Clinton und die Außerirdischen oder das Recht auf das eigene Bild
Im Film "Contact" tritt Bill Clinton ungefragt und offenbar gegen seinen Willen als präsidialer Mitspieler auf. Wie frei sind die Bilder?
Die digitale Technik macht es möglich, das Blaue vom Himmel herunter zu lügen und es als wahr erscheinen zu lassen. Wir sind es bereits gewohnt, daß auf Bildern nahezu alles unmerklich gefälscht, manipuliert oder beschönigt werden kann, daß wir unseren Augen nicht mehr trauen dürfen, wenn wir Medienbilder ansehen. Der Erfolgsregisseur Robert Zemeckis ließ in seinem neuen Film "Contact" den echten Bill Clinton in einem Kontext auftreten, der diesem nicht gefiel. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, aber die präsidiale Beschwerde läßt die Frage entstehen, wem die Bilder im Zeichen ihrer völligen Manipulierbarkeit eigentlich gehören.
Aus Gründen der Technik hat man wohl bis vor kurzem in Filmen Schauspieler verwendet, die eine reale Person darstellen, oder dokumentarisches Material wie Woody Allen in "Zeelig" gezeigt. Robert Zemeckis hatte bereits in "Forrest Gump" (1993) überarbeitetes Filmmaterial von John F. Kennedy, Lyndon Johnson und Richard Nixon eingebaut, die mit den Schauspielern interagierten. Auch Wolfgang Petersen verwendete bei seinem Film "In the Line of Fire" (1993) Material von George Bush und dessen Herausforderer Bill Clinton aus der Zeit des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes. Jetzt scheint aber Zemeckis mit seinem neuen Film Contact, der am 11. Juli in den amerikanischen Kinos angelaufen ist, sowieso perfekt mit der Marslandung, dem Weltraumfieber und dem fünfzigjährigen Jubiläum der angeblichen Roswell-UFOs zeitlich bestens abgestimmt, zu weit gegangen zu sein. Charles Ruff, Rechtsberater des Weißen Hauses, beschwerte sich in einem Brief bei Zemeckis, weil dieser Fernsehaufzeichnungen einer Pressekonferenz in seinen Film eingebaut, dabei aber den Kontext verändert hatte.
Die Story des Films basiert auf einer Erzählung des verstorbenen SETI-Wissenschaftlers und Astronomen Carl Sagan, nach dem wiederum der Pathfinder-Landeplatz auf dem Mars zur "Sagan Memorial Station" benannt wurde. Mit ihm hat Zemeckis das Drehbuch entwickelt. Nach Sagans Tod arbeitete er weiter mit Ann Druyan, dessen Frau, Leiterin des Voyager Interstellar Recording, zusammen. Sollte vielleicht die NASA, neuerdings öffentlichkeitswirksam auftretend, am Film beteiligt sein, um die Raumfahrt noch populärer zu machen - und damit ihr Budget aufzustocken? Zumindest hat das SETI-Institut ein Interesse daran, denn der amerikanische Kongreß hatte 1993 den Geldhahn abgedreht.
Zumindest kommen die ETs in "Contact" nicht als Feind, sondern schicken eine Radiobotschaft vom Stern Vega. Trotzdem sind wie in "Independence Day" die Außerirdischen der Anlaß, daß die Menschen sich vereinen, nun aber nicht im Kampf gegen die Fremden, sondern um die Botschaft zu entschlüsseln. Das schaffen sie auch. Die freundlichen himmlischen Pappas haben einen Bauplan für eine Maschine geschickt, die intergalaktische Reisen durch Wurmlöcher ermöglicht. Bekanntlich meint auch Stephen Hawkins, daß dies nicht ganz unmöglich sei. Aber wir sehen im Film ja auch stets, was prinzipiell zumindest nicht unmöglich ist, weil das Mögliche nicht so wahnsinnig spannend ist. In Kontakt mit den Fremden waren auch die Mitglieder von Heaven's Gate, die ihre "Container" hinter sich ließen, um zu den Außerirdischen zu gelangen, die irgendwo um Hale-Bopp herum mit ihrem UFO kreisten.
