Man(n) oder Frau oder Trans?
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Der Duden und Gendern in der Sprache. Spricht das generische Maskulinum tatsächlich alle Menschen, alle Geschlechter an?
Sprache ist lebendig. Manchen Menschen zu lebendig. Sie sperren sich gegen Veränderungen. So polarisiert derzeit das Thema der Geschlechtsidentität in der Sprache wie kaum ein anderer Aspekt. Die Frage stellt sich jedoch: Spricht das generische Maskulinum tatsächlich alle Menschen, alle Geschlechter an? Männer, Frauen, Transgender?
In der Dudenredaktion wird dieses Thema kontrovers diskutiert - die aktuelle Buchveröffentlichung Gendern?! präsentiert zwei Meinungen zum Thema: Pro und Kontra. Der gemeinsame Nenner ist: Gendern in der Sprache soll ein erhöhtes Sprachgefühl für die feinen Unterschiede schaffen, zudem in der Sprache ein Gleichberechtigungsgefühl einführen.
Die Redaktionsleiterin des Dudens, Frau Dr. Kathrin Kunkel-Razum, stand kurz vor der Sitzung des Rats für deutsche Rechtschreibung u.a. zu diesem Thema Telepolis am Telefon Rede und Antwort.
Warum polarisiert "Gendern in der Sprache" so?
Kathrin Kunkel-Razum: Das ist letztlich eine Machtfrage, glaube ich. Manche Teile der Bevölkerung müssen in diesem Punkt etwas Macht abgeben. Das machen sie vielleicht nicht so gerne. Das ist der eine Aspekt, sprich: Männer.
Und der andere Aspekt?
Kathrin Kunkel-Razum: Der andere Aspekt ist, dass da Ungewohntes auf uns zukommt. Das haben wir auch schon in anderen Zusammenhängen gesehen, zum Beispiel in der Rechtschreibreform: Wenn es an die Sprache geht und wenn da Veränderungen bewusst eingeführt werden sollen - also nicht die schleichenden, die wir sowieso jeden Tag haben -, dann ist es für viele Menschen nicht einfach, das zu akzeptieren. Sie spüren, da zwingt ihnen jetzt jemand etwas auf oder da müssen sie jetzt umlernen. Sprache scheint ihnen sonst völlig sicher und vertraut. Das bringt eine ganze Reihe an Unsicherheiten mit sich.
Irritierendes Anspruchsdenken gegen Veränderungen
In diesem Kontext wird häufig der Begriff "natürlich" gebraucht - eine Sprache sei quasi natürlich gewachsen, wobei man da die ständigen, historisch bedingten Änderungen missachtet. "Natürlich" bedeutet: darf nicht geändert werden!
Kathrin Kunkel-Razum: Das irritiert mich schon öfter, dass es da dieses Anspruchsdenken oder diese Haltung gibt, es darf sich zwar alles ändern, es ändert sich auch alles, aber die Sprache muss bitte so bleiben, wie sie schon immer gewesen ist. Das ist noch nie der Fall in der Geschichte gewesen, und das wird schätzungsweise auch nie so sein. Sprache ist ja so eng mit unserem Denken, unserer Entwicklung, unserer gesellschaftlichen Entwicklung verbunden, dass es gar nicht anders geht, als dass sie sich verändert.
Es kann natürlich unterschieden werden zwischen innersprachlichen Einflüssen, die sich dann zum Beispiel in der Grammatik zeigen, und außersprachlichen Einflüssen, wie sie sich zum Beispiel in der Bildung neuer Wörter oder Übernahmen aus Fremdsprachen manifestieren. Aber Sprache hat sich immer entwickelt und wird sich immer entwickeln. Das sollte man auch mit ein bisschen Gelassenheit sehen, finde ich.
Seit einiger Zeit gibt es im Dudenverlag einige Buchpublikationen, die in das Thema "Gendern in der Sprache" einführen. "Einfach gendern" soll als Buch nächstes Frühjahr erscheinen. Ich gehe davon aus, dass dieses Werk Empfehlungen ausspricht, wie man mit solch einem brisanten Thema umgehen kann?
Kathrin Kunkel-Razum: Das knüpft an den Titel an, den wir bereits letztes Jahr herausgebracht haben: "Richtig gendern", der auch ein Ratgeber ist. Der Anlass war, dass wir hier sehr viele Anfragen hatten von Menschen, die in Institutionen sitzen und die nicht genau wussten, wo gegendert werden soll und muss. Sie wussten irgendwann nicht mehr, wie sie das am besten machen sollten. Wir konnten diese ganzen Einzelanfragen irgendwann gar nicht mehr bearbeiten.
Wir dachten dann: Mensch, da gibt es offenbar ein Bedürfnis, Lösungen zu erhalten, und haben uns deshalb vor gut einem Jahr entschieden, diesen Ratgeber aufzulegen. Der neue Ratgeber, der im Frühjahr erscheinen wird, nimmt diese Idee wieder auf, ist aber noch ein bisschen einfacher gestrickt. Um es Leuten ganz plastisch vorzuführen, wie man es in bestimmten Texten am besten lösen kann.
Institutionen und privater Gebrauch
Für Institutionen ist das Gendern wichtig, um eine Art von Gleichberechtigung durchzusetzen, aber bei Individuen ist das sicher eine persönliche Angelegenheit? Ist das mit der Hoffnung verbunden, dass das mal zum Standard werden wird?
Kathrin Kunkel-Razum: In der Zeit gab es im Frühjahr die große Umfrage, wie Schriftsteller/-innen damit umgehen. Für Individuen ist das eine völlig andere Geschichte. In unseren Ratgebern geht es darum, wie eine Krankenkasse ihre Kund_innen anspricht, wie eine Imagebroschüre von einem bestimmten Haus gemacht wird. Das ist aber etwas anderes.
In Bezug auf Individuen läuft dieser Gleichberechtigungsprozess sicher anders ab?
Kathrin Kunkel-Razum: Ich denke, dass da bei vielen individuell schon was passiert. Also gerade auch, wenn sie sich im Beruf damit beschäftigen: Die Selbstbezeichnung einer Frau mit einer männlichen Form wäre solch ein Fall. Ich würde mich schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr als Redakteur bezeichnen, sondern als Redakteurin. Also auch privat nicht.
Ich würde nicht sagen: Ich bin von der Ausbildung her Lehrer, sondern ich würde immer sagen: Ich bin Lehrerin. In solchen Formen schleift es sich vielleicht sogar im Privaten ein. Das kann sein. Aber es geht hier eher darum, die Aufmerksamkeit von Institutionen, aber auch von Firmen darauf zu lenken, wie sie ihre Kunden und Kundinnen ansprechen. Das Beispiel, das wir dieses Frühjahr hatten: die Klage vor dem Bundesgerichtshof …
Sie reden von dieser Sparkasse?
Kathrin Kunkel-Razum: Ja, genau. Diese Sparkasse war einfach schlecht beraten. Die hätten einfach ihr Formular in "Kunde/Kundin" umwandeln können. Das ist doch heute nicht mehr schwierig. Das wäre kein großer Aufwand gewesen. Ich vermute, dass die einige Kundinnen haben, und sie wären damit denen entgegengekommen. Es ist nicht immer der große Aufwand, der dahintersteht, um zu zeigen: Ja, ihr seid mir auch wichtig!
Die Sparkasse hat wahrscheinlich mit dem generischen Maskulinum argumentiert. Dass damit alle bereits angesprochen seien!
Kathrin Kunkel-Razum: Genau.
Oder die Konfrontation dieser Kundin Marlies Krämer, die eine altgediente Frauenrechtlerin von 81 Jahren ist, hat diesen Prozess noch angeheizt? Es ist bei dieser Gender-Debatte zu beobachten, dass manche Leute sehr emotional bis hin zu ausfällig werden.
Kathrin Kunkel-Razum: Das kann ich nur bestätigen. Diese Resonanz haben wir teilweise auch auf unsere Ratgeber erhalten. Man kann das Ganze natürlich neutraler formulieren; man kann auch von "geschlechtergerechtem Sprachgebrauch" sprechen, nur ist das wieder deutlich länger und umständlicher. Der Begriff "Gendern" hat sich inzwischen eben stark eingeprägt, weil er kürzer ist. Aber Sie haben völlig recht, das ist sehr emotional besetzt. Das ist auch unsere Erfahrung, die wir täglich machen.
"Wir wollen auch niemandem etwas überstülpen"
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Kathrin Kunkel-Razum: Es gab da Reflexionen und Reaktionen sehr unterschiedlicher Art. Der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes hat auf der Seite des Vereins Deutsche Sprache ganz groß geschrieben: "Duden! Stampfen Sie dieses Machwerk ein!", bezogen auf unseren Ratgeber.
Es gab eine Postkartenaktion des Vereins Deutsche Sprache auf der Leipziger Buchmesse, die für mich geradewegs an Verleumdung gegrenzt hat, weil auf diesen Postkarten der Eindruck erweckt wurde, wir hätten so was wie "die Helikopterin" oder "Prostatapatientin" empfohlen, was wir natürlich nicht gemacht haben. Das ist völlig klar, das ist ja richtiger Schwachsinn.
Und bei den sozialen Medien?
Kathrin Kunkel-Razum: In den sozialen Medien gab es natürlich viele Reaktionen auf unsere Bücher. Auf Amazon bin ich bei vielen Rezensionen der Meinung, dass da sich viele Leute, die sich geäußert und Gift und Galle gespuckt haben, nicht mal die Mühe gemacht hatten, in das Buch zu gucken. Ich glaube schon, dass wir da sehr gemäßigt vorgehen. Wir wollen auch niemandem etwas überstülpen.