Lesvos, mon amour

Seite 2: Die Tour der Flüchtlinge auf Lesbos

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Flüchtlinge, die hier an der Nordküste ankommen, werden, nachdem sie mit dem Nötigsten versorgt worden sind, umgehend in die Stage Two gebracht.

Auf der Straße hoch nach Mandamados liegt am Abzweig nach Klio noch eine alte Käsefabrik. Sie wird mittlerweile bei Bedarf ebenfalls zur kurzzeitigen Unterbringung von angekommenen Flüchtlingen verwendet (NGO Borderline). Aber schon nach kurzer Zeit werden die Flüchtlinge der Nordküste mit Bussen ins Camp Moria gebracht.

Foto: Peter Oehler

Damit sind die NGOs hier vor Ort gut eingebunden in dieses System, das die an der Nordküste ankommenden Flüchtlinge möglichst rasch entfernt. Sinn und Zweck ist vornehmlich, den Tourismus hier möglichst nicht zu beeinträchtigen.

Und so wird ein Tourist (mich eingeschlossen) hier in der Gegend auch keinen einzigen Flüchtling zu Gesicht bekommen. Auf einen Schandfleck soll aber noch hingewiesen werden: Wenn man auf der Straße von Molivos nach Eftalou rechts abbiegt, über eine Schotterpiste etwas in die Berge hineinfährt, gelangt man zu einer wilden Müllkippe.

Hier lagern Zigtausende Rettungswesten, zerschnittene Schlauchboote, ganze und Teile von Schiffswracks. Seit 2016 hat sich wenig verändert, außer dass die Rettungswesten schon etwas ausgeblichen sind von der Sonne. Aber dieser "Friedhof der Rettungswesten" stört hier niemanden, da wohl kein Tourist hierhin gelangen wird.

Nachdem ich mich zwei Wochen an der Nordküste aufgehalten hatte, bin ich noch für eine Woche nach Mytilini gefahren, habe mich dort in einer einfachen Pension einquartiert. Mit dem Bus in Richtung Norden ist man relativ bald beim Camp Kara Tepe, an der Landstraße oberhalb von Lidl gelegen.

Das Hope Project

Dieses von der Stadt Mytilini betriebene Camp, inmitten von Olivenbäumen und nahe am Meer gelegen, beherbergt nur Familien, insgesamt 250 Flüchtlinge. Als jemand, der weder Flüchtling, noch Mitarbeiter einer NGO oder gar Journalist ist, kommt man hier nicht hinein. Aber auf der anderen Straßenseite werden drei Lagerhallen von The Hope Project betrieben.

Hier treffe ich Eric K. wieder, da die Ks dieses Projekt initiiert haben. The Hope Project ist bewusst keine NGO (An einem der Eingänge steht auf einem Schild handgeschrieben: "WE ARE NOT N.G.O. Independent Volunteers"). Es gibt keine Angestellten, keine Gehälter.

Damit unterscheidet sich das Hope Project von vielen NGOs, die für ihre Flüchtlingsarbeit vom griechischen Staat beauftragt und auch (mit Geld der EU) bezahlt werden. Bei diesen - oftmals ausländischen - NGOs ist dann immer schnell der Vorwurf zu hören, dass sie nichts für ihr Geld tun, dass sie an den Flüchtlingen verdienen.

Diese Meinung ist gerade bei vielen Griechen zu hören. The Hope Project arbeitet dagegen nur mit Sach- und Geldspenden. In den Lagerhallen sind insbesondere untergebracht: eine Kleiderkammer und der Arts-Bereich, wo Flüchtlinge malen und musizieren können. Aus den Bildern, die hier an der Wand hängen, kann man ersehen, dass die Flüchtlinge beim Malen auch die traumatischen Erlebnisse ihrer eigenen Flucht verarbeitet haben. Ich arbeite diese eine Woche in der Kleiderkammer mit.

Foto: Peter Oehler

Mit zwei jungen Engländerinnen zusammen sind wir die einzigen "Western people", denn ansonsten arbeiten hier nur Flüchtlinge oder ehemalige: zehn bis zwölf aus Afghanistan, Syrien, Irak oder den afrikanischen Staaten.

Einige von ihnen leben im Camp Moria, und nur ihnen ist es erlaubt, dort ein- und auszugehen. Sie gehen dabei regelmäßig durchs Camp, achten auf Neuzugänge und verteilen Gutscheine, die zu einem einmaligen Besuch an einem bestimmten Tag in der Kleiderkammer einladen.

Oftmals kommen ganze Familien hier an, die dann mit etwas Hektik in einem Rutsch alle eingekleidet werden. Dabei geht es nicht darum, dass die Kleidung möglichst chic ist, sondern dass sie passt. Auf einem Schild steht auch extra geschrieben: "This is not a Supermarket".

Neben den Klamotten werden auch Hygieneartikel mitgegeben. Im hinteren Bereich der Kleiderkammer, da wo die Kunden nicht hinkommen, rollen zwei junge Muslime mehrmals am Tag ihre Gebetsteppiche aus, um gen Osten zu beten. Kleinen Kindern wird hier immer besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt, und meist bekommen sie auch ein Stofftier oder Ähnliches dazu.

Von Familien mit Babies werden meistens Fotos, auch Selfies, gemacht, zur Dokumentation. Neben den Warenhäusern steht eine mobile Küche: Ein großer, knallgelber Container mit voll ausgestatteter Küche nebst Kühlschränken.

Er ist von einer spanischen NGO gespendet worden und wird dazu benutzt, um allen Flüchtlingen, die die Kleiderkammer besucht haben, nach ihrem Besuch eine warme Mahlzeit anzubieten. Außerdem werden vom Hope Project noch zusätzlich dreißig Familien mit Lebensmitteln versorgt.