Die ETs nehmen mangels Besserem allmählich doch die Rolle der fehlenden Götter im interstellaren Diesseits ein, so daß sich Religion, Utopie und Technik hier nahtlos verbinden. Überdies ist der Weltraum, nachdem der Cyberspace weitgehend kolonialisiert ist und die Reise in die Esoterik oder mit den Drogen allmählich langweilig wird, die letzte Frontier für die amerikanischen Pioniere - und möglicherweise eine gemeinschaftsstiftende Vision der großen Reise, durch die man mit dem kruden Kapitalismus und seinem wachsenden Wohlstandsgefälle wieder auskommen kann. Fehlt bloß noch, daß sich Bill Gates, dessen Vermögen wiederum angewachsen ist, mit seinem Geld an die Spitze der Erdlinge setzt und die Sache in die Hand nimmt. Trotzdem Microsofts neue Version des Explorers jetzt auch kräftig das Pushen zu fördern sucht, um in den künftigen Channels mitzumischen, werden auf den heimischen Bildschirmen wohl noch nicht so schnell die wirklichen interessanten Botschaften auftauchen. Gleichwohl verkündet man auf der Web-Site von Contact stolz, daß Zemeckis nahezu in jeder Szene TV- und Computerbildschirme hat, schließlich erhalten wir die meisten Informationen von eben diesen Weltvermittlern - und, wie Zemeckis sagt, es würde auch ein riesiges Medienereignis sein, wenn tatsächlich die Fremden Kontakt mit uns aufnähmen. So handelt der Film möglicherweise von den Medien, die ihn ablösen, und weniger von ETs. Die sind vielleicht die 25 "echten" Reporter von CNN, die in "Contact" mitspielen. Aber was heißt hier schon echt?
Jodie Foster spielt in "Contact" die leidenschaftlich nach anderen intelligenten Wesen suchende und von deren Existenz überzeugte Ellie Arroway, eine Astronomin, die nach langem Warten tatsächlich in Kontakt mit extraterrestrischen Wesen tritt und dann auch zur Botschafterin der Menschen wird, die sich alleine im "Pod" auf die Fahrt in den Raum machen darf. Davor aber kommt jene Stelle, die Unmut im Weißen Haus ausgelöst hat, denn im Film bezieht sich Clinton scheinbar auf diese Kommunikation mit Außerirdischen und spricht von der möglichen Bedeutung dieses Ereignisses, während er in der echten Pressekonferenz sich über die möglichen Spuren des Lebens äußerte, die Wissenschaftler der NASA vermeintlich auf dem Stein 1996 entdeckt haben wollen, der vermutlich vom Mars stammt. Will Clinton vielleicht lieber auf der Erde bleiben und hier die Rassen und Völker versöhnen, höchstens noch den Cyberspace zur amerikanisch dominierten Freihandelszone ausbauen, aber kein Geld in die NASA-Träume von bemannten Weltraumfahrten stecken?
Die Beschwerde jedenfalls hat, wie immer, dem Film nur noch mehr Publicity gebracht - und damit auch dem Thema der ETs. Wie bei Pathfinder von der NASA dürfen wir jetzt auch an der Suche nach extraterrestrischen Signalen "live" teilhaben. Charles Ruff beschwerte sich beim Regisseur, weil dieser Bilder von öffentlichen Erklärungen des Präsidenten manipuliert, sie aus ihrem Kontext gelöst und der Filmhandlung angepaßt habe. Der Sprecher des Weißen Hauses sagte, daß dies über die normale Satire und Parodie hinausginge und das Weiße Haus überdies die "Benutzung des Präsidenten" für kommerzielle Zwecke verbiete. Gerichtlich wolle man nicht vorgehen, verkündete Pressesprecher Michael McCurry, wohl aber mit dieser Beschwerde verhindern, daß dies wiederum geschehe.
Zemeckis selbst sieht darin kein Problem. Er brauche keine Genehmigung für die Verwendung von Bildern Clintons, schließlich sei dieser eine öffentliche Person. Während zur gleichen Zeit alles Mögliche, bis hinunter zu einzelnen, natürlich vorkommenden und lediglich isolierten Genen, patentiert wird, sind Politiker und ihre Bilder also Freiwild für die Medien. Die allerdings liegen auch im Kampf mit der öffentlichen Verwendung ihrer Bilder und suchen nach bessern Möglichkeiten, ihr Copyright zu schützen, das sie anderen abstreiten. So stinkt es offenbar beispielsweise Playboy, daß die Bilder der schönen Nackten einfach heruntergeladen und eigenmächtig gebraucht werden können, weswegen man digitale Wasserzeichen einfügen und dann auf die Suche nach den Räubern gehen will. Sind die Playmates aber nicht auch öffentliche Personen, die sich dem verehrten Publikum mitteilen, auch wenn dies körperbetonter und ein wenig schweigsamer geschieht?
Doch die Beschwerde des mächtigsten Mannes auf der Erde auf der einen und die Unverfrorenheit der Medienmacher auf der anderen Seite läßt einen nachdenklich werden. Daß Menschen durch scheinbar dokumentarische Aufnahmen getäuscht werden können, ist sicher nicht das Problem. Schließlich ist dies ein Spielfilm und keine Nachrichtensendung, also ein eindeutiger Kontext des Fiktiven. Problematischer aber sind dann schon die Eigentumsrechte am eigenen Bild. Tatsächlich geht es hier nicht um den Zweck, für den die Presseerklärung gedacht war und die (Medien)Öffentlichkeit geschaffen wurde, sondern um eine kommerzielle Ausbeutung und Verfremdung von Bildern und Worten. Sollte also der vom Politiker zum Schauspieler mutierte Clinton, der damit einen umgekehrten Weg wie Ronald Reagan beschreitet, Anspruch auf ein angemessenes, also einem Präsidenten würdiges Honorar haben - oder zumindest gefragt werden?
Wo ist die Grenze zwischen Verfügungsrecht und Öffentlichkeitsanspruch? Das muß man nicht allein bei hohen politischen oder gesellschaftlichen Persönlichkeiten beschränken, denn möglicherweise haben wir alle ein Recht auf unsere Bilder - und damit in einer kapitalistischen Gesellschaft ein einklagbares Copyright? (Vielleicht sollten wir uns selbst auch schnell als "biotechnologische Erfindung" patentieren lassen, bevor andere Bestandteile unseres Körpers für sich gewinnbringend einheimsen?) Irgendwie kommen jetzt mit den Medien und den Biotechnologien die Eigentumsverhältnisse ins Rutschen, die doch die wesentliche Grundlage unserer Gesellschaften sind. Sollten wir an einer Demonstration oder einer Veranstaltung wie der Love Parade teilgenommen haben, dann dürfen Bilder von uns ohne weiteres verwendet werden - aber nur für die Berichterstattung oder auch zu anderen Zwecken? Und wo hört die Berichterstattung auf, denn die Öffentlichkeit ist als eine mediale durch und durch kommerzialisiert und unser Bild eine Ware? Wäre es auch nur ein "Spaß", so Zemeckis über die Verwendung der Bilder von Clinton, wenn wir einfach Szenen aus "Contact" wiederum für eigene Zwecke verwenden?
Schon beginnen die ersten virtuellen Klons, die Synthespians, sich auf den Bildschirmen zu bewegen, und wer eine öffentliche Gestalt des Showbusiness ist, läßt sich vorsorglich schon einmal ganzkörperlich und rundum einscannen, um später als beliebig weiter modellierbares Phantom die Medienwelten zu bevölkern. Wie lange wird man oder die Erben sein 3D-Bild und seine Stimme besitzen und daran verdienen? Hat man überhaupt ein Recht auf sein Bild? Stars verkaufen ihre Bilder - oder ihre Körper, um Bilder von diesen zu machen. Wenn aber die Körper mehr und mehr Bestandteile von Firmen enthalten wird, wenn sie auch nur geliftet oder chirurgisch verändert sind, dann gehören uns auch diese nicht mehr so ganz. Vielleicht also sollten wir Clinton und seinem juristischen Berater folgen und das Recht auf unsere Bilder einklagen? Vielleicht sollten wir aber auch Schluß mit diesem Kapriolen schlagenden Eigentumsgedusel machen und die Bilder freigeben?