Leipzig steht ein unruhiger Abend bevor

Legida rückt deutlich nach rechts, die von der Stadt auferlegten Einschränkungen für Legida und die 20 Gegenkundgebungen könnten auch das Großaufgebot an Polizei überfordern

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Leipzig rüstet sich für den Aufmarsch der Legida-Anhänger und 19 weiteren, bislang genehmigten Versammlungen auf, die oft recht überschaubar sein werden. Nicht genehmigt sind offenbar Proteste, die wie Legida läuft nicht zu Sitzblockaden gegen Legida aufrufen. Die Polizei erwartet insgesamt bis zu 100.000 Demonstranten, mit 60.000 Teilnehmern wird bei Legida gerechnet, wo man mitunter die Parole ausgibt: "Schluss mit Lügen und Intrigen!". Damit würde, auch dank des Versammlungsverbots aufgrund einer mehr und mehr obskuren "konkreten Gefahr" durch Terroristen, ein Höhepunkt der von Pegida in Dresden ausgelösten und durch Medienberichterstattung der "Lügenpresse" gehypten Welle der unzufriedenen Spaziergänger erreicht.

Die Frage wird sein, ob die Bewegung, die sich gegen Asylbewerber, Migranten und vor allem Muslime wendet, die mehr Polizisten und ein Einwanderungsgesetz will und irgendwie Russland schätzt, nun noch attraktiver für Unzufriedene aller Art wird oder ob der Höhepunkt dann überschritten, wenn die Abendspaziergänger zu einer politischen Kraft werden. Legida macht aber schon mit dem Slogan der Demonstration "Für Heimat, Frieden und deutsche Leitkultur. Gegen religiösen Fanatismus, Islamisierung und Multikulti" deutlich, dass das Pegida-Konzept in Richtung Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Deutschtümelei erweitert wird und damit deutlicher nach rechts rückt.

Es geht trotzdem ziemlich wirr gegen "kriminelle Ausländer und Sozialschmarotzer" und "Flüchtlinge, die die amerikanische Kriegspolitik produziert", die Mittelschicht hat Angst vor dem Abstieg und will auch keine Alters- und KInderarmut. Wieder geht es gegen die Lügenpresse, man ist auch gegen Parteienfilz und Lobbywirtschaft. Für jeden ist etwas dabei, Anschlussfähigkeit nach rechts ist gesichert. Nachdem auch Pegida zur Teilnahme aufgerufen hat und Legida eine "Allianz mit unseren Freunden in Dresden" eingeht, wird es nun schwieriger werden, nicht als ausländerfeindlich und rechtslastig zu gelten. Überwölbt wird die Bedrohungsideologie durch angebliches Bestehen auf Freiheit und den Kampf gegen die "politischen Verantwortlichen": "Unser freies Denken, unsere freie und offene Lebensweise wollen wir für ALLE in Europa lebenden Menschen erhalten!"

Gegen die Auflagen der Stadt wehrt man sich und spricht von einem "faulen Taschenspielertrick", der Oberbürgermeister habe das "Grundgesetz mit Füßen getreten, wie es die Mehrheit der Politiker seit Jahren tun". Das hört sich nicht mehr nach der zuletzt von Pegida geäußerten Gesprächsbereitschaft, sondern nach Konfrontation und Aufstachelung der Wutbürger an. Irgendwie glaubt man, "das Volk" gegen die Politiker zu vertreten und will das durch Masse demonstrieren. Aber wären auch die gewünschten 60.000 Teilnehmer "das Volk"?

In den Medien zirkulierte gestern die Meldung, dass angeblich die Staatsanwaltschaft prüfe, ob sie gegen den Pegida-Gründer Lutz Bachmann ein Verfahren wegen Volksverletzung einleitet. Bachmann soll im September auf einer Facebook-Seite, die aber gelöscht wurde, Flüchtlinge und Asylbewerber als "Viehzeug", "Dreckspack" und Gelumpe" bezeichnet haben, berichtete die Süddeutsche mit einem Verweis auf einen Screenshot, den die Morgenpost veröffentlich hatte. Eine Frau, die anonym bleiben wollte, hatte "Screenshots und Ausdrucke dieses Gesprächsverlaufes" geschickt.

Der Generalstaatsanwalt Wolfgang Klein stritt auf Anfrage des MDR die Behauptung ab. Seine Behörde prüfe nicht den Anfangsverdacht der Volksverhetzung, weil ihr keine derartigen Erkenntnisse vorlägen: "Wir suchen nicht aktiv danach, zumal die Einträge nach Angaben des LVZ-Redakteurs gelöscht sein sollen. Ich kenne diesen Facebook-Eintrag nicht."

Leipzig hat dem Legida-Marsch heute allerdings Einschränkungen auferlegt. Eigentlich wollten die Veranstalter den ganzen Innenstadtring ablaufen. Die Stadt beschränkte die Route auf den östlichen und südlichen Teil und teilte mit, dass eine "gütliche Einigung" mit den Veranstalter nicht erzielt werden konnte. Die Gegenveranstaltungen dürfen hingen nur als stationäre Kundgebungen abgehalten werden. "Basis der Entscheidung ist", so die Stadt, "nicht nur die massive Gefährdungslage, sondern auch allein die Vielzahl von Versammlungen mit rund 100.000 Menschen in der Stadt, die ihre politische und gesellschaftliche Meinungsbildung zum Ausdruck bringen möchten. Zudem wären über 150.000 Fahrgäste davon betroffen, dass der ÖPNV über Stunden massivst eingeschränkt wäre und im Innenstadtbereich völlig zum Erliegen kommen würde. "

Die Polizei will versuchen, mit 4000 Polizisten für Ruhe zu sorgen. "Wir stehen vor dem größten Polizeieinsatz in der Geschichte Leipzigs, um Gewalt zu verhindern", sagte Polizeipräsident Bernd Merbitz. Es könnte schnell aus dem Ruder laufen, wenn Legida-Anhänger die Auflagen nicht einhalten wollen und Legida-Gegner die Demonstration stören wollen.

Und denkt dran: Unsere Widersetz-Aktionen sollen solidarisch und gewaltfrei ablaufen. Ziviler Ungehorsam ist nichts Verbotenes, sondern ein bewusster Regelübertritt, eine Form der basisdemokratischen Beteiligung mit dem Ziel eine Unrechtssituation - hier den Marsch von tausenden RassistInnen - abzuwenden.

Leipzig nimmt Platz