Medien- und Drogenkonsum in der Coronapandemie

Seite 2: Neuere Ergebnisse aus den Niederlanden

Auch eine neuere Studie aus den Niederlanden hat das Gaming-Verhalten in der Pandemie untersucht. Dafür erhob das angesehene Trimbos-Institut Daten von 28.442 Studierenden an Fachhochschulen und Universitäten.

Wiederum wurden die neuen Kriterien der Computerspielsucht der Weltgesundheitsorganisation verwendet. Anstatt nach der Dauer zu fragen, sollten die Studierenden aber angeben, ob sie weiterspielen, obwohl das zu Problemen führt, oder ob sie wegen des Spielens seit mindestens einem Jahr Probleme erfahren.

Jeder Zwanzigste beziehungsweise fünf Prozent bejahten mindestens eine dieser Fragen und fielen darum in die Risikogruppe. Auch diesmal fielen die Männer mit mehr problematischem Verhalten auf, doch mit noch viel größeren Unterschieden: Mit 8,6 Prozent waren es nämlich rund sechsmal so viele junge Männer wie junge Frauen (1,4 Prozent).

Studierende mit Konzentrations- oder psychischen Problemen antworteten hier häufiger mit "ja". Auf die Frage, wie die Coronapandemie ihr Spielverhalten verändert hat, nannten 40 Prozent eine Zunahme und 9 Prozent eine Abnahme. Im Gegensatz zur Untersuchung der DAK betrachtete diese Studie aber nicht die Nutzung Sozialer Medien.

Substanzkonsum in der Pandemie

Der Großteil der Untersuchung beschäftigte sich aber mit dem Substanzkonsum: Alkohol, Cannabis und XTC (MDMA). Den in Bier, Wein und anderen beliebten Getränken enthaltenen Stoff haben nach eigenen Angaben 82 Prozent mindestens einmal im vergangenen Jahr getrunken.

Als übermäßige Trinker galten 11 Prozent, weil sie wöchentlich mehr als 14 (Frauen) oder 21 Gläser (Männer) mit alkoholischen Getränken konsumierten. Als schwere Trinker galten gar 16 Prozent, weil sie mindestens einmal pro Woche an einem Tag vier (Frauen) oder sechs (Männer) Gläser tranken.

Als Gründe für den Alkoholkonsum gab mit 56 Prozent die Mehrheit schlicht an, dass das "nett" sei (das niederländische "leuk", eines der wohl am häufigsten verwendeten Wörter der Sprache, lässt sich nicht eindeutig ins Deutsche übersetzen). Jeweils 41 Prozent meinten, dass soziale Treffen dadurch schöner würden oder das damit verbundene Gefühl angenehm sei.

Im Einklang mit dem eingangs erwähnten Modell des Suchtexperten Christian Müller tranken die meisten Studierenden also, um sich besser zu fühlen oder sozialer zu sein. Nach eigenen Angaben spielte es eine geringere Rolle, damit Probleme zu verdrängen oder sich an die Gruppe anzupassen.

Mit 45 Prozent gab fast die Hälfte an, in der Coronapandemie weniger zu trinken; bei 16 Prozent war es mehr. Die Studienautoren vermuten, dass das mit einem Rückgang der Gelegenheiten zum Trinken durch die Lockdowns zu tun habe.

Das sieht beim Rauchen etwas anders aus: Hier würden in der Pandemie 31 Prozent mehr und 20 Prozent weniger rauchen. Allerdings ist die Gruppe der Raucher auch kleiner als die der Alkoholtrinker.

Täglich würden nach eigenen Angaben 8 Prozent Zigaretten rauchen. Nicht täglich aber immer noch regelmäßig rauchten 7 Prozent. Den täglichen Gebrauch von E-Zigaretten gaben nur 0,8 Prozent an.

Cannabisland Niederlande

Die Niederlande sind weltweit für ihre liberale Cannabispolitik bekannt. Tatsächlich wird das Mittel aber nur toleriert und ist es nicht legalisiert, was jüngst auch mit Problemen durch Drogenkriminalität in Zusammenhang gebracht wird.

Von den 28.442 Studierenden gab hier ein Drittel an, im vergangenen Jahr Cannabis konsumiert zu haben. Immerhin 8 Prozent taten das wöchentlich, was die Studienautoren als regelmäßigen Konsum ansehen.

Häufiger konsumierten Studierende das Mittel mit dem Wirkstoff THC, die nicht mehr zuhause wohnten, solche mit Migrationshintergrund, internationale Studierende und wiederum solche mit Konzentrations- und psychischen Problemen.

In der Coronapandemie hätten 28 Prozent das Mittel häufiger verwendet, 23 Prozent seltener. Übrigens gab fast die Hälfte an, einen täglichen Konsum für überhaupt nicht in Ordnung zu halten.

Das als Partydroge bekannte XTC haben laut der Studie 23 Prozent der Studierenden schon einmal verwendet – die meisten aber nur einmal oder wenige Male. Immerhin im letzten Monat hätten das 3 Prozent getan und 1 Prozent gab an, die Substanz über einen Zeitraum von einem Jahr monatlich oder häufiger zu konsumieren.

Ähnlich wie beim Alkohol hätten 33 Prozent in der Coronapandemie weniger XTC verwendet, 13 Prozent mehr. Es gab ja auch weniger Partys und Festivals, wo die Substanz wohl am häufigsten verwendet wird.

Geschlecht und soziale Umstände

Bei allen Substanzen waren Männer häufiger vertreten: beim übermäßigen Alkoholgebrauch (12,6 Prozent gegenüber 8,8 bei den Frauen), beim häufigen Cannabiskonsum sogar mehr als doppelt so oft (11,9 gegenüber 5,3 Prozent) und beim regelmäßigen XTC-Gebrauch (4,1 gegenüber 2,5 Prozent). Das ist allgemein bekannt und Männer bekommen dann auch häufiger eine Suchterkrankung diagnostiziert.

Die Forscher untersuchten den Substanzkonsum dann noch mit Blick auf einige psychologische und soziale Faktoren. Der Konsum ist beispielsweise bei denjenigen höher, die sich für ihr Studium hoch verschulden müssen (40.000 Euro Schulden oder mehr).

Allerdings lässt sich aus den Daten nicht sagen, ob es hier einen Kausalzusammenhang gibt. Haben sie vielleicht mehr Schulden, weil sie mehr Zeit mit sozialen Aktivitäten verbringen, bei denen mehr konsumiert wird, und darum länger fürs Studium brauchen? Oder nehmen sie anders herum die Mittel, weil sie so hoch verschuldet sind?

Die Schulden werden natürlich höher, je länger man studiert. Da die hier Befragten aber noch nicht fertig sind, bleibt die Studie eine Antwort schuldig.

Bei einer anderen Analyse ging es um Stress: Davon haben nach eigenen Angaben 62 Prozent viel oder sehr viel. Als Hauptgrund nannte die große Mehrheit (72 Prozent) das Studium selbst, gefolgt von der Coronapandemie (53 Prozent). Ein ähnliches Bild ergibt sich für Leistungsdruck.

Die Studierenden, die mehr Stress hatten oder Druck erfuhren, konsumierten etwas häufiger Cannabis. Bei ihnen waren auch Braindoping-Mittel etwas beliebter, über die ich bereits beim letzten Mal geschrieben habe (Ritalin & Co.: Niederländische Regierung will gegen Gehirndoping vorgehen).