Markus Linden, die "Zeit" und der Pressekodex: Der Indizienbeweisführungvermutungskritiker

Seite 3: Die Zeit und Markus Linden: Fragwürdige Entwicklungen

Und was soll das jetzt alles? Und weshalb widmet Telepolis dem Aufsatz in der Zeit gleich zwei Beiträge an einem Tag? Kurz gesagt: Weil hinter dieser Veröffentlichung gleich mehrere fragwürdige Entwicklungen stehen. Da ist zum einen ein Politikwissenschaftler, der sich – erfolgreich, wie es scheint – ein Geschäftsfeld erschlossen hat: die ideologisierte Medienschelte, top-down.

Dass er damit in der Zeit ein Forum findet, scheint nachvollziehbar: Zum einen versteht sich die Wochenzeitung offenbar als Gralshüter eines alten, von vielen als veraltet angesehenen Medienbetriebs.

Mit einer solchen Attitüde kann man schon mal rüde gegen neue Konkurrenz jedweder Couleur austeilen. Es ist sozusagen ein beidseitiges, wirtschaftliches Interesse, das aus dem Beitrag spricht. Linden kassiert Honorar, gegen das er die ideologische Arbeit liefert, die der Blattlinie entspricht.

Was Markttendenzen verraten

Der Wissenschaft dient das nicht. Der offenen Gesellschaft und der Qualitätspresse ebenso wenig. Es scheint vielmehr darum zu gehen, missliebige Konkurrenz abzukanzeln. Dafür sprechen die Marktzahlen.

Wie viele etablierte Medien hat auch die Zeit deutlich an Zuspruch verloren, laut der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse fast fünf Millionen Unique User zwischen März 2022 und März 2023, das ist ein Drittel dieser Leserschaft. Ob diese Art von Beschimpfung alternativer Medien aber dazu beiträgt, dass die Leser zurückkehren – man mag es bezweifeln.

Das Tragische an Markus Lindens Aufsatz und der redaktionellen Entscheidung der Zeit ist, dass beide die Chance auf eine ehrliche Auseinandersetzung zwischen alten und neuen Medien vertun, sei es aus mangelnder Kompetenz oder mangelnder Bereitschaft.

Selbstkritik fehlt

Gerade mit Blick auf den Umgang mit der Corona-Pandemie könnte man hier thematisieren, dass ein wichtiger Vertreter der Nachdenkseiten-Redaktion einen Aufruf unterzeichnet, in dem der Impfkampagne bar jedes Belegs Gesundheitsgefährdung unterstellt wird, zumal damit die Grenze zwischen Aktivismus und Journalismus verwischt.

Zu einer ehrlichen Auseinandersetzung des Mainstream-Mediums Zeit mit dem Alternativmedium Nachdenkseiten müsste aber auch die notwendige Selbstkritik gehören. Zumindest sollte das Bemühen erkennbar sein, den eigenen Leserverlust zu erklären, der ja nicht nur die Zeit betrifft, sondern auch Branchengrößen wie den Spiegel.

Die Zeit als Sprachrohr politischer Interessen

Und schließlich muss man der Zeit vorwerfen, dass sie sich zum Sprachrohr politischer Interessen zu machen gewillt scheint. Die Vorwürfe von Markus Linden gegen die Nachdenkseiten, ähneln in Duktus und Stoßrichtung Formulierungen des Inlandsgeheimdienstes, der im Zuge der schwelenden politischen Systemkrise einen "Phänomenbereich verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" erdacht hat.

Allein das ist bedenklich. Wenn sich als demokratisch verstehende Medien diesem Trend anschließen, droht es gefährlich zu werden.

Ziffer 6, Pressekodex

Aber man kann schon eine Stufe niedriger ansetzen, bei Ziffer 6 des Pressekodex. Die Zeit stellt Linden als "außerplanmäßiger Professor für Politikwissenschaft an der Universität Trier" vor und vergisst zu erwähnen, dass ihr Honorarautor für ähnliche Inhalte seit 2022 indirekt aus ministerialen Töpfen bezahlt wurde, umgeleitet über die auftraggebende grünennahe Denkfabrik "Zentrum Liberale Moderne".

Für diesen umstrittenen Thinktank arbeitete Linden im Rahmen zweier gegen "Alternativmedien" gerichtete Projekte: "Gegneranalyse" und "Narrativcheck". Gegenüber Telepolis bestätigte das maßgeblich regierungsfinanzierte Zentrum Liberale Moderne, dass "verschiedene Texte auf Honorarbasis von freien Autorinnen und Autoren angefertigt" wurden.

Hätte man ja wissen und erwähnen können, liebe Zeit.

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