Millionen von Arten auch ohne eine derartige Intelligenz ganz gut leben konnten. Während der Evolution gab es derart viele Zufälle, daß schon ein wenig veränderter Verlauf ganz andere Ergebnisse erzielt hätte. Auch wenn Leben mit einer entprechenden Intelligenz wie der unseren entstanden wäre, könnte es sich erheblich von uns unterscheiden. Erst seit ein paar Jahrzehnten können Menschen elektronische Signale senden und empfangen. Das allein macht, mitsamt der Kurzlebigkeit von Zivilisationen, die Wahrscheinlichkeit einer Kommunikation äußerst gering, weil das Zeitfenster zu klein ist. Nur Physiker und Astronomen würden ernsthaft wegen ihres Determinismus glauben, daß es sich lohne, nach extraterrestrischer Intelligenz zu suchen, deren Existenz äußerst unwahrscheinlich ist.
In seiner Antwort verweist Sagan darauf, daß die Evolution stets kurzfristig auf Kontingenzen reagiert und nicht die Entwicklung von intelligenten Lebewesen plant, aber daß es dennoch besser sei, klug als dumm zu sein, weswegen sich auch ein durchgängiger Trend zur Entwicklung immer höherer Intelligenz auf der Erde beobachten lasse, wobei er voraussetzt, daß überall dort, wo günstige Bedingungen vorliegen, auch Leben entstehen werde. Und überhaupt sei die SETI-Technologie nicht nur deswegen interessant, um Leben im Weltall zu entdecken, sondern auch für eine Gattung, die längere Zeit überleben will, entscheidend, um bedrohliche Kometen und andere gefährliche Flugobjekte rechtzeitig zu sichten und sie dann möglicherweise zu zerstören, bevor die auf die Erde fallen und eine Katastrophe wie der vor 65 Millionen Jahren bewirken, bei der etwa die Dinosaurier ausgestorben seien, wovon Sagan ausgeht.
Mayr bestreitet zwar nicht, daß die Wahrscheinlich groß ist, daß Leben auf einer Vielzahl von Planeten sich entwickelt hat, aber daß hohe Intelligenz wie die menschliche auch auf der Erde nur einmal entstanden ist, mache die Wahrscheinlichkeit von einer solchen woanders höchst unwahrscheinlich. Er bestreitet auch zu Recht, daß es einen Trend zu höherer Intelligenz gebe, denn die meisten Lebewesen kommen ohne diese aus: "Es ist nur eine Sache des gesunden Menschenverstandes, daß die Existenz von extraterrestrischer Intelligenz nicht auf a priori Argumenten begründet werden kann. Aber das rechtfertigt nicht SETI-Projekte, da man zeigen kann, daß der Erfolg eines Beobachtungsprogramms so völlig unwahrscheinlich ist, daß man es praktisch als Null betrachten kann."
Sagan hält der Unwahrscheinlichkeit des Entstehens von Intelligenz entgegen, daß selbst Prokaryoten "Klugheit" entwickelt hätten, schließlich seien sie unsere Vorfahren. Auf anderen Planeten hätte es überdies auch mehr Zeit gegeben, daß intelligentes Leben entsteht. Ein paar Milliarden Jahre mehr erhöhen die Wahrscheinlichkeit. Möglicherweise hätten, wenn die Kolonisation nicht geschehen wäre, auch die Azteken irgendwann mit ihren großen astronomischen Kenntnissen Radioteleskope entwickelt. Und Lichtempfindlichkeit sei überall ein geeignetes Mittel, um die Außenwelt zu erkennen. Radiowellen unterscheiden sich vom Licht lediglich durch die Wellenlänge. Sagan wirft Mayr vor, daß er ähnlich argumentiere, wie die Menschen in der Vergangenheit, die sich im Zentrum der Welt wähnten. Da jede Argumentation sowieso nur spekulieren könne, wäre es sinnvoller, die Hypothesen empirisch zu bestätigen oder zu widerlegen.
Im Grunde läßt sich über die Möglichkeit extraterrestrischen Lebens und einer anderen Intelligenz nichts sagen. Optimisten und Pessimisten haben hier die Chance, ihren Glauben auszuleben. Doch anders als die Menschen in der Vergangenheit, die sich im Zentrum der Welt wähnten, die aber immerhin noch das Gewusel der Götter hatten, scheinen wir mittlerweile einsam zu sein. Wir kennen uns mittlerweile, der Planet ist klein geworden und hat keine Geheimnisse mehr. Begegnungen mit wirklich Fremden sind nicht mehr möglich, während die Götter verschwunden sind, die allmählich zu den ersehnten und gefürchteten Extraterrestrischen mutiert sind. Und besonders mit Einmaligkeit kommt die Wissenschaft nicht zu Recht. Die klugen ETs allein könnten unsere alte Denkstruktur des Gegenübers von Wir und Sie erhalten, und sie sind eine Art Probe für den wissenschaftlichen Ansatz. Nur gut, daß das Weltall für uns unendlich groß ist, so daß es immer vergangene, gegenwärtige und zukünftige Lebensformen irgendwo geben könnte, denen wir nur nicht begegnen können. Das Geheimnis bleibt.
Michael Groß: Exzentriker des Lebens. Zellen zwischen Hitzeschock und Kältestreß. Spektrum Akademischer Verlag, 1997. 302 Seiten.
Paul Halpern: Löcher im All. Modelle für Reisen durch Zeit und Raum. Rowohlt Science Sachbuch, 1997. 312 Seiten.