Liegt das Heil wirklich in der direkten Demokratie?
Seite 2: Insgesamt gerade mal 22 Volksinitiativen in über hundert Jahren
- Liegt das Heil wirklich in der direkten Demokratie?
- Insgesamt gerade mal 22 Volksinitiativen in über hundert Jahren
- Der ewige Kampf zwischen Sauschwaben und Kuhschweizern
- Auch die direkte Demokratie kennt blödsinnige Entscheidungen
- Ein Karneval der Lächerlichkeit
- Man muss nur richtig rechnen…
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Das Parlament kann sich aber auch für einen indirekten Gegenvorschlag aussprechen, der auf Gesetzesebene geregelt wird. Dann kommt lediglich die Volksinitiative zur Abstimmung. Wird sie abgelehnt, kommt automatisch der Gegenvorschlag zum Zug. Es sei denn, gegen diesen wird erfolgreich das Referendum ergriffen. Es kann aber auch vorkommen, dass das Initiativkomitee mit dem Gegenvorschlag einverstanden ist und seine Volksinitiative zurückzieht.
Seit ihrer Einführung in die Bundesverfassung 1891 wurden bis heute insgesamt 440 Volksinitiativen ergriffen. Von den 317 formell zu Stande gekommenen Volksinitiativen kamen 203 an die Urnen. 4 wurden für ungültig erklärt, 2 wurden abgeschrieben und 94 zurückgezogen. 10 Initiativen sind gegenwärtig anhängig.
Volk und Stände haben insgesamt nur 22 Volksinitiativen angenommen. Die allererste war 1893 übrigens die antisemitische Volksinitiative "für ein Verbot des Schlachtens ohne vorherige Betäubung" (Schächtverbot).
Einige der jüngsten Volksinitiativen haben über die Schweiz hinaus Aufsehen erregt: die Eidgenössische Volksinitiative "gegen den Bau von Minaretten" (2009), die Initiative "für die Durchsetzung der Ausschaffung [= Abschiebung] krimineller Ausländer" (2016), die Initiative "Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen" (2012), "gegen die Abzockerei" (2013), die Initiativen "gegen Masseneinwanderung" und die Volksinitiative "Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen" (beide 2014).
Die Zahl angenommener Volksinitiativen hat jedoch in den letzten Jahren zugenommen, das Instrument erfreut sich heute offensichtlich größerer Beliebtheit als früher. Während zwischen 1891 und 2003 nur 13 Initiativen angenommen wurden, waren es zwischen 2004 und 2016 immerhin schon 9.
Zwischen 1848 und 2016 wurden in der Schweiz insgesamt 178 fakultative Referenden zur Abstimmung zugelassen. 100 wurden angenommen, das Stimmvolk lehnte das bekämpfte Gesetz also ab. Die anderen 78 Referenden wurden abgelehnt. Im selben Zeitraum wurden von 218 obligatorischen Referenden 163 von Volk und Ständen angenommen, während die restlichen 55 abgelehnt wurden.
Referenden und Volksinitiativen erzeugen eine eigentümliche Wechselwirkung im politischen System der Schweiz. Referenden bremsen Parlamentsentscheide eher, die Volksinitiativen beschleunigen sie dagegen bei allen Fragen, die das Parlament nicht behandeln will. Die Volksinitiativen bieten politischen und sozialen Bewegungen die Möglichkeit, Mehrheiten für ihre Anliegen zu gewinnen.
Mit der Gefahr eines Referendums vor Augen arbeiten Regierung und Parlament meist auf einen möglichst breiten Konsens hin, wenn sie ein Gesetz durchbringen wollen. Man muss immer damit rechnen, dass die Unzufriedenheit über einen beschränkten Kreis hinausgeht und dann besteht die Gefahr, dass das Volk ein Projekt ablehnt.