Manifest gegen den Krieg

Seite 3: Auswege aus der Logik der Kriegshetzer

Aber wir dürfen unsere Identität, unsere Orientierung an den sozialen und emanzipatorischen Kämpfen für Gleichheit und Selbstbestimmung nicht an die Logik des imperialistischen Kriegs und den Zynismus der Kriegshetzer auf allen Seiten abtreten.

Wir sind dafür mitverantwortlich, dass das militärische Gemetzel, das Töten von Zivilisten, die Bombardierungen, die Aushungerung und die Massenvertreibung der ukrainischen Bevölkerung sofort aufhören und die Zerstörung der sozialen Infrastrukturen gestoppt wird.

Wir dürfen nicht zulassen, dass die Nato und der Westen die Ukraine bis zum letzten wehrfähigen Ukrainer verteidigen lassen und der russische Generalstab das Sterben zigtausender Soldaten – überwiegend Wehrpflichtige – in Kauf nimmt.

Wir wollen aber auch nicht später von unseren Kindern und Enkeln gefragt werden, warum wir nichts gegen die Ausweitung des Ukraine-Konflikts zu einem europäischen Großkrieg oder gar zu einem nuklearen Armageddon unternommen haben.

Diese Gefahr ist aufgrund der massiven militärischen Unterstützung seitens der USA und der Nato sowie der umfassenden Wirtschaftssanktionen ständig gewachsen. Wir sind keine passiven Zuschauer. Wenn noch weiter an der Eskalationsschraube gedreht wird, könnten wir in den nächsten Wochen genauso mit den Schrecken des Kriegs konfrontiert sein wie gegenwärtig der ukrainischen Zivilbevölkerung.

Wir fordern:

1. Einen sofortigen Waffenstillstand und den Abzug aller Kampftruppen aus allen städtischen Agglomerationen

2. Den Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine. Die Entwaffnung und Auflösung aller paramilitärischen Verbände auf dem Staatsgebiet der Ukraine

3. Die sofortige Beendigung der Waffenlieferungen und der verdeckten Beteiligung der Nato am Krieg

4. Die sofortige Aufhebung der Sanktionen und die Beendigung des Wirtschaftskriegs

5. Die Aufnahme von Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine unter der Aufsicht der OSZE. Zusicherung der unbefristeten Neutralität der Ukraine und Abbau der Nato-Infrastruktur in der Ukraine als Gegenleistung für umfassende und international abgesicherte russische Sicherheitsgarantien.

6. Die Etablierung der Ukraine als unabhängiger Brückenstaat zwischen Nato/EU und Russland unter dem Dach der OSZE. Bilaterale Wiederaufbau- und Wirtschaftsverträge der Ukraine mit der EU und der post-sowjetischen Zollunion.

Wir sind uns sehr wohl darüber im Klaren, dass diese Forderungen so lange in der Luft hängen, wie sie nicht von den sozialen Bewegungen, den arbeitenden Klassen und den kritischen Intelligenzschichten in einer international koordinierten Kraftanstrengung erzwungen werden.

Es ist deshalb höchste Zeit zur Mobilisierung eines breiten antimilitaristischen Widerstands, der umfassend und transnational in die sozialen Kämpfe integriert wird. Dieses Vorgehen ist keineswegs chancenlos, wie die Einbeziehung des Widerstands gegen den Vietnamkrieg in die globale Sozialrevolte der späten 1960er-Jahre gezeigt hat.

Wir schlagen deshalb als erste Schritte zur Mobilisierung des Widerstands vor:

1. Den Stopp aller Waffenlieferungen in die Ukraine und die übrigen Kriegsgebiete der Welt durch Boykottaktionen

2. Den Start einer Kampagne zur Verweigerung des Militärdiensts in allen Armeen, die direkt oder indirekt am Ukraine-Krieg beteiligt sind: Missachtung der Einberufungsbefehle, Befehlsverweigerung, Desertion aus den Kampftruppen und Nachschubeinheiten Russlands, der Ukraine und der Nato. Aufbau einer breiten Solidaritätsbewegung für die Kriegsdienstverweigerer

3. Die Beteiligung an den Hilfsaktionen für unterschiedslos alle Geflüchteten aus der Ukraine und den anderen Kriegs- und Bürgerkriegsgebieten

4. Es ist höchste Zeit, gegen die Desorientierung der Friedens- und Protestbewegung Position zu beziehen. Die Massendemonstrationen auf der ganzen Welt und die Interessen der arbeitenden Klassen sind gegen alle imperialistischen Mächte gerichtet und dürfen nicht einseitig Partei ergreifen.

Ihr Ziel war und ist die Überwindung von Ausbeutung, patriarchaler Unterdrückung, Rassismus, Nationalismus, Naturzerstörung und die Durchsetzung der individuellen und sozialen Menschenrechte. Nun ist der Kampf gegen die wieder aufgelebte Barbarei hinzugekommen.

Es ist höchste Zeit, dass sich die Kriegsgegner aller Länder zusammenschließen, bevor es zu spät ist. Die Gefahr des Einsatzes nuklearer Waffen ist real. Wir müssen alles unternehmen, um das zu verhindern. Dies ist unsere Verantwortung gegenüber unseren Kindern und Enkeln!

Erstunterzeichner:

Sergio Bologna, Historiker und Logistikberater, Milano
Rüdiger Hachtmann, Historiker, Berlin
Erik Merks, Gewerkschaftsfunktionär i.R., Hamburg
Karl Heinz Roth, Historiker und Mediziner, Bremen
Bernd Schrader, Soziologe, Hannover