Mangel an IT-Experten auch in Indien

Der Wettbewerb um die Computerspezialisten auf dem internationalen Arbeitsmarkt könnte den Brain Drain aus den armen Ländern noch verschärfen

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Die im allseits geführten Konkurrenzkampf um die fehlenden IT-Experten begehrten indischen Computerspezialisten sind auch im eigenen Land bereits Mangelware. Angeblich fehlen bereits jetzt 70000 Angestellte und die Zahl könnte sich in den nächsten sieben Jahren auf zwei Millionen erhöhen. Das zumindest ist das Ergebnis eines Berichts von McKinsey, der im Auftrag der indischen National Association of Software and Service Companies (Nasscom durchgeführt wurde.

Erst vor kurzem hatte Indiens Finanzminister Yashwant Sinha noch bezüglich der deutschen Debatte um die Green Card gesagt, Indien habe ein solch großes Potenzial an Fachkräften, dass keine Gefahr für Indien durch solche Initiativen entstehe: "Wir haben 50 Millionen davon, da können wir einige abgeben." Deutschland will mit der Green Card 20000 Fachkräfte, vorwiegend aus Indien anwerben. Nach den USA hat Indien die meisten IT-Experten.

Dewang Mehta, Direktor der Nasscom, ist da nach den Ergebnissen des Berichts anderer Meinung: "Selbst wenn in den nächsten 5 Jahren die Zahl der IT-Fachkräfte um das Zehnfache zunehmen würde, wird die Industrie sie alle aufnehmen können." Die Nasscom setzt darauf, Indiens Softwarebranche in den nächsten Jahren weltweit führend zu machen. Bedinging dafür aber wären genügend Fachkräfte. Die befragten Firmen haben zwischen 2000 und 2001 eine Nachfrage von 140000 IT-Experten angegeben, jährlich würden jedoch nur über 70000 neue Spezialisten auf den Markt kommen. Die Economic Times setzte über den Artikel die Schlagzeile: "Techies need not go west as geek shortage grips India."

Indien setzt stark auf die Informationstechnologie und hofft, in den nächsten acht Jahren hier sieben Millionen neue Arbeitsplätze schaffen und Hardware sowie Software im Wert von 50 Milliarden Dollar exportieren zu können. Gegenwärtig verdient die indische Softwarebranche nach Nasscom fast sechs Milliarden Dollar, was eine 50prozentige Steigerung gegenüber dem Vorjahr bedeuten würde.

Der indische Bundesstaat Karnataka, dessen Hauptstadt Bangalore ist, startete letzte Woche eine IT-Initiative, um internationale Konzerne nach Indien zu holen und den Mangel an Facharbeitern zu reduzieren. Es sollen Technologieparks und mehr als 200 Ausbildungszentren geschaffen werden.

Indische Unternehmen kritisieren, dass sie mit den Konkurrenten aus den reichen Ländern nicht gleichhalten können, was Verdienstmöglichkeiten und Aufstiegschancen angeht. Gleichwohl zählen die IT-Experten im eigenen Land zur Elite. Indien ist überdies eines der ärmsten Länder der Erde mit einer hohen Zahl an Arbeitslosen, die kaum oder keine Schulausbildung haben. Die Hälfte der indischen Bevölkerung kann nicht Lesen und Schreiben, die Hälfte der Kinder sind unterernährt und ein Drittel der Menschen lebt unterhalb der Armutsgrenze. Das Land ist zudem so verschuldet, dass es kaum Möglichkeiten geben wird, groß in die Ausbildung für die breite Bevölkerung zu investieren. Wenn denn die Zahlen von Nasscom zutreffen, so wird, sofern die Internetökonomie nicht einen schweren ökonomischen Rückschlag erleidet, der scharfe Wettbewerb um IT-Experten auf dem internationalen Arbeitsmarkt für Indien zu einem brain drain führen, der auch die heimische Softwarebranche gefährden könnte